Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0032-1312781
Augenärzte im Umfeld Adolf Hitlers
Ophthalmologists in the Proximity of Adolf HitlerPublication History
19 March 2012
18 April 2012
Publication Date:
04 June 2012 (online)
Zusammenfassung
Fünf Augenärzte waren Adolf Hitler persönlich oder – mit hoher Wahrscheinlichkeit – zumindest namentlich bekannt. Der Berliner Ordinarius Walther Löhlein untersuchte die Augen Hitlers mindestens zweimal, wahrscheinlich häufiger. Dem Lehrstuhlinhaber in Breslau, Walter Dieter, gelang es mit Protektion höchster NS-Kreise und wahrscheinlich von Hitler selbst, die Idee einer „Luftschutzbrille“ innerhalb einer kurzen Zeit bis zu einer millionenfachen Serienproduktion voranzutreiben. Heinrich Wilhelm Kranz, Rektor der Universitäten in Gießen und Frankfurt/Main, stieg im „Dritten Reich“ zu einem der führenden Rassenhygieniker auf. Werner Zabel erstellte in Berchtesgaden Diätpläne für Hitler und versuchte, sich in dessen medizinische Behandlung einzumischen. Hellmuth Unger schließlich war während der NS-Zeit einflussreicher Vertreter der ärztlichen Presse und bekannter Schriftsteller. Drei seiner Werke mit medizinischem Inhalt wurden verfilmt und dürften dem Reichskanzler zur Kenntnis gelangt sein. Damit hatte Adolf Hitler in gewisser Weise ein kleines „ophthalmologisches Umfeld“, welches aber weder für ihn selbst noch für den NS-Staat von entscheidender Bedeutung war.
Abstract
Adolf Hitler met or at least knew about 5 ophthalmologists. The chair of ophthalmology in Berlin, Walther Löhlein, personally examined Hitler’s eyes at least two times. The chair of ophthalmology in Breslau, Walter Dieter, developed „air raid protection spectacles“ with the aid of high representatives of the NS-system and probably Adolf Hitler himself. Heinrich Wilhelm Kranz became rector of the universities of Giessen and Frankfurt/Main. He was known as a very strict advocate of the NS-race hygiene. Werner Zabel made plans for Hitler’s diet and tried to interfere with Hitler’s medical treatment. Finally, Hellmuth Unger was an influential representative of the medical press and a famous writer. Three of his novels with medical topics were made into a film which Hitler probably saw. Hitler had, so to say, a small „ophthalmological proximity” which, however, did not play a significant role for himself or the NS-state.
-
Literatur
- 1 Rohrbach JM. Deutsche Augenärzteschaft und NSDAP. Sudhoffs Archiv 2008; 92: 1-19
- 2 Rohrbach JM. Augenheilkunde im Nationalsozialismus. Stuttgart: Schattauer; 2007
- 3 Richter G. Blindheit und Eugenik. Eugenische Forderungen und nationalsozialistische Rassenpolitik in der Praxis und die Haltung der Blindenorganisationen in der Öffentlichkeit (1918–1945). Augenarzt 1991; 25: 27-35
- 4 Mitscherlich A, Mielke F. Medizin ohne Menschlichkeit. Dokumente des Nürnberger Ärzteprozesses. 15. Aufl. Frankfurt/Main: S. Fischer; 2001
- 5 Rohrbach JM, Süsskind D, Hennighausen U. Jüdische Augenärzte im Nationalsozialismus – eine Gedenkliste. Klin Monatsbl Augenheilkd 2011; 228: 70-83
- 6 Notiz zur Ernennung Heinrich Görings zum Honorarprofessor. Klin Monatsbl Augenheilkd 1936; 96: 824
- 7 Lüdtke E, Richter F. Kürschners Deutscher Gelehrtenkalender, sechste Ausgabe. Berlin: Walter de Gruyter & Co; 1941
- 8 Harms H. Zum 100. Geburtstag von Walther Löhlein. Klin Monatsbl Augenheilkd 1983; 182: 585-590
- 9 Küchle HJ. Augenkliniken deutschsprachiger Hochschulen und ihre Lehrstuhlinhaber im 19. und 20. Jahrhundert. Köln: Biermann; 2005
