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DOI: 10.1055/a-2439-2923
Empfehlungen zur Qualifikation Leitender Notärztinnen und Notärzte in Deutschland
Ergebnisse eines nationalen ExpertenworkshopsRecommendation and Update of Qualification of Senior Emergency Medical Service Physicians for the Management of Mass Casualty Incidences in GermanyResults from a National Expert Workshop![](https://www.thieme-connect.de/media/notarzt/202406/lookinside/thumbnails/10-1055-a-2439-2923-1.jpg)
Einleitung[1]
Angesichts häufiger werdender Großschadensfälle wurden vermehrt seit den 1980er-Jahren Initiativen unternommen, nach dem Notarztwesen auch die Funktion eines Leitenden Notarztes (LNA) zu definieren und zu organisieren. Bestärkt durch das Flugzeugunglück auf der US-amerikanischen Air Base in Ramstein mit zahlreichen Toten und hunderten Verletzten hat die Bundesärztekammer 1988 erstmals Empfehlungen zur Fortbildung des LNA veröffentlicht [1]. In der Folge wurden die Ausbildungsinhalte durch die Notarztarbeitsgemeinschaften unter der Leitung der Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands (BAND) e. V. spezifiziert [2]. Zuletzt wurden das Curriculum 2011 aktualisiert [3] und ein Seminar LNA über 40 Unterrichtseinheiten à 45 min sowie ein Aufbauseminar LNA über 8 Unterrichtseinheiten definiert, wobei das Aufbauseminar als Fortbildung für Leitende Notärzte zu verstehen ist.
Seit diesen wesentlichen Schritten zum bundesweiten Aufbau von LNA-Gruppen und der damit verbundenen Strukturierung medizinischer Einsatzleitungen bzw. Einsatzabschnittsleitungen haben sich sowohl die Ausprägungen als auch die rettungsdienstlichen Mittel und Möglichkeiten sowie das einsatztaktische Vorgehen zur Bewältigung größerer Schadensereignisse unterhalb der Katastrophenschwelle verändert. Neben den altbekannten Szenarien treten neue Herausforderungen, wie z. B. Schadensereignisse in hochkomplexer Infrastruktur, sowie der Klimawandel und dessen Folgen auf. Nicht zuletzt durch die vergangenen Großschadensereignisse und die sich ändernden (sicherheitspolitischen) Bedrohungen und Herausforderungen mit teils voneinander abhängigen und sich gegenseitig verstärkenden Krisen ist es daher an der Zeit, sowohl die Herausforderungen, denen LNA bei der Einsatzbewältigung begegnen, als auch die Mittel und Partner in der Einsatzleitung anzupassen. Infolgedessen müssen auch die erforderlichen Ausbildungsinhalte, deren Umfang und geeignete Lehrmethoden sowie die notwendigen Maßnahmen zu Training und Kompetenzerhalt reevaluiert und adaptiert werden.
Mit diesem Ziel hat sich am 6. und 7. März 2024 auf Einladung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e. V. (DGAI), des Instituts für Rettungs- und Notfallmedizin des Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, der Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Notärzte e. V. und des Zentralbereichs Katastrophenschutz der RKH Regionale Kliniken Holding und Services GmbH aus Ludwigsburg eine Expertengruppe im Kieler Institut für Notfall- und Rettungsmedizin getroffen. Dabei wurde festgestellt, dass zunächst die Aufgaben des LNA neu definiert werden müssen. Originär ist der LNA als Funktion des Rettungsdienstes zu begreifen, der abhängig von Anlass, Art und Umfang der Lage unmittelbar an der Einsatzstelle oder in einer abgesetzten Führungseinrichtung in der Führungsstufe C (Führen mit einer Führungsgruppe) oder in der Führungsstufe D (Einsatzleitung mit einem Führungsstab) tätig werden soll.
Überschreitet das Ausmaß der Lage eine gewisse Schwelle, werden notfallmedizinischer Sachverstand und ärztliche Expertise über die erstgenannten Funktionen hinaus auch in Stäben oder überregionalen politischen Leitungsebenen erforderlich sein. Es scheint daher sinnvoll, die Qualifizierung der LNA, über die aktuellen Empfehlungen der Bundesärztekammer hinaus, in einem gestuften Fortbildungskonzept aufzubauen, wobei die Grundqualifizierung auf die rettungsdienstlichen Aufgaben und Funktionen im gesundheitlichen Bevölkerungsschutz fokussiert sein sollte und weiterführende Inhalte in zusätzlichen Modulen abgebildet werden könnten.
Der LNA bringt eine spezifische notfallmedizinische Kompetenz in die Einsatzleitung ein und setzt sie, zusammen mit dem Organisatorischen Leiter Rettungsdienst (OrgL), zur gemeinsamen Bewältigung der Schadenslage ein. Aufgabe von LNA und OrgL ist die Organisation und Führung des medizinischen Einsatzes, um eine schnellstmögliche Lebensrettung, Erstversorgung und Behandlung durch die Bildung von Einsatzschwerpunkten sowie Ordnung von Raum, Zeit und Kräften zu gewährleisten.
Durch die Zuständigkeiten der Bundesländer für den Rettungsdienst und Katastrophenschutz gibt es viele verschiedene Umsetzungen der ärztlichen Rolle im Führungssystem und der Ausbildung der LNA unter der prinzipiell gleichen Zielsetzung der Menschenrettung.
Die Ergebnisse der Beratungen werden im Folgenden detailliert dargestellt, wobei die wesentlichen Ergebnisse der Beratungen das im Folgenden vorgestellte Stufenmodell und die dazugehörigen Rollenprofile sind.
Publication History
Article published online:
20 November 2024
© 2024. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
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