Pharmacopsychiatry 1981; 14(4): 117-125
DOI: 10.1055/s-2007-1019581
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

The β-Carbolines (Harmanes) - A New Class of Endogenous Compounds:

Their relevance for the pathogenesis and treatment of psychiatric and neurological diseasesDie β-Carboline (Harmane) - Eine neue Gruppe endogener Verbindungen.Ihre Bedeutung für die Pathogenese und Behandlung psychiatrischer und neurologischer ErkrankungenH.  Rommelspacher
  • Department of Neuropsychopharmacology, Free University of Berlin
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Publication Date:
13 March 2008 (online)

Abstract

Research in neurochemistry is occupied with attempting to discover the mechanisms of the transfer of information by neurotransmitters in the central nervous system (CNS). In this context certain derivatives of the biogenic amines have come under increased scrutiny. Especially their relevance for pathological processes plays a major role in this discussion. In principle such derivatives may elicit or exacerbate abnormal reactions. On the other hand they may act as protective substances.
The present review deals mainly with the β-carbolines which are derivatives of indolealkylamines (e.g. serotonin, tryptamine). These substances can be found in several organs of humans and animals. Their possible significance for schizophrenic psychoses, depressive illnesses, behavioural changes following alcohol consumption and withdrawal delirium as well as for Morbus Parkinson is discussed. Furthermore, findings are presented about their interference with the benzodiazepine binding site.
Compared with the phenothiazines the β-carbolines display similar effects with respect to motor activity. They induce hypokinesia and tremor. Like reserpine, they block the transport of biogenic amines into the synaptic vesicles. In experimental clinical studies it was found that β-carbolines induce autistic tendencies. Furthermore, hallucinations, mostly visual ones which are usually not mistaken for reality, euphoric mood changes, and aggressive behaviour are reported.
Compared with the thymoleptics, the β-carbolines act in a similar manner as they react agonistically to serotonin at the synaptic level.
The concentration of certain β-carbolines is increased following ingestion of ethanol. The convulsions in the course of chronic alcoholism and withdrawal may be correlated with a β-carboline (harmane) which lowers the threshold for seizures. In humans a similarity of the effects of β-carbolines to some symptoms of ethanol intoxication and delirium tremens can be demonstrated.
β-carbolines display a high affinity towards the benzodiazepine binding site on neuronal membranes. There is now good evidence for β-carbolines as endogenous ligands at the benzodiazepine binding site. A correlation exists between the convulsive potency of β-carbolines and their affinity to the benzodiazepine binding site. Thus, β-carbolines act in an antagonistic manner to the benzodiazepines.
In conclusion, the β-carbolines can be regarded as a group of compounds with a broad spectrum of activity differing from substance to substance. Their significance for physiological and pathological processes can be elaborated only by investigating the effects of individual compounds. This is of particular importance in the discussion of subtile psychic changes. Using this approach may permit us to answer the question as to whether they play a protective or pathogenic role, or both.

Zusammenfassung

Die neurochemische Forschung bemüht sich intensiv um die Aufklärung der Mechanismen der Informationsübertragung im ZNS durch Neurotransmitter. Dabei rücken Abkömmlinge der biogenen Amine immer mehr in den Vordergrund des Interesses. Speziell interessiert die Frage, welche Rolle ihnen bei pathologischen Prozessen zukommt. Grundsätzlich könnten solche Abkömmlinge abnorme Reaktionen auslösen oder verschlimmern. Andererseits könnten sie als physiologische Stoffe auch eine Schutzwirkung ausüben.
In der vorliegenden Arbeit wird ein Überblick über bisher bekannte, neurochemische, pharmakologische und klinische Effekte von Neurotransmittern und ihren Abkömmlingen gegeben. Ausführlich werden die Wirkungen der ß-Carboline, bei denen es sich um in der Pflanzenwelt weitverbreitete Substanzen (Harmalaalkaloide, Reserpin, Yohimbin) handelt, und die auch in Organen des Menschen und einiger Tiere nachgewiesen wurden, dargestellt. Die letzteren sind Abkömmlinge der Indolalkylamine, zu denen beispielsweise Serotonin und Tryptamin gehören. Insbesondere wird auf ihre mögliche Bedeutung für schizophrene Psychosen, depressive Erkrankungen, Verhaltensänderungen nach Alkoholgenuß und im Alkoholdelir, dem Morbus Parkinson sowie ihre Beziehung zum ,,Benzodiazepinrezeptor" eingegangen. Ihre aus Selbstversuchen bekannten klinischen Wirkungen werden in Beziehung zu Ergebnissen biochemischer und pharmakologischer Untersuchungen gebracht.
Im Vergleich mit den Phenothiazinen zeigen die ß-Carboline eine gleichsinnige Wirkung auf die Motorik in Richtung auf eine Hypokinese und Tremor. Mit Reserpin haben sie gemeinsam, daß sie den Transport von biogenen Aminen in die Vesikel der Synapsen blockieren. Auf der psychopathologischen Ebene kommt es unter β-Carbolinen zu Abschirmungstendenzen, einer Distanzierung vom eigenen Erleben bis hin zur Ich-Spaltung, zu Halluzinationen sowie zu euphorischer Stimmungsveränderung und aggressivem Verhalten. Die β-Carboline zeigen ähnliche Effekte wie die Antidepressiva insofern als sie die Serotoninwirkung im Bereich der Synapse fördern.
β-Carboline treten im Organismus vermehrt nach Äthylalkoholaufnahme auf. Die bei chronischem Alkoholismus und Alkoholentzug auftretenden Krämpfe können in einen Zusammenhang mit einem β-Carbolin (Harman) gebracht werden, das nachgewiesenermaßen die Krampfschwelle senkt. Beim Menschen zeigt sich eine Ähnlichkeit der Wirkung von β-Carbolinen mit einigen Symptomen des Alkoholrausches und des Alkoholdelirs.
β-Carboline haben eine hohe Affinität zur Benzodiazepinbindungsstelle an neuronalen Membranen. Es gibt deutliche Hinweise darauf, daß der endogene Ligand des ,,Benzodiazepinrezeptors" ein β-Carbolin ist. Es besteht eine strukturabhängige Korrelation zwischen der Affinität der β-Carboline zum ,,Benzodiazepinrezeptor" und ihrer konvulsiven Potenz. Die β-Carboline wirken demnach gegensinnig zu den Benzodiazepinen an dieser Bindungsstelle.

Insgesamt stellen die β-Carboline eine Gruppe von Verbindungen mit einem breiten und für die einzelnen Vertreter unterschiedlichen Wirkungsspektrum dar. Ihre Bedeutung für physiologische und pathologische Prozesse kann nur bei differenzierter Beobachtung der einzelnen Substanzen eruiert werden, insbesondere wenn subtilere psychische Veränderungen in Frage stehen. In dieser Richtung dürfte sich auch das Problem lösen lassen, inwieweit ihnen eine kurative und/oder pathogene Rolle zukommt.