Zahnmedizin up2date 2009; 3(5): 471-486
DOI: 10.1055/s-0029-1186078
Zahnerhaltung

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Amalgam – Zahnmedizin zwischen Toxikologie und Toxikophobie

Stefan Halbach
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Publication Date:
12 October 2009 (online)

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Einleitung

Die Langzeit-Resorption sehr kleiner Quecksilber-(Hg-) Dosen aus Amalgamfüllungen führt zu einem leicht erhöhten Verteilungsgleichgewicht von Quecksilber im Organismus und entsprechend zu geringfügig erhöhten Konzentrationen in Blut und Urin. Viele unabhängige Untersuchungen haben auf Gruppenbasis bestätigt, dass die erhöhten Werte weit unter den regulatorischen Richt- und Grenzwerten, bzw. unter den humantoxikologisch minimal wirksamen Werten liegen. Es hat sich ebenfalls zweifelsfrei bestätigt, dass das Entfernen der Füllungen eine rasche signifikante Abnahme der Hg-Werte in Blut und Urin und damit der inneren Hg-Belastung des Organismus bewirkt. Eine Gabe von Hg-spezifischen Antidoten ist nicht notwendig. Eine Hg-Entlastung durch Amalgamentfernung ist zur Besserung eines hohen psychosomatischen, auf Amalgam bezogenen, Leidensdrucks (sog. Amalgamkrankheit) nicht zwingend nötig, da sich dieser Symptomenkomplex auch bei erhaltenen Füllungen durch psychotherapeutische Maßnahmen bessern lässt.

Eine mögliche negative Wirkung von Amalgam auf die kindliche Gehirnentwicklung, den bisher empfindlichsten Endpunkt der Hg-Toxizität, wurde in 2 umfangreichen epidemiologischen Studien an Schulkindern untersucht. Nach derzeitigem Kenntnisstand gibt es keine toxikologische Indikation zur prophylaktischen Entfernung von funktionstüchtigen Amalgamfüllungen. Der fragwürdige Nutzen einer minimal reduzierten Hg-Belastung des Organismus muss gegen den sicheren Verlust an gesunder Zahnsubstanz abgewogen werden. Allein zahnmedizinische Gründe rechtfertigen diese Maßnahme.

Literatur

Prof. Dr. Stefan Halbach

Institut für Ökologische Chemie
Helmholtz Zentrum München

Ingolstädter Landstr. 1

D-85716 Neuherberg

Email: halbach@helmholtz-muenchen.de