Zeitschrift für Klassische Homöopathie 2009; 53(1): 16-21
DOI: 10.1055/s-0029-1213500
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© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Sieben Kriterien für Verifikationen[1]

Carl Rudolf Klinkenberg
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Publication Date:
19 March 2009 (online)

Zusammenfassung

Durch Verifikationen werden die charakteristischen Symptome und Modalitäten von Arzneien ermittelt. Definition und Bedeutung von Verifikationen werden erläutert. Anhand einer geheilten Perimyokarditis wird der Unterschied von Verifikation und klinischem Symptom dargestellt.

Verifikationen müssen hohe Qualitätsstandards erfüllen; dafür werden hier 7 Basiskriterien dargelegt. Abschließend wird der Begriff „unechtes” klinisches Symptom definiert und erklärt, warum in der Homöopathie nur charakteristische und intensive Symptome verifiziert werden können.

Summary

The characteristic symptoms and modalities of remedies are established through verifications. The meaning and definition of verification is explained. The difference of verification and clinical symptom is demonstrated on the basis of a cured case of perimyocarditis.

Verifications have to yield to high standards of quality. 7 basic criteria are defined, as well as the term “false” clinical symptom. It is stated why in homoeopathy only characteristic and intense symptoms can be verified.

01 Vortrag gehalten auf dem Liga-Kongress Belgien Mai 2008.

Literatur

  • 01 Bönninghausen Cv. Bönninghausens kleine medizinische Schriften (BMS). Hrsg. K.-H. Gypser Heidelberg; Arkana 1984 (11831–1864 vorwieg. Zeitschriftenveröffentlichungen Bönninghausens) 246
  • 02 Bönninghausen Cv. Bönninghausens Therapeutisches Taschenbuch, Revidierte Ausgabe (TBG). Hrsg. K.-H. Gypser. 1. Aufl. Stuttgart; Sonntag 2000
  • 03 Guernsey H N. Cincinnati Medical Advance (CMA). 1889;  22 109
  • 04 Hahnemann S. Die chronischen Krankheiten (CK). Band 1–5 Heidelberg; Haug 1995 (11835–39 Dresden und Leipzig)
  • 05 Hahnemann S. Organon der Heilkunst (ORG). Hrsg. J.M. Schmidt. Standardausgabe der 6. Aufl. Heidelberg; Haug 1992 (11842 Paris)
  • 06 Hahnemann S. Reine Arzneimittellehre (RA). Band 1–6 Heidelberg; Haug 1995 (11825 bis 1833)
  • 07 Hering C. Guiding Symptoms Of Our Materia Medica (GS). Reprint Edition New Dehli; B. Jain 1974 (11881 Philadelphia, U.S.), Vorwort 1. Seite
  • 08 Hering C. Medizinische Schriften (HMS). Hrsg. K.-H. Gypser Göttingen; Burgdorf 1988: 1018
  • 09 Jahr G H G. Therapeutischer Leitfaden für angehende Homöopathen. Nachdruck der Ausgabe von 1869 Hamburg; Verlag für homöopathische Literatur B.v.d. Lieth 2003 (11869 Leipzig) S.V.
  • 10 Kent J T. Kent's Repertorium der homöopathischen Arzneimittel (KD). Hrsg. u. Übers. G.v. Keller u. J. Künzli v. Fimmelsberg. Bd. 1–3. 9. Aufl. Heidelberg; Haug 1986 (11897 Lancaster, U.S.)
  • 11 Rückert T J. : Klinische Erfahrungen in der Homöopathie: eine vollständige Sammlung aller, in der deutschen und ins Deutsche übertragenen homöopathischen Literatur niedergelegten Heilungen und praktischen Bemerkungen. Leipzig; Eduard Haynel 1854 Bd. 1, Vorwort S. XI

