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DOI: 10.1055/s-0031-1281787
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Empfehlungen zur Antibiotikaprophylaxe bei gastrointestinalen Endoskopien
Recommendations for Antibiotic Prophylaxis in Gastrointestinal EndoscopyPublication History
Publication Date:
08 November 2011 (online)
Weltweit nehmen Infektionen durch multiresistente Erreger aus dem Spektrum grampositiver und vermehrt gramnegativer Keime zu. Gleichzeitig stagniert die Entwicklung neuer antibiotischer Substanzen. Darüber hinaus steigt die Rate an Infektionen mit Clostridium difficile sowie an Infektionen mit vermehrten Resistenzentwicklungen und verminderten therapeutischen Möglichkeiten [1]. Diese Entwicklungen erfordern einen rationellen Einsatz von Antibiotika und mehr Präventionsmaßnahmen in endoskopischen Abteilungen.
Die Empfehlungen zur Antibiotikaprophylaxe bei gastroenterologischen Endoskopien der Sektion Endoskopie der DGVS berücksichtigen diese aktuellen Entwicklungen ([Tab. 1]).
Tab. 1 Empfehlungen zur Antibiotikaprophylaxe in der gastrointestinalen Endoskopie (tabellarische Zusammenfassung). Patient geplante Prozedur Ziel der Prophylaxe periinterventionelle Prophylaxe künstliche Herzklappe/künstliches Material zur Reparatur einer Herzklappe; Koronarstents, synthetischer Gefäßersatz; Schrittmacher/Defibrillatoren, V. cava Filter, Z. n. infektiöser Endokarditis; angeborene Herzfehler (mit und ohne chirurgischer Rekonstruktion) jede gastrointestinale Endoskopie Prävention einer infektiösen Endokarditis nicht empfohlen optional in Absprache mit Patienten orthopädische Prothesenvaskuläre ZNS-Shunts jede gastrointestinale Endoskopie Prävention Protheseninfektion nicht empfohlen Gallenwegsobstruktion/Stent-Wechsel Gallenwege ohne Cholangitis ERCP mit vollständiger Drainage Prävention Cholangitis nicht empfohlen Gallenwegsobstruktion/Stent-Wechsel Gallenwege ohne Cholangitis ERCP mit unvollständiger Drainage Prävention Cholangitis Einzeldosisprophylaxe empfohlen Ciprofloxacin 750 mg p. o. 60 – 90 min vor der Prozedur (nicht bei Kindern) ODER Gentamycin 1,5 mg/kg i. v. über 2 – 3 min mit Fortsetzung der Antibiose bis zur vollständigen Drainage mehrfach ERCP mit Z. n. EPT/Stent ERCP/Stentwechsel Prävention Cholangitis Einzelfallentscheidung zur Einzeldosisprophylaxe Antibiotikawechsel zur Resistenzvermeidung beachten Cholangitis/Sepsis mit andernorts lokalisiertem Fokus ERCP Prävention Bakteriämie antibiogrammgerechte Therapie, eine ergänzende Einzeldosisprophylaxe vor ERCP wird nicht empfohlen mit Pankreasgang kommunizierende Pankreaszysten oder -pseudozysten ERCP Prävention Pseudo-/Zysteninfektion Einzeldosisprophylaxe empfohlen Ciprofloxacin 750 mg p. o. 60 – 90 min vor ERCP (nicht bei Kindern) ODER Gentamycin 1,5 mg/kg i. v. über 2 – 3 min Aspiration von pankreatischer Flüssigkeit (Pseudozyste, Nekrose) mit Pankreasgangkommunikation ERCP Prävention Pseudo-/Zysteninfektion Einzeldosisprophylaxe empfohlen biliäre Komplikationen nach Lebertransplantation ERCP Prävention Cholangitis Einzeldosisprophylaxe empfohlen Ciprofloxacin 750 mg p. o. 60 – 90 min vor ERCP (nicht bei Kindern) PLUS Amoxicillin 1 g i. v. Einzeldosis ODER Vancomycin 20 mg/kg i. v. über 1h Aspiration von sterilem Pankreassekret transmurale Drainage Prävention Pseudo-/Zysteninfektion Einzeldosisprophylaxe empfohlen Co-Amoxiclav 