Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0032-1322104
Was trägt zu einer erfolgreichen Rehabilitation bei? – Eine interdisziplinäre, qualitative Bestandsaufnahme
Einleitung/Hintergrund: Die medizinische Rehabilitation in Deutschland ist gekennzeichnet durch ein intensives, zeitlich umschriebenes, interdisziplinäres Angebot in Rehabilitationseinrichtungen. Eine Analyse der Rehabilitationsergebnisse zeigt ausgeprägte Unterschiede im Ausmaß des Rehabilitationserfolgs zwischen den Rehabilitationseinrichtungen, für die es bisher keine hinreichenden Erklärungen gibt (Meyer 2010). Mit dem von der Deutschen Rentenversicherung Bund geförderten Projekt „MeeR“ (Merkmale einer erfolgreichen Rehabilitationseinrichtung) wird der Aspekt des differenten Rehabilitationserfolgs aufgegriffen und untersucht, anhand welcher Merkmale sich erfolgreiche von weniger erfolgreichen Rehabilitationseinrichtungen unterscheiden. Dem Projekt „MeeR“ zugehörig ist eine im Herbst 2011 durchgeführte, interdisziplinäre, schriftliche Befragung von Experten und Expertinnen, die in Rehabilitationseinrichtungen tätig sind. Die Teilstudie geht mit dem Ziel einher, interdisziplinär gefächerte Erfahrungen, Vorstellungen und Haltungen zu der Frage, was aus Perspektive der Einrichtungen zu einer erfolgreichen Rehabilitation beiträgt, zu explorieren.
Daten/Methoden: Die schriftliche Befragung umfasst den postalischen Versand von 800 Fragebögen mit offenem Antwortformat an 80 kardiologische und 80 orthopädische Rehabilitationseinrichtungen in Deutschland. Die Auswahl der angeschriebenen Einrichtungen erfolgte durch die Deutsche Rentenversicherung Bund. Jeder Klinik sind fünf identische Fragebögen zugeschickt worden verbunden mit der Bitte um Ausfüllen der Bögen durch Akteure/Akteurinnen unterschiedlicher Berufsgruppen und Aufgabenbereiche (Medizin, Psychologie, Pflege, Bewegungs- und Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Qualitätsmanagement, sozialer und pädagogischer Dienst). Beschäftigte aus 36 kardiologischen (45%) und 43 orthopädischen Einrichtungen (54%) haben sich mit insgesamt 134 bzw. 136 Fragebögen an der Befragung beteiligt. Grundlage des zusammenfassend inhaltsanalytischen Vorgehens nach Mayring (2010) sind somit 270 Fragebögen (34%).
Ergebnisse: Die Ergebnisse der Befragung stellen eine aktuelle, qualitativ erhobene, interdisziplinäre Bestandsaufnahme zu Erfahrungen, Vorstellungen und Haltungen hinsichtlich einer erfolgreichen Rehabilitation aus Einrichtungsperspektive dar. Die Befragten haben folgende Themenfelder benannt: Informationsfluss vor der Rehabilitation, Rahmenbedingungen der Einrichtung im Zusammenhang mit der behandlungsbezogenen Versorgung (z.B. personelle Ressourcen) wie auch der nicht behandlungsbezogenen Versorgung (z.B. Klinikatmosphäre), Diagnostik, Therapieziele, Behandlungsgestaltung, Empathie, Motivation, interdisziplinäre Kommunikation und Kooperation, Kommunikation und Interaktion zwischen Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen und Rehabilitandinnen/Rehabilitanden, Vorbereitung der Nachsorge sowie Berücksichtigung/Veränderung gesellschafts- und gesundheitspolitischer Rahmenbedingungen. Neben der vorab skizzierten thematischen Breite verdeutlicht die inhaltsanalytische Zusammenfassung ferner die Heterogenität der Erfahrungen, Vorstellungen und Haltungen bezogen auf die einzelnen Themenfelder. Beispielhaft herausgegriffen seien die Ausführungen zu Therapiezielen (von der Vorgabe von Therapiezielen bis hin zur partizipativen, interdisziplinären Aushandlung) und zur Motivation von Rehabilitanden/Rehabilitandinnen (von einer quasi standardmäßig erwarteten Compliance bis hin zu einer Unterstützung bei der Auseinandersetzung mit der Erkrankung als Voraussetzung für Motivationsentwicklung). Zusammenfassend betrachtet bewegen sich die Ausführungen zu Themen wie Therapiezielfindung und Motivationsentwicklung im Spannungsfeld von direktiven Vorgaben bis hin zu kommunikativen Aushandlungen.
Diskussion/Schlussfolgerungen: Diskutiert werden potentielle Zusammenhänge zwischen verschiedenen, von den Befragten benannten Themenfeldern, die im Hinblick auf erfolgreiche Rehabilitation aus Einrichtungsperspektive als relevant betrachtet werden. So gibt es z.B. Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen dem Modus interdisziplinärer Kommunikation und Kooperation in einer Einrichtung sowie der Art und Weise der Gestaltung von Gesprächen zwischen Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen und Rehabilitanden/Rehabilitandinnen. Die Ergebnisse der Befragung bilden – neben den Ergebnissen weiterer Teilstudien (systematische Literaturrecherche, Experten- und Expertinnenworkshop) – eine umfassende Grundlage für die Vorbereitung der qualitativen Hauptuntersuchung im Projekt „MeeR“. Vorgesehen ist, mittels teilnehmender Beobachtungen, Interviews, Fokusgruppen und Dokumentenanalysen, Merkmale erfolgreicher Rehabilitationseinrichtungen vertiefend zu ergründen.
Literatur:
Meyer T (2010) Medizinische Rehabilitation für Menschen mit chronischen Rückenschmerzen: Variation des Erfolgs zwischen Rehabilitanden und Rehabilitationskliniken. Habilitationsschrift Universität zu Lübeck.
Mayring P (2010) Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Beltz Verlag. 11. Aufl. Weinheim und Basel.