Psychother Psychosom Med Psychol 2024; 74(06): 224-231
DOI: 10.1055/a-2311-4717
Originalarbeit

Zugangshürden zu psychosozialen Versorgungsangeboten Leipziger Bürger*innen afghanischer und irakischer Staatsangehörigkeit

Frequency Of Psychological Stress And Barriers To Accessing Mental Health Services For Leipzig Citizens Of Afghan And Iraqi Citizenship
Klara Koch
1   Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universität Leipzig
,
Yuriy Nesterko
1   Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universität Leipzig
2   Klinisch-Psychologische Intervention, Freie Universität Berlin
,
Kim Hella Schönenberg
1   Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universität Leipzig
,
Heide Glaesmer
1   Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universität Leipzig
› Author Affiliations

Zusammenfassung

Ziel der Studie Ziel der Studie war das Inanspruchnahmeverhalten von Versorgungsangeboten im Bereich psychischer Gesundheit in Leipzig durch Iraker*innen und Afghan*innen bei Vorliegen psychischer Belastungen zu untersuchen und vor allem Zugangshürden in der Versorgung zu identifizieren.

Methodik Alle volljährigen, in Leipzig lebenden Personen mit irakischer oder afghanischer Staatsangehörigkeit, die nicht in Deutschland geboren waren, wurden kontaktiert. Es wurden verschiedene Instrumente (PHQ-9, GAD-7, SSS-8, PCL-5/LEC-5) zur objektiven Erfassung psychischer Belastungen und ein Item zur Erfassung subjektiver psychischer Belastung genutzt. Lag ein Behandlungsbedarf vor, wurde die Inanspruchnahme von psychosozialen Versorgungsangeboten erfragt. Wenn trotz des nachgewiesenen Bedarfs Hilfsangebote nicht in Anspruch genommen worden waren, wurden mögliche Hürden erfragt.

Ergebnisse 51.4% der befragten Personen zeigten subjektiven und objektiven Behandlungsbedarf, 38.2% dieser Personen mit Behandlungsbedarf nahmen keine Hilfe in Anspruch. Häufige Gründe dafür waren, das Problem allein lösen zu wollen oder das Problem nicht als sehr störend zu empfinden. Außerdem wurden mangelndes Vertrauen in das Gesundheitssystem, sowie Angst vor Diskriminierung und Stigmatisierung als Hürden benannt.

Diskussion Die Studie zeigt einen hohen Behandlungsbedarf in den untersuchten Gruppen. Dies könnte auf die hohe Anzahl an traumatischen Ereignissen, sowie Postmigrationsstressoren zurückzuführen sein. Mehr als die Hälfte der Personen haben Hilfsangebote in Anspruch genommen. Eine längere Aufenthaltsdauer in Deutschland und der durch die Krankenversicherungskarte vereinfachte Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem könnten die Inanspruchnahme gefördert haben. Hürden wie mangelndes Wissen und Vertrauen in Bezug auf das deutsche Gesundheitssystem oder Angst vor Stigmatisierung und Diskriminierung erschweren den Zugang zu Versorgung.

Schlussfolgerung Es sollten mehr Informationen über Versorgungsstrukturen verbreitet, sowie mehr niedrigschwellige Angebote implementiert werden. Diese sollten interdisziplinär organisiert sein und den Fokus auf eine kultur- und rassismussensible Betreuung legen. Sie dürfen vor allem im Hinblick auf den hohen Bedarf an psychosozialer Hilfe keinesfalls weiter beschränkt werden.

Abstract

Objective Aim of the study was to report evidence on mental health needs and access to mental health and psychosocial support for Leipzig citizens of Afghan and Iraqi citizenship in the presence of mental stress and, above all, to identify barriers to access to care.

Methods All adults in Leipzig with Iraqi or Afghan citizenship, who were not born in Germany were contacted. Various instruments (PHQ-9, GAD-7, SSS-8, PCL-5/LEC-5) to screen for symptoms of depression, anxiety, somatization disorder or PTSD and one item for self-reported emotional problems were used. Questions on health care utilization and barriers to care followed.

Results 51.4% screened positive in at least one of the tests and self-reported emotional problems. 38.2% of those in need of treatment did not seek help. Frequent reasons for not seeking help were, that the people wanted to solve the problem on their own or that the problem did not bother them very much. A lack of trust and understanding regarding the healthcare system and fear of discrimination and stigmatisation were also perceived as additional barriers to care.

Discussion The study revealed a high percentage of mental health needs. This could be due to the high number of traumatic events and post-migration stressors. A longer period of residence in Germany and easier access to the public health system through the health insurance card could have encouraged the health care utilization. The treatment gap was caused by barriers to care such as a lack of knowledge or trust of the German health care system and fear of stigmatisation and discrimination.

Conclusion More information about access to care structures and more low-threshold services need to be implemented. These should be organised on an interdisciplinary basis and focus on culturally and racially sensitive care. Mental health awareness should be strengthened and under no circumstances should the access to care be restricted any further.



Publication History

Received: 29 February 2024

Accepted: 15 April 2024

Article published online:
12 June 2024

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