Gesundheitswesen 2014; 76(06): 359-365
DOI: 10.1055/s-0033-1348226
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Patientenperspektive jenseits ambulant-stationärer Sektorengrenzen – Was ist Patientinnen und Patienten in der sektorenübergreifenden Versorgung wichtig?

Patients’ Perspectives beyond Sectoral Borders between Inpatient and Outpatient Care – Patients’ Experiences and Preferences along Cross-Sectoral Episodes of Care
S. Ludt
1   General Practice and Health Services Research, University Hospital Heidelberg, Heidelberg
,
F. Heiss
2   Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg
,
K. Glassen
2   Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg
,
S. Noest
2   Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg
,
A. Klingenberg
3   AQUA-Institut, Patientenorientierung, Göttingen
,
D. Ose
2   Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg
,
J. Szecsenyi
4   Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
18 July 2013 (online)

Zusammenfassung

Ziel der Studie:

Die Patientenperspektive spielt in der Gesundheitsversorgung und der Qualitätssicherung eine entscheidende Rolle. Im Verlauf einer Krankheitsepisode treten Patienten mit allen an der Versorgung beteiligten Therapeuten ambulant und/oder stationär in Kontakt und sind daher in der einzigartigen Position, die gesamte Versorgungskette zu überblicken. Diese Untersuchung sollte Erfahrungen und Präferenzen von Patienten in der sektorenübergreifenden Versorgung identifizieren mit dem Ziel ein inhaltsvalides Befragungsinstrument für die sektorenübergreifende Qualitätssicherung zu entwickeln.

Methodik:

Die qualitative Analyse der Patientenperspektive erfolgte aus leitfadengestützten Fokusgruppengesprächen. Patienten mit unterschiedlichen, sektorenübergreifend versorgten Erkrankungen wurden aus Hausarztpraxen rekrutiert. Eine erste Kategorisierung der aufgezeichneten, transkribierten und psyeudonymisierten Patientenaussagen erfolgte deduktiv auf Grundlage des Leitfadens. Mithilfe der Software ATLAS.ti wurde das Kategoriensystem durch die Textanalyse induktiv überprüft und erweitert.

Ergebnisse:

Versorgungsdefizite wurden hauptsächlich in der Kommunikation/Informa­tion und der Koordination der Versorgung an den intersektoralen Schnittstellen wahrgenommen. Bei der Ein-/Überweisung beklagten die Patienten zumeist Doppeluntersuchungen und eine ungenügende Weiterleitung wichtiger Befunde. Bei der Entlassung aus der stationären Versorgung wurden mangelnde Unterstützung und Organisation der nachfolgenden Behandlung als Qualitätsdefizite identifiziert. Zudem identifizierten die Patienten Sicherheitsmängel bezüglich der Hygiene und des Medikamentenregimes. Unzureichende Transparenz, widersprüchliche Aussagen der Versorger und unklare Verantwortlichkeiten innerhalb der Versorgungskette führten zu Unsicherheiten und Verwirrung bei Patienten.

Schlussfolgerung:

Patientenerfahrungen sind eine wichtige Informationsquelle, um Versorgungsdefizite sektorenübergreifend zu identifizieren. Die identifizierten Aspekte können als Grundlage für die Entwicklung eines sektorenübergreifenden Befragungsinstruments genutzt werden.

Abstract

Aim:

Patient perspective is crucial concerning health care and quality improvement. During episodes of care, patients come into contact with multidisciplinary health-care providers in inpatient and outpatient settings and are in a unique position to describe processes throughout the entire chain of care. The aim of this study was to identify patients’ experiences and preferences with fragmented cross-sectoral care to develop a patient-centred cross-sectoral quality-assessment instrument.

Method:

Patient perspective was analysed using qualitative focus-group methods. Patients were recruited from general practices if they had experienced cross-sectoral care. Focus group discussions were audiotaped, transcribed and analysed using ATLAS.ti software. Categories were extracted deductively according to a previously developed focus group guide and supplemented by inductive analyses.

Results:

Patients identified quality gaps mainly concerning communication and coordination of care mostly along the cross-sectoral interfaces. Referrals and hospitalisations were characterised by redundant examinations and deficits in forwarding clinical findings. Support and organisation of follow-up care was rated to be improvable mainly during inpatient care and discharge. Patients identified also quality deficits concerning inpatient hygiene factors and changes of medication. Lack of transparency and responsibility within the entire chain of care caused anxiety and unstableness of patients.

Conclusion:

Patients’ experiences provide important information to identify quality gaps along the entire chain of care. Study results can be used to develop a cross-sectoral patient-centred quality assessment instrument.