Fortschr Neurol Psychiatr 2013; 81(10): 549
DOI: 10.1055/s-0033-1350573
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Teilhabe und ihre Messung

Participation and its Measurement
C. W. Wallesch
Further Information

Publication History

Publication Date:
30 September 2013 (online)

Gemeinsamer Bundesausschuss (GBA, § 91 SGB V) und Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) sind gehalten, die Zweckmäßigkeit und den Erfolg medizinischer Maßnahmen nach ihren Auswirkungen auf die Lebensqualität unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit zu bewerten [1]. Die UN-Behindertenrechtskonvention [2] wie schon zuvor das SGB IX heben auf die Teilhabe in Beruf und Sozialraum als wichtigstes Merkmal der Lebensqualität ab. Hier hat die Tätigkeit des IQWIG in Verbindung z. B. mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) schon für einige, für Anbieter unliebsame, Überraschungen gesorgt. Für die Nutzenbewertung hinsichtlich Lebensqualität und im Sozialraum müssen geeignete und sensitive Erhebungsverfahren entwickelt werden, die über Maße der gesundheitsbezogenen Lebensqualität wie SF-36 [3] und WHODAS II [4] hinausgehen.

In diesem Heft der Fortschritte widmen sich Pöppl et al. [5] der Messung von Teilhabe bei Patienten der ambulanten Neurorehabilitation. Das untersuchte Setting erscheint äußerst valide, weil sich die untersuchten Personen in ihrem angestammten Sozialraum befinden. Das verwendete Instrument, der Index zur Messung von Einschränkungen der Teilhabe (IMET), erfasst die Performanz in üblichen Aktivitäten des täglichen Lebens, familiären und häuslichen Verpflichtungen, Erledigungen außerhalb des Haushalts, täglichen Aufgaben und Verpflichtungen, Erholung und Freizeit, sozialen Aktivitäten, engen persönlichen Beziehungen, Sexualleben sowie unter Stress und außergewöhnlichen Belastungen [6]. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass das IMET das derzeit im deutschen Sprachraum am besten geeignete Instrument zur globalen, ICF-basierten und ökonomischen Erfassung von Teilhabe zu sein scheint. Für weitere Informationen seien die Leserin und der Leser auf den Originaltext verwiesen [5].

Die Arbeit macht deutlich, wie schwierig es ist, Teilhabe und Lebensqualität sensitiv zu erfassen. Instrumente wie das IMET müssen weiterentwickelt und in ihrer Veränderungssensitivität gestärkt werden, um z. B. auch die Effektstärke einzelner Interventionen erfassen zu können. Hier ist weitere Forschung zur Methodenweiterentwicklung dringend nötig, um den Anforderungen von GBA und IQWIG, aber auch den berechtigten Forderungen Betroffener [7] gerecht zu werden. Der Erfolg medizinischer und rehabilitativer Maßnahmen kann nicht nur mit Parametern wie Blutdruck, HbA1c oder Lesion Load gemessen und ökonomisch, d. h. erlösmäßig, bewertet werden. Was Teilhabe für neurologische Patienten ausmacht, hat einer der Autoren des Artikels, Wolfgang Fries, mit Mitarbeitern eindrucksvoll dargestellt. Das Buch „Teilhaben!“ [8] kann jedem Neurologen und Psychiater zur Lektüre empfohlen werden.

Zoom Image
Prof. Dr. C.-W. Wallesch