- 10 Rohrbach JM. Die DOG im „Dritten Reich“ (1933–1945). In: Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (Hrsg) Visus und Visionen (Festschrift). Köln: Biermann; 2007: 33-62
- 11 Rohrbach JM. Die Augen Adolf Hitlers. Klin Monatsbl Augenheilkd 2011; 228: 644-650
- 12 Schenck EG. Patient Hitler. Düsseldorf: Droste; 1989
- 13 Rohrbach JM. Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) im Nationalsozialismus. Klin Monatsbl Augenheilkd 2006; 223: 869-876
- 14 Löhlein W. Das Glaukom. In: Löhlein W, Wegner W. Zeitfragen der Augenheilkunde. Stuttgart: Ferdinand Enke; 1938: 85-112
- 15 Löhlein W. Eine erfolgreiche Methode der Hornhauttransplantation. Arch Augenheilkd (Knapp-Schweigger-Hess) 1910; 67: 398-426
- 16 Löhlein W. Technische Bemerkungen zu meinem Verfahren der Hornhautüberpflanzung. Klin Monatsbl Augenheilkd 1910; 47: 435-444
- 17 Löhlein W. Erfahrungen auf dem Gebiete der Hornhautüberpflanzung. Rückblick auf etwa 300 eigene Keratoplastiken. Graefes Arch Ophthalmol 1950; 151: 1-45
- 18 Rohrbach JM. Bombenkrieg, Augenverletzungen und die Luftschutzbrille nach Walter Dieter. Klin Monatsbl Augenheilkd 2008; 225: 896-901
- 19 Roelcke V. Gerhard Pfahler und Heinrich Wilhelm Kranz. Zwei Rektoren im Nationalsozialismus. In: Carl H, Felschow EM, Reulecke J, et al. (Hrsg) Panorama 400 Jahre Universität Gießen. Akteure – Schauplätze – Erinnerungskultur. Frankfurt/Main: Societätsverlag; 2007: 125-130
- 20 http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Wilhelm_Kranz
- 21 Kranz HW. Über eine seltene angeborene Mißbildung der Haut mit doppelseitigem symmetrischen Lipodermoid der Conjunctiva bulbi. Graefes Arch Ophthalmol 1927; 118: 167-174
- 22 Oehler-Klein S. Das Institut für Erb- und Rassenpflege der Universität Gießen: Aufbau des Instituts und Eingliederung in die Universität. In: Gießener Universitätsblätter, Jahrgang 38. Gießen: Brühlsche Universitätsdruckerei; 2005
- 23 Weingart P, Kroll J, Bayertz K. Rasse, Blut und Gene. Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland. Taschenbuch. 1. Aufl. Frankfurt/Main: Suhrkamp; 1992
- 24 Kuhn P, Kranz W. Von deutschen Ahnen für deutsche Enkel. München: JF Lehmanns; 1933
- 25 Kiessling CS. Dr. med. Hellmuth Unger (1891–1953). Dichterarzt und ärztlicher Pressepolitiker in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus. Husum: Matthiesen; 1999
- 26 Unger H. Wie ich Arzt und Dichter wurde …. Deutsche Medizinische Wochenschr 1930; 56: 1013-1014
- 27 Unger H. Der Augenspiegel. In: Wunder und Geheimnis. München: JF Lehmanns; 1935: 86-96
- 28 Unger H. Ein Beitrag zur Aetiologie und Symptomatologie der Tabes infantilis. Klin Monatsbl Augenheilkd 1918; 60: 802-814
- 29 Hoffmann H. In memoriam Hellmuth Unger. Berliner Ärztebl 1953; 66: 291
- 30 http://de.wikipedia.org/wiki/Hellmuth_Unger
- 31 Benzenhöfer U. Der Fall Leipzig (alias Fall „Kind Knauer“) und die Planung der NS-„Kindereuthanasie“. Münster: Klemm & Oelschläger; 2008: 69
- 32 http://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Koch,_der_Bekämpfer_des_Todes
- 33 http://de.wikipedia.org/wiki/Germanin_-_Die_Geschichte_einer_kolonialen_Tat
- 34 Unger H. Sendung und Gewissen. 1. Aufl. Berlin: Brunnen Verlag; 1936. 2. Auflage Oldenburg: Stalling 1941
- 35 http://de.wikipedia.org/wiki/Ich_klage_an_(1941)
- 36 Bundesarchiv Berlin, NS 18/348.
- 37 Unger H. Heimkehr nach Insulinde. Neuauflage. Berlin: Die Buchgemeinde; 1934
- 38 Kranz HW. Soldatentum auf rassischer Grundlage. Neues Volk 1941; 9 (07) 1-2
- 39 Rohrbach JM. Das Ende der „demokratischen Augenheilkunde“ (1928–1933). Klin Monatsbl Augenheilkd 2012;