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DOI: 10.1055/s-0032-1322053
Ambulant oder stationär? – Erwartungen, Motivationen und subjektive Beweggründe für die Wahl des Rehabilitationssettings
Hintergrund: Bandscheibenbedingte Erkrankungen sind weit verbreitet und häufig Ursache für akute aber auch chronische Rückenschmerzen in der Allgemeinbevölkerung. Jeder zehnte Patient in der Allgemeinarztpraxis sowie jeder zweite Patient in der Facharztpraxis (Orthopädie/Unfallchirurgie) sucht aufgrund von bandscheibenbedingten Erkrankungen Hilfe (Theodoridis et al., 2006). Nach einer operativen Behandlung eines Bandscheibenvorfalls erfolgt in Deutschland die Weichenstellung für die Anschlussheilbehandlung (AHB) durch die operierende Klinik (Woischneck et al., 2000). Es existieren dabei keine wissenschaftlich begründeten Empfehlungen für die Wahl eines ambulanten oder stationären Rehabilitationssettings für den Patienten oder den beratenden Arzt. Präsentiert werden Ergebnisse einer von der Deutschen Rentenversicherung Bund geförderten Längsschnittuntersuchung zu subjektiven Beweggründen für die Wahl eines bestimmten Rehabilitationssettings sowie zu Rehabilitationserwartungen und -motivationen in der Mitteldeutschen Bandscheibenkohorte.
Methoden: 534 konsekutive Patienten wurden im Akutkrankenhaus ca. 3,6 Tage (Mittelwert) nach der Bandscheibenoperation in Form von Face-to-Face Interviews befragt. Eine telefonische Follow-up-Befragung fand drei Monate später mit 486 Patienten statt (Dropout-Rate: 9%). Rehabilitationserwartungen und -motivationen wurden mithilfe des FREM-17 (Deck et al., 1998) und des PAREMO-20 (Nübling et al., 2006) erhoben. Die subjektiven Beweggründe für die Wahl eines bestimmten Rehabilitationssettings (ambulant vs. stationär) wurden qualitativ erhoben und später induktiv kategorisiert.
Ergebnisse: Stationäre AHB-Patienten zeigen signifikant höhere rehabilitationsbezogene Erwartungen an die Bereiche Erholung und Wohlbefinden, Gesundheitsverbesserung, Krankheitsbewältigung sowie die Klärung von Arbeits-, Umschulungs- und Rentenbeantragungsfragen. In einer binär logistischen Regressionsanalyse zeigte sich zudem, dass eine höhere Erwartung an den Bereich Erholung und Wohlbefinden einen signifikanten Prädiktor für die Inanspruchnahme einer stationären Reha-Maßnahme darstellte (OR=1,32p<,001). Zudem zeigte sich eine signifikant höhere Behandlungsmotivation in den Bereichen Seelischer Leidensdruck sowie Körperliche Einschränkungen bei stationären AHB-Patienten. Die qualitativ genannten, subjektiven Beweggründe für die Präferenz eines bestimmten Reha-Settings (ambulant vs. stationär) wurden induktiv in 16 Kategorien zusammengefasst. Die drei am häufigsten genannten Beweggründe für die Präferenz eines stationären Reha-Settings waren „weniger Aufwand/Stress“ (40,8%), „Entspannung/Erholung“ (37,6%) sowie eine höhere „Intensität der Betreuung/Behandlung“ (36,0%). Die drei am häufigsten genannten Beweggründe für die Präferenz eines ambulanten Reha-Settings waren „Familiäre Gründe“ (45,1%), es zu bevorzugen in der „Gewohnten Umgebung“ zu sein (35,9%) sowie die gute „Lage/Erreichbarkeit der Rehaklinik“ (16,3%).
Schlussfolgerungen: An der Schnittstelle zwischen der operativen Behandlung eines Bandscheibenvorfalles in der Akutklinik und der Anschlussheilbehandlung in der Rehabilitationsklinik steht die Entscheidung des Patienten für ein ambulantes oder stationäres Reha-Setting. Bisher ist wenig bekannt über die Mechanismen einer solchen Entscheidungsfindung bei bandscheibenoperierten Patienten. Die präsentierten Studienergebnisse verweisen auf starke Unterschiede in den rehabilitationsbezogenen Erwartungen und Motivationen bei ambulanten und stationären Rehabilitanden sowie in den subjektiven Beweggründen für die Präferenz eines bestimmten Reha-Settings. Ein stärkeres Augenmerk auf die subjektiven Rehabilitationserwartungen und -motivationen bandscheibenoperierter Patienten bereits in der operierenden Klinik und eine damit einhergehende passgenauere Empfehlung für ein spezifisches Reha-Setting könnte den Rehabilitationserfolg sowie die berufliche Wiedereingliederung nachhaltig verbessern helfen.
Literatur:
Deck R, Zimmermann M, Kohlmann T, Raspe H (1998) Rehabilitationsbezogene Erwartungen und Motivation bei Patienten mit unspezifischen Rückenschmerzen Entwicklung eines standardisierten Fragebogens. Rehabilitation 37: 140–146.
Nübling R, Kriz D, Herwig J, Wirtz M, Fuchs S, Hafen K, Töns N, Bengel J (2006) Patientenfragebogen zur Erfassung der Reha-Motivation (PAREMO-20). Kurzmanual.
Theodoridis T, Krämer J, Wiese M (2006) Bandscheibenbedingte Erkrankungen. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1: 495–520.
Woischneck D, Hussein S, Rückert N, Heissler HE (2000) Einleitung der Rehabilitation nach lumbaler Bandscheibenoperation: Pilotstudie zur Entscheidungsfindung aus Sicht der operierenden Klinik. Rehabilitation 39: 88–92.