Klin Monbl Augenheilkd
DOI: 10.1055/a-2198-7630
Klinische Studie

Präoperativer Nachweis der lokalen Tumorausdehnung bei Patienten mit fortgeschrittenem Retinoblastom: prädiktiver Wert MR-tomografischer und klinischer Befunde

Article in several languages: deutsch | English
1   Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Essen, Deutschland
,
Sophia Göricke
2   Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie, Universitätsklinikum Essen, Deutschland
,
Paulina Stumbaum
1   Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Essen, Deutschland
,
Philipp Rating
1   Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Essen, Deutschland
,
1   Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Essen, Deutschland
,
Tobias Kiefer
1   Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Essen, Deutschland
,
Saskia Ting
3   Institut für Pathologie Nordhessen, Gesundheit Nordhessen Holding AG, Kassel, Deutschland
,
Andreas Junker
4   Institut für Neuropathologie, Universitätsklinikum Essen, Deutschland
,
Norbert Bornfeld
5   Facharztzentrum für Augenheilkunde, Düsseldorf, Universität Duisburg-Essen, Duisburg, Deutschland
,
Stefan Schoenberger
6   Klinik für Kinderheilkunde III, Universitätsklinikum Essen, Deutschland
,
Nikolaos E. Bechrakis
1   Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Essen, Deutschland
,
Petra Ketteler
7   Klinik für pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Universitätsklinikum Essen, Deutschland
,
Eva Biewald
1   Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Essen, Deutschland
› Author Affiliations

Zusammenfassung

Hintergrund Um die lokale Tumorausdehnung bei fortgeschrittenem Retinoblastom beurteilen zu können, wird präoperativ vor der geplanten Enukleation routinemäßig eine hochauflösende Magnetresonanztomografieuntersuchung (MRT-Untersuchung) durchgeführt. Ziel unserer Studie war es, den prädiktiven Wert der MRT und klinischen Charakteristika für die Vorhersage der postoperativ histopathologisch gesicherten Tumorausdehnung zu analysieren.

Patienten und Methode Eingeschlossen wurden alle Patienten, die im Zeitraum von Januar 2011 bis Dezember 2021 in unserer Klinik wegen eines fortgeschrittenen Retinoblastoms nach hochauflösender MRT-Untersuchung primär enukleiert wurden. Primärer Studienendpunkt war die Evaluation der Vorhersagbarkeit histopathologischer Risikofaktoren in der präoperativen MRT-Untersuchung. Insbesondere wurde die Sensitivität und Spezifität der MRT-Untersuchung hinsichtlich der klinisch relevanten Optikusinfiltration und Choroideainfiltration bestimmt.

Ergebnisse Das mittlere Alter der 209 eingeschlossenen Patienten betrug 1,6 Jahre (1 Monat bis 4,7 Jahren). Mittels MRT wurde bei 46 (22%) Patienten der Verdacht auf eine Optikusinfiltration geäußert, eine ausgedehnte choroidale Infiltration bei 78 (40,2%) Patienten und eine Sklerainfiltration bei 1 Patienten (2,6%) vermutet. In der histopathologischen Untersuchung wurde eine postlaminäre Optikusinfiltration bei 25 (12%) Patienten und eine ausgedehnte choroidale Infiltration bei 17 (8,1%) Fällen nachgewiesen. Eine Sklerainfiltration zeigte sich bei 8 (3,8%) Patienten. In der finalen multivariaten Analyse waren der MRT-Befund der Tumorinfiltration und ein präoperativer Augendruck ≥ 20 mmHg unabhängig mit dem histologischen Nachweis einer klinisch relevanten Optikusinfiltration (resp. p = 0,033 und p = 0,011) und Choroideainfiltration (resp. p = 0,005 und p = 0,029) assoziiert. Die diagnostische Genauigkeit der darauf basierten Prädiktionsmodelle für die Vorhersage einer klinisch relevanten Optikusinfiltration (AUC = 0,755) und Choroideainfiltration (AUC = 0,798) war somit der alleinigen MRT-Untersuchung überlegen (entsprechend 0,659 und 0,742). Die Sensitivität und Spezifität der MRT-Untersuchung für die Bestimmung histopathologischer Risikofaktoren betrug in unserer Kohorte für eine klinisch relevante Optikusinfiltration 64% und 65% und für eine klinisch relevante Choroideainfiltration 87% und 64%.

Schlussfolgerungen Die lokale Tumorausdehnung des Retinoblastoms mit Infiltration des Sehnervs und der Choroidea kann anhand der radiologischen und klinischen Charakteristika noch vor dem Behandlungsbeginn gut eingeschätzt werden. Die Kombination von klinischen und radiologischen Risikofaktoren unterstützt die Möglichkeit einer frühen Behandlungsstratifizierung bei Retinoblastompatienten.

Fazitbox

Wir konnten in vorliegender Studie zeigen, dass die hochauflösende MRT unter Verwendung von Orbitaspulen klinisch wertvoll für die Erkennung von metastatischen Hochrisikofaktoren bei Kindern mit Retinoblastom sein kann. Die Vorhersagbarkeit wird durch das Hinzuziehen klinischer Parameter weiter verbessert. Goldstandard bleibt aber bislang unverändert die histopathologische Analyse enukleierter Augen.

Bereits bekannt:

Die präoperative MRT mit Orbitaspule dient zur Detektion von Hochrisikofaktoren für eine Metastasierung und ist somit unabdingbar für die Therapieplanung (Einleitung einer neoadjuvanten Chemotherapie, Abschätzung des erforderlichen Operationsumfangs bei primärer Enukleation).

Neu beschrieben:

Die vorliegende Studie befasst sich mit der MRT-morphologischen Vorhersagbarkeit histopathologischer Risikofaktoren im Vergleich zu der postoperativ gewonnenen Histopathologie. Die Vorhersagbarkeit wird durch das Hinzuziehen klinischer Parameter weiter verbessert.



Publication History

Received: 24 April 2023

Accepted: 19 October 2023

Article published online:
22 December 2023

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