1,2 g i. v. Einzeldosis ODER Ciprofloxacin 750 mg p. o. Einzeldosis solide Läsionen im oberen GI Trakt EUS-FNA Prävention lokaler Infektion nicht empfohlen solide Läsionen im unteren GI Trakt EUS-FNA Prävention lokaler Infektion unzureichende Datenlage für eine Empfehlung zystische Läsionen GI Trakt/Mediastinum EUS-FNA Prävention Zysteninfektion Einzeldosisprophylaxe empfohlen Co-Amoxiclav (1,2 g i. v. Einzeldosis) ODER Ciprofloxacin (750 mg p. o. Einzeldosis)(unzureichenden Datenlage für eine verlängerte Applikation über 3 – 5 Tage) alle Patienten PEG/PEJ Prävention peristomaler Infektionen und mögliche Prävention von Aspirationspneumonie Einzeldosisprophylaxe empfohlen Cefazolin 1 g i. v. 30 min vor ProzedurODER Co-Amoxiclav (1,2 g i. v. Einzeldosis direkt vor Prozedur)ODER Cefuroxim (750 mg i. v. direkt vor Prozedur) Patienten, die bereits eine Breitsprekrumantibiose erhalten, benötigen keine zusätzliche Prophylaxe MRSA pos.: zunächst lokale Dekontamination (Nase/Rachen) alle Patienten Gastropexie-PEG Prävention peristomaler Infektionen nicht empfohlen Leberzirrhose mit akuter gastrointestinaler Blutung alle Patienten unabhängig von gastrointestinaler Endoskopie Prävention infektiöser Komplikationen und Senkung der Mortalität Bereits bei stationärer Aufnahme einzuleiten: Ceftriaxon i.v ODER Norfloxacin p. o. ODER Piperacillin/Tazobactam (4,5 g i. v. 3 × /d) ODER Cefotaxim 2 g (3 ×/d) immunsupprimierte Patienten (Neutropenie/Hämatoonkologische Erkrankungen) Risiko-Prozeduren (ERCP mit Gallenwegsobstruktion, Dilatationen, Sklerosierungen) Prävention Bakteriämie Einzeldosisprophylaxe empfehlenswert In Absprache mit Hämatologen oder Mikrobiologen alle Patienten NOTES Prävention intraperitonealer Infektion unzureichende Datenlage für eine Empfehlung alle Patienten Photodynamische Therapie Prävention Cholangitis/Leberabszess Einzeldosisprophylaxe empfohlen
Translokationen endogener Bakterienflora während einer gastrointestinalen Endoskopie sind keine seltenen Ereignisse. Sie bergen das Risiko einer potenziell bedrohlichen lokalen oder über die Blutbahn verbreiteten Infektion wie Endokarditis, Meningitis, Hirnabszess oder bakterielle Peritonitis (bei Patienten mit Leberzirrhose oder Peritonealdialyse). Die höchste Rate an Bakteriämien nach endoskopischen Eingriffen wurden nach Ösophagusdilatationen (12 – 22 %) [2] [3] [4], insbesondere maligner Stenosen, Sklerosierung von Varizen (0 – 52 %) [5] [6] [7] [8], Varizenligatur (1 – 25 %) [9] [10] [11] [12] [13] und ERCP bei Gallengangsobstruktionen (18 %) [14] beobachtet. Endoskopische Eingriffe mit nur geringen Bakteriämieraten sind Gastroskopien mit/ohne Biopsien (0 – 8 %) [15] [16] [17] [18] [19] [20] [21] [22], Koloskopien (0 – 25 %) [14] und Sigmoidoskopien (0 – 1 %) [23] [24]. Ähnlich niedrige Bakteriämieraten finden sich nach Endsonografien mit und ohne Feinnadelaspirationen [25] [26] [27].
Diese Bakteriämieraten müssen allerdings bewertet werden vor dem Hintergrund einer vergleichsweise höheren Frequenz transienter Bakteriämien bei täglichen Aktivitäten wie Zähneputzen (20 – 68 %) oder Kauen (7 – 51 %) [28] [29], die zudem aufgrund der Häufigkeit der Verrichtung zu bedeutend längeren Expositionszeiten führen. Es verwundert daher nicht, dass endoskopisch bedingten Bakteriämien in den meisten Fällen weder klinische Symptome noch infektiöse Komplikationen folgen.