Laryngorhinootologie 2024; 103(05): 332
DOI: 10.1055/a-2219-0598
Referiert und Diskutiert

Kommentar zu „Behandlung der hypertrophen unteren Nasenmuschel – eine Analyse der Kosten“

Rezensent(en):
Christian Koch

**** Die allergische Rhinitis (AR) ist die häufigste Immunkrankheit und damit eine der häufigsten chronischen Erkrankungen. In Deutschland wird schätzungsweise bei bis zu 30% der Erwachsenenbevölkerung mindestens eine allergische Erkrankung diagnostiziert, in den USA sind 10–20% betroffen. Problematisch ist das Auftreten von Komorbiditäten wie Konjunktivitis, Asthma bronchiale, Nahrungsmittelallergie und atopisches Ekzem. Die Behandlung erfordert demzufolge enorme Finanzmittel. Die Behandlung erfolgt weitestgehend medikamentös, führt aber nicht immer zum gewünschten Erfolg.

Die Autoren hatten das Ziel, ein Kardinalsymptom der AR, die Nasenatmungsbehinderung, in einer Kosten-Wirksamkeits-Studie (Kosten je QALY) durch 2 konservative und 2 mit Operationen kombinierte Behandlungsstrategien zu untersuchen.

Im Vergleich fallen unterschiedliche Strategien auf: In den USA ist die Gabe von Glukokortikoiden, gepaart mit oralen Antihistaminika, die am weitesten verbreitete (Strategie 1). In Europa, insbesondere Deutschland, wird nach Leitlinienempfehlungen zusätzlich die frühzeitige Allergiediagnostik und ggf. die Immuntherapie (AIT) propagiert (Strategie 2). Komorbiditäten sollen so möglichst lange aufgehalten bzw. frühzeitig therapiert werden.

Die Kostenstrukturen der medikamentösen Strategien sind länderabhängig und kaum vergleichbar. Für das deutsche Gesundheitssystem konnte nachgewiesen werden, dass die zusätzliche AIT im Vergleich zur alleinigen symptomatischen Pharmakotherapie sowohl für die AR als auch für das allergische Asthma günstiger ausfällt. Die AIT ist auf längere Sicht deutlich kosteneffektiver (ARIA-Leitlinie). Kostenstrukturen für eine zusätzliche Muschel-OP im Rahmen der AR fehlen.

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass bei Scheitern der anfänglichen Pharmakotherapie eine Verkleinerung der unteren Nasenmuschel (ITR) noch vor Allergiediagnostik und SCIT (Strategie 4) am kostengünstigsten sei, gefolgt von Strategie 3. Unsicherheiten in der Bewertung wurden durch die deterministische und probabilistische Sensitivitätsanalyse ausgeschlossen.

Allerdings gaben die Autoren auch an, dass die Kosten bei Einsatz der Mikrodebrider-Technik (Mikroshaver) deutlich über denen der Radiofrequenzablation (RF) waren. Die Nutzung der RF-Technik führt im Ergebnis zur Priorisierung in die Strategie 3 und zu geringeren absoluten Kosten.

Die Studie zeigt Stärken und Schwächen. Exzellent sind die Operations Research (OR) zur Auffindung und Begründung optimaler Handlungsalternativen (komplexe Kostenanalyse nach dem Markov-Modell), die Messung der Ergebnisqualität (qualitätskorrigierte Lebensjahre = QALY-Konzept) sowie die Bewertung der Ergebnisse nach der inkrementellen Kosten-Effektivitäts-Relation (ICER). So werden die Verzerrungen der zahlreichen Einflussfaktoren minimiert. Die Sensitivitätsanalyse bereinigt Unsicherheiten der Ergebnisse.

Schwächen sind die Einschlusskriterien zur ITR. Mit einer Trennung von hochpreisigen (Mikrodebrider) und preiswerteren (RF) Techniken hätte sich ein objektiveres Bild ergeben. Die Kostenstrukturen der medikamentösen Behandlung gelten nicht in allen Ländern, daher sind die Studienergebnisse nicht direkt auf andere Gesundheitssysteme übertragbar. Das Ziel der AIT im Hinblick auf die Komorbiditäten kommt zu kurz. Die AIT sollte frühzeitiger eingesetzt werden. Schließlich handelt es sich um eine Beobachtungsstudie, die nicht randomisiert ist.

Unter dem Kostendruck in den Gesundheitssystemen weltweit müssen noch Diskussionen geführt werden, was eine Methode kosten darf und wie priorisiert werden kann oder soll.

Die Autoren sehen noch Forschungsbedarf. Die Beobachtungszeit von 5 Jahren sei zu kurz, um Langzeiteffekte bezüglich der Dauer und des Umfangs des Nutzens einzuschätzen. Nicht alle AR-Patienten haben eine nasale Obstruktion – dann stehen andere behandlungspflichtige Komorbiditäten im Vordergrund.

Fazit

Die Studie lässt den Schluss zu, dass die in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern kostengünstige medikamentöse Strategie mit topischen Glukokortikoiden und oralen oder nasalen Antihistaminika in Kombination mit AIT (SCIT) beibehalten werden sollte. Eine Erweiterung der Behandlungsoption mittels RF-Behandlung der unteren Nasenmuscheln scheint eine sinnvolle ergänzende Therapieoption zu sein. Mikrodebrider-unterstützende submuköse Resektionen hingegen sind unter gesundheitsökonomischen Gesichtspunkten kritisch zu sehen.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
02. Mai 2024

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