Laryngorhinootologie 1998; 77(3): 125-130
DOI: 10.1055/s-2007-996946
Otologie

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Früherkennung hochgradiger kindlicher Hörstörungen *

Ergebnisse einer Reihenuntersuchung bei den Schülern der Rheinischen Schulen für Gehörlose und für Schwerhörige in KölnDiagnostic Delay in Children with Profound Hearing lmpairment in GermanyH. E. Eckel, F. Richling, M. Streppel, M. Damm, H. von Wedel
  • Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde der Universität zu Köln (Direktor: Prof. Dr. med. E. Stennert)
* Auszugsweise vorgetragen vor der 80. Versammlung der Vereinigung südwestdeutscher Hals-Nasen-Ohrenärzte, Freiburg. 20. - 21.9.1996.
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Publication Date:
29 February 2008 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund: Die frühzeitige Erkennung und adäquate Versorgung hochgradiger Hörstörungen ist von herausragender Bedeutung für die sprachliche, kognitive und soziale Entwicklung der betroffenen Kinder. Maßnahmen zur auditiven Rehabilitation sollten möglichst noch in den ersten sechs Lebensmonaten erfolgen. Die vorliegende Untersuchung geht am Beispiel der Schülerinnen und Schüler der Rheinischen Schulen für Gehörlose und für Schwerhörige in Köln der Frage nach, ob ein solcher Stand der Früherkennung heute in Deutschland erreicht ist. Patienten und Methoden: Die pädaudiologischen Befunde von 314 Schülern der Rheinischen Schulen für Schwerhörige und für Gehörlose in Köln wurden bezüglich des Zeitpunkts der audiologischen Diagnose ausgewertet und durch anamnestische Angaben der Familien und eigene Recherchen ergänzt. Ergebnisse: Das durchschnittliche Lebensalter betrug beim Verdacht auf das Vorliegen einer Hörstörung 2,1 Jahre, bei Diagnosestellung 2,6 Jahre (Median: 2,0 Jahre). Unterteilt man die untersuchten Kinder gruppenweise nach dem Geburtsjahr - 1974-1979 (n = 70), 1980-1985 (n = 121) und 1986-1991 (n = 114) - so zeigen sich deutliche Unterschiede bezüglich des Diagnosealters. So war mit Beendigung des 2. Lebensjahres bei 48,6% der Kinder der ersten Gruppe (1974-1979) und 46,3% der Kinder der zweiten Gruppe (1980-1985) die Hörstörung diagnostiziert. Dagegen wurde bei 65,8% der Kinder, die zwischen 1986 und 1991 geboren wurden, der Hörschaden vor dem zweiten Geburtstag festgestellt. Bei Kindern ausländischer Eltern erfolgte die Diagnose häufig deutlich verspätet. Von den 314 Kindern waren 309 mit Hörhilfen versorgt, 304 mit Hörgeräten und 5 mit Cochlear Implants. Eine Verzögerung der prothetischen Versorgung nach Diagnosestellung wurde nicht beobachtet. Schlußfolgerung: Der heutige Stand der Früherkennung hochgradiger kindlicher Hörstörungen ist trotz der ausgereiften, sensitiven und kostengünstigen Möglichkeiten eines effizienten Hörscreenings ungenügend. Entsprechende Reformen in der Früherkennung unter routinemäßiger Einbeziehung automatisierten Verfahren (Ableitung otoakustischer Emissionen und ggf. akustisch evozierter Hirnstammpotentiale) sind längst überfällig, denn eine angeborene oder perinatal erworbene Taubheit oder hochgradige Schwerhörigkeit ist heute kein unabwendbares und medizinisch unbeeinflußbares Schicksal mehr.

Summary

Objective: Early detection and adequate and timely rehabilitation of profound deafness in children is accepted as an important aim of preventive child health care. Ideally, rehabilitation of congenital deafness should not be delayed beyond the age of six months. The present study seeks to determine whether this goal has been achieved in Germany in the 1990s. Patients and methods: The medical charts of 314 profoundly hearing impaired pupils at the schools for the hearing impaired in Cologne, Germany, were reviewed. All available data on the time of first suspicion and the final diagnosis were collected. In addition, the families of these children were interviewed using a standardized questionnaire. Results: The mean age at first suspicion was 2.1 years, the mean age at the time of final diagnosis was 2.6 years (median: 2.0 years). Breaking down the whole cohort into three subgroups according to the year of birth revealed obvious differences between these subgroups. The final diagnosis for those born from 1974 to 1979 (n = 70) was confirmed in 48.6% at the age of two years, in 46.3% for those born from 1980 to 1985 (n = 121), and in 65.8% for those born from 1986 to 1991 (n - 114) at the age of two. The diagnosis was significantly delayed for children of immigrants (n = 96), where the mean age at diagnosis was 3.7 years as opposed to 2.0 years for the native German population. Of the 314 children, 304 where supplied with hearing aids and five with cochlear implants. Once the audiological diagnosis had been established, no further delay in rehabilitation was noticed. Conclusion: Although highly sensitive, cost effective, and non-invasive screening methods (transient evoked oto-acoustic emissions and auditory brainstem response audiometry) for the early detection of profound inborn hearing impairment are now available, the current state of early identification of these disorders is inadequate. The reason for this is the lack of a universal and nationwide neonatal screening program. The results of this study indicate that the pure availability of sophisticated screening methods is insufficient if they are not included in a universal screening program.

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