Anmerkungen

01 Vortrag gehalten auf dem Liga-Kongress Belgien Mai 2008.

02 In der Homöopathie wird die Arznei nachvollziehbar aufgrund ihrer charakteristischen Symptome (Organon §§ 104,153) ausgewählt:
„Sieht der Arzt deutlich ein, was an Krankheiten […] zu heilen ist […], sieht er deutlich ein, was an den Arzneien […] das Heilende ist […], und weiß er nach deutlichen Gründen das Heilende der Arzneien dem was er an dem Kranken unbezweifelt Krankhaftes erkannt hat, so anzupassen, daß Genesung erfolgen muß […] so versteht er zweckmäßig und gründlich zu handeln und ist ein ächter Heilkünstler.” (Hahnemann, Organon § 3)

03 Am sichersten sind klinische Symptome, wenn die Symptommenge der charakteristischen Symptome im betreffenden Krankheitsfall gering war – wenn der Patient beispielsweise nur drei statt zwölf charakteristische Symptome aufwies, auf die das Mittel passte und die unter seiner Einwirkung verschwanden.

04 Intensive Symptome können auch uncharakteristisch sein, z. B. eine starke Abmagerung, Schwäche, Schwindel, Blässe oder Atemnot ohne nähere Bestimmung (Organon § 153).
Charakteristische Symptome wiederum müssen nicht immer starke, intensive Symptome sein. Nicht selten individualisieren kleinere Symptome die Arznei (vgl. Organon § 95).
Die Intensität eines Symptoms wird entweder durch den Patientenbericht oder durch den objektiven Befund festgestellt. Auch der Krankheitswert des Symptoms für den Patienten ist ein Maßstab für Intensität. Angenommen, ein Patient hat eine ausgeprägte Schwäche und außerdem zwei charakteristische Gemütssymptome. Nach den Kriterien der Charakteristik im § 153 Organon handelt es sich bei der Schwäche um ein nicht näher bestimmtes, uncharakteristisches Symptom. Treffe ich nun mithilfe der charakteristischen Gemütssymptome eine Arzneiwahl, wonach alle Symptome verschwinden, dann wird hiermit auch die uncharakteristische, aber intensive Schwäche verifiziert.

05 Vgl. Hahnemann, RA II S. 3 [6]:
„[…] Deutlich erkennbar muß das unsern Sinnen offen da liegen, was an jeder Krankheit hinwegzunehmen sey, um sie in Gesundheit zu verwandeln, und deutlich wahrnehmbar muß jede Arznei aussprechen, was sie zuverlässig heilen könne, ehe sie gegen Krankheit angewendet werde […]”.

06 Das gilt für Prüfungssymptome genauso wie für neue klinische Symptome.
In dieser Weise wurden auch die Kasuistiken in der ersten bedeutenden deutschen Fallsammlung von T.J. Rückert bearbeitet, er schreibt [11]:
„Es werden da alle Fälle von Heilungen, in denen ein oder zwei Mittel entschieden heilend einwirkten, im Auszug hingestellt […] mit Anführung aller wesentlichen Symptome, in möglichst treuen, lebendigen Bildern […].”
G.H.G. Jahr schreibt über seine Arbeit an den „Klinischen Anweisungen”: [9] „[…] daß ich […] sämmtliche geheilte Zeichen […] prüfte […] und davon nur diejenigen aufnahm, die mir meine praktische und theoretische Kenntnis der Mittel als wahrhaft anzeigend herausstellte.”

07 Bönninghausen, der sein Leben lang an der Herausarbeitung der Arzneicharakteristik auch durch klinische Erfahrungen arbeitete, schreibt [1]: „[…] Die mitzutheilenden Fälle müssen derartig sein, daß sich in Bezug auf die Charakteristik der heilsamen Arznei etwas daraus lernen läßt […] Am lehrreichsten aber sind unstreitig diejenigen Fälle, wo die Wahl schwierig war […] Wenn hier […] die Charakteristik der Krankheit gehörig aufgezeichnet, und die Wahl der Mittel entweder von wenig[en] deutlichen Symptomen oder von dem zweifelhaften Vorrang des einen Umstandes vor dem anderen abhängig war, so verdient schon eine dabei gemachte Erfahrung für die spätere Bestätigung oder Berichtigung aufbewahrt zu werden, mehrere derselben aber geben Aufklärungen über den wahren Genius der Mittel, welches bloßes theoretisches Studieren und Raisoniren niemals geben können.”

Dr. med. Carl Rudolf Klinkenberg

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