B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2010; 26(1): 16-21
DOI: 10.1055/s-0029-1224757
WISSENSCHAFT

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Bewegung, Spiel und Sport in der Rehabilitation und Reintegration krebskranker Kinder und Jugendlicher: Ein Situationsbericht

Exercise, games and sports in the rehabilitation and re-integration of children and adolescents: A situation reportA. Hofmann1 , M. Tietjens2
  • 1Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
  • 2Institut für Sportwissenschaft, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
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Publication History

2009

2009

Publication Date:
15 February 2010 (online)

Zusammenfassung

In den letzten Jahren sind die Überlebenschancen für krebskranke Kinder und Jugend­liche erheblich gestiegen. Dennoch stellt eine Krebserkrankung ein kritisches Lebens­ereignis dar, das sich entwicklungshemmend auswirken kann. Dies bezieht sich sowohl auf die körperliche Entwicklung und das Körperkonzept als auch auf das Selbstwert­gefühl, die Beziehung zu Gleichaltrigen, die Abgrenzung vom Elternhaus und schließlich auf die Lebensqualität insgesamt. Als gravierendes Problem erweist sich die Wieder­eingliederung in das „gesunde“ Alltagsleben, sowohl im Kindergarten-, Schul- und Ausbildungsalltag als auch im familiären Alltag. Bewegung, Spiel und Sport sind für eine gesunde Entwicklung und gelingende Sozialisation von Kindern und Jugendlichen sehr wichtig. Aufgrund der geringen Anzahl von krebskranken Kindern und Jugendlichen und der Heterogenität der Erkrankungen ist es schwer, feste Sportgruppen in der Nachsorge zu etablieren. Ziel ist es, mit dem Konzept eines „Mobilen Trainers“[1] ein sport- und bewegungspädagogisches Interventionskonzept zu entwickeln, das die Rehabilitation und (Re-)Integration krebskranker Kinder nachhaltig unterstützt. „Mobile Trainer“ sollen ­individuelle bewegungsbezogene Maßnahmen entwickeln und durchführen, die auf die jeweiligen jungen Patienten individuell eingehen und ihre (Wieder-)Eingliederung in den Alltag, in den Schulsport und evtl. später auch Vereinssport unterstützen. Sie haben die Aufgabe, Lehrer, Trainer, Eltern und die erkrankten Kinder selbst auf dem Weg in ein „normales“ Bewegungsleben zu begleiten und zu beraten. 

Abstract

In the recent years the chances of survival for children and adolescents diagnosed with cancer has increased considerably. However, a cancer diagnosis remains a critical event which possibly inhibits development. This applies to physical development and the body concept in the same way as it does to self-confidence, relationship to peers, dissociation of the parental home and finally on the whole quality of life. A vital problem proves to be the reintegration into “healthy” daily life in Kindergarten, school, apprenticeship and the family.
Exercise, games and sports are very important for a healthy development and a successful socialisation of children and adolescents.
It is hard to establish secure sporting groups in aftercare due to the small number of children and adolescents diagnosed with cancer and the heterogeneity of the sicknesses. With the idea of a “mobile coach” it is aimed at developing a sport- and exercise-based pedagogic interventional concept, which sustainably supports the rehabilitation and (re-)integration of children diagnosed with cancer. “Mobile coaches” are supposed to develop and conduct ­individual exercise-applied measures which are responsive to the individual young patients and support the (re-)incorporation into daily life, into school sports and possibly later into club sports. They have the task of assisting and advising teachers, coaches, parents and the sick children on a way to a “normal” life of movement.

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1 Aufgrund der Lesbarkeit wird im Folgenden immer die männliche Form benutzt.

Korrespondenzadressen

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PD Dr. Maike Tietjens

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48149 Münster

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