Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0029-1246091
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Ist die deutsche Sprache ein physioscience-Dilemma?
Publication History
Publication Date:
23 February 2011 (online)
Im 1. Editorial 2005, das vom Herausgeberteam gemeinschaftlich für die Erstausgabe der physioscience verfasst wurde, lautete ein Statement von Kirstin-Friederike Heise: „Es wäre schön, wenn dieser Wachstumsprozess [der Wissenschaft in der Physiotherapie] in der physioscience abgebildet würde.”
Dass die Wissenschaft in der Physiotherapie auch im deutschsprachigen Raum wächst, zeigt allein schon das Interesse an den Master-Studiengängen, und auch mein E-Mail-Briefkasten empfängt häufig Anfragen von Physiotherapeuten, die gerne in Deutschland wissenschaftlich arbeiten möchten. Es gibt sie also tatsächlich, die forschenden Physiotherapeuten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Aber bildet die physioscience die Entwicklung in der physiotherapeutischen Wissenschaft wahrheitsgetreu ab? Zum Teil sicherlich, denn die eingereichten Manuskripte zeigen, dass die Qualität von Abschlussarbeiten im deutschsprachigen Raum stetig steigt und eine Vielzahl von Themen von Physiotherapeuten bereits wissenschaftlich bearbeitet werden.
Die physioscience erhält jedoch nur einen kleinen Teil der Forschungsberichte der in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführten Studien. Das liegt daran, dass viele Forschungsergebnisse von deutschen Wissenschaftlern in englischer Sprache veröffentlicht werden. Dafür gibt es gute Gründe: Englisch ist die Sprache der Wissenschaft, viele englische Journals haben einen Impact Factor, der in wissenschaftlichen Instituten die über Gelder etc. bestimmende Währung ist, und natürlich möchten die meisten Autoren, dass ihre Ergebnisse auf der ganzen Welt gelesen bzw. zitiert werden können. So ist und bleibt es schwierig, gute Originalarbeiten deutschsprachig zugänglich zu machen, und die sich langsam aufbauende physiotherapeutische Wissenschaft kann in der physioscience nur zum Teil dargestellt werden. Viele deutschsprachige Leser bleiben „auf der Strecke”, d. h. für eine große Zahl von Physiotherapeuten ohne Zugang zu englischsprachiger Literatur bleiben aktuelle Forschungsergebnisse nicht lesbar.
Zweitveröffentlichungen auf Deutsch scheitern an urheberrechtlichen Bestimmungen; zumindest aktuelle englischsprachige Publikationen können nicht einfach übersetzt und in der physioscience veröffentlicht werden. Völlig legal und von Urheberrechten unberührt, ist jedoch eine Rubrik, die zwar nicht unmittelbar Daten präsentiert, jedoch dazu beitragen kann, ein genaueres Abbild der in Deutschland, Österreich und der Schweiz stattfindenden Forschungsarbeit zu bieten: Unter gelesen und kommentiert werden lesenswerte Arbeiten zusammengefasst und bewertet. Diese Rubrik könnte auch für „Gutes aus der Heimat” ein Podium sein. 2 Beispiele dafür erscheinen in dieser Ausgabe: (1) zu einer besonders lesenswerten Übersichtsarbeit über physiotherapeutische Übungen und Manuelle Therapie bei Schulterschmerzen aus dem Journal Physical Therapy Reviews sowie (2) zu einer Cross-over-Studie über sensorisches Diskriminationstraining aus Pain.
Ich möchte hiermit Leser, die von einer im deutschsprachigen Raum erstellten Arbeit wissen, ermutigen, selbst einen Beitrag für diese Rubrik zu schreiben oder zumindest auf entsprechende lesenswerte Artikel hinzuweisen. Gelesen-und-kommentiert-Beiträge zu erstellen schult das kritische Lesen von Artikeln, und diese kurzen Beiträge sind immer willkommen. Ich hoffe, diese Idee stößt auf Zuspruch, denn als deutschsprachiges Forum für wissenschaftlich interessierte Physiotherapeuten und insbesondere für solche, die lieber deutsche als englische Literatur lesen, ist die physioscience eine wichtige Informationsquelle. Es wäre schön, wenn sie in Zukunft genauer abbilden könnte, wie positiv sich die Forschungswelt in der Heimat entwickelt!
Kerstin Lüdtke
Rückenzentrum am Michel Prävention GmbH
Ludwig-Erhard-Str. 18
20459 Hamburg
Email: kerstin_luedtke@hotmail.com