Pharmacopsychiatry 1968; 1(3): 169-195
DOI: 10.1055/s-0028-1094216
Originalarbeiten

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Späte extrapyramidale Hyperkinesen bei neuroleptischer Langzeittherapie

K. Heinrich, I. Wegener, H.-J. Bender
  • Universitäts-Nervenklinik Mainz
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Publication Date:
20 January 2009 (online)

Zusammenfassung

12,3 % der neuroleptisch behandelten Männer und 20,2 % der neuroleptisch behandelten Frauen in der Landesnervenklinik Alzey wiesen späte extrapyramidale Hyperkinesen auf, die vor allem oral und perioral lokalisiert waren. Mit Ausnahme einer Geschlechtsdisposition waren keine anderen Faktoren als die neuroleptische Therapie als für die Manifestation der Hyperkinesen relevant nachzuweisen. Vor allem eine Altersdisposition konnte nicht festgestellt werden. Die behandelte psychiatrische Grundkrankheit, zerebrale Vorschädigungen, die Krankheitsdauer und in der Vorgeschichte nachgewiesene Insulinkoma- und elektrische Heilkrampfbehandlungen hatten keinen nachweisbaren disponierenden Einfluß auf die Manifestationsrate später extrapyramidaler Hyperkinesen. Bei hyperkinetischen Patienten waren pharmakogene Parkinson-Syndrome besonders häufig. Als ausschlaggebender kausaler Faktor erwies sich das verabreichte neuroleptische Gesamtwirkungsquantum. Die Anwendung bestimmter Neuroleptika konnte nicht mit ausreichender Sicherheit als ursächlich entscheidend für das Auftreten hyperkinetischer Phänomene festgestellt werden. Die Herabsetzung der neuroleptischen Dosis fördert das Auftreten hyperkinetischer Erscheinungen, bei fortgesetzter Verabreichung hoher neuroleptischer Dosen kommt es seltener zur Entwicklung der Bewegungsstörungen. Eine hinsichtlich des Medikamentes oder der Dosis häufig variierte Therapie bringt keine besseren Ergebnisse. Bei 44 von 100 Patienten waren die Hyperkinesen noch 15 Monate nach der Erstuntersuchung nachzuweisen. Bei 100 nicht neuroleptisch behandelten Altersheiminsassen betrug die Häufigkeit extrapyramidaler Hyperkinesen 2 %.

Summary

After long term treatment with neuroleptics 12,3 per cent of the male patients and 20,2 per cent of the female patients suffered from late extrapyramidal hyperkinesia. It was mostly located orally and periorally. Age played no role as a dispositional factor. Cerebral lesions, duration of illness, insulin coma therapy and electric convulsive therapy were of no importance for the manifestation rate of the hyperkinesia, either. Pharmacogenic parkinsonism occured frequently in patients with hyperkinesia. The whole amount of applied neuroleptics proved to be the decisive etiological factor. It could not be found that certain neuroleptics before other drugs of this kind cause late extrapyramidal hyperkinesia. Dose reduction of neuroleptics furthers the manifestation of hyperkinesia, high doses suppress these Symptoms. Frequent Variation of drugs and daily doses has no better results than steady therapy. In 44 of 100 patients the hyperkinesia still existed 15 months after the first study. The manifestation rate of hyperkinesia in inhabitants of an old peoples home who never were treated with neuroleptics, was 2 per cent.