Frauenheilkunde up2date 2014; 8(1): 41-60
DOI: 10.1055/s-0033-1357882
Geburtshilfe und Perinatalmedizin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Trauma und Schwangerschaft

Georg J. Gerstner
,
Arno Gschwendtner
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Publikationsdatum:
28. Februar 2014 (online)

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Trauma durch Verkehrsunfälle

Verkehrsunfälle bei Schwangeren mit gravierenden Verletzungen oder mit tödlichem Ausgang sind seltene, jedoch von der Allgemeinheit umso mehr beachtete Ereignisse. Die Folgen von Verkehrsunfällen bei Schwangeren sind schwerwiegend; Überlebende leiden auch noch Jahrzehnte nach dem Unfall an den psychologischen Folgen.

Traumen in der Schwangerschaft erfordern eine multidisziplinäre Diagnostik und Therapie bzw. spezifische Notfallversorgung.

Traumen sind einer der häufigsten Gründe für die Morbidität und Mortalität von Frauen und Ungeborenen [1]–[6]. Allein in Europa verunglücken jährlich über 13 500 Frauen im reproduktionsfähigen Alter als Folge von Verkehrsunfällen tödlich.

Inzidenz von Unfällen in der Schwangerschaft. Schwangere Frauen erleiden häufiger ein Trauma als Nichtschwangere und werden aufgrund ihrer Verletzungen auch häufiger hospitalisiert. Die Inzidenz eines schweren Traumas ist bei Schwangeren im Sommer gegenüber dem Winter signifikant um 12 % erhöht, die Prävalenz einer Schwangerschaft ist im Sommer marginal um 3 % erniedrigt.

Pearlman untersuchte 1990 in einer prospektiven Kohortenstudie 85 Frauen, die in ihrer Schwangerschaft ein Trauma erlitten hatten. Dabei waren Verkehrsunfälle mit 70 % der häufigste Grund für ein schweres Trauma und für den mütterlichen und/oder fetalen Tod [6].

Eine andere Kohortenstudie erfasste alle Frauen, die zwischen 1991 und 1999 in Kalifornien wegen eines Traumas hospitalisiert wurden. Unter den Ursachen von Traumen bei Schwangeren waren in 49 % Verkehrsunfälle, gefolgt von 25 % Stürzen, 18 % tätlichen Angriffen, 4 % Schussverletzungen und 1 % Verbrennungen.

Unfälle in der Schwangerschaft treten in 6–7 % auf [9], [13]–[15], wovon 50 % in das 3. Trimenon fallen.

Maternale und fetale Mortalität. Betrachtet man die Mortalität bei Schwangeren, so sterben 16 % als Folge eines Traumas. Von den etwa 8 % wegen eines Traumas stationär aufgenommenen Schwangeren hatten 80 % einen Verkehrsunfall [4].

Auch beim Fetus sind Verkehrsunfälle die häufigste Ursache für einen traumatischen Tod.

Hawkins et al. beschrieben in einer Studie über Traumen bei Schwangeren, dass in 83 % der Fälle der fetale Tod infolge eines mütterlichen Verkehrsunfalles eingetreten war. Die Studie zeigte auch, dass die Hälfte der Mütter keinen Sicherheitsgurt benutzte und daher viele Todesfälle bei Benützung eines Gurtes vermeidbar gewesen wären.

Bei schweren mütterlichen Traumen kommt es bei etwa 60 % zu einem Fruchttod.

Ein leichtes Trauma in der Schwangerschaft erhöht die Risiken für:

  • Plazentalösung

  • Frühgeburt

  • fetales Distress-Syndrom

  • Totgeburt

  • Blutgerinnungsstörungen

  • notwendigen Kaiserschnitt

Im Jahre 2002 wurden in den USA geschätzte 16 900 leicht und schwer verletzte Schwangere in Krankenhäusern stationär aufgenommen. Zu einer damit verbundenen Entbindung kam es bei 38 % dieser Aufnahmen. Bei diesen hospitalisierten Schwangeren zählten oberflächliche Verletzungen, Kontusionen und Quetschungen zu den häufigsten Aufnahmeursachen. Bei den übrigen 62 % erfolgte die Hospitalisierung aufgrund von Frakturen, Verstauchungen, Zerrungen und Vergiftungen.

Stefan Duma schrieb in seinem Buch „Pregnant Occupant Biomechanics: Advances in Automobile Safety Research“, dass in den USA jährlich ca. 160 000 Schwangere bei einem Verkehrsunfall verletzt werden, wovon 160 Frauen und 865 Feten sterben.

Risikofaktoren für ein Trauma in der Schwangerschaft
  • junges Alter

  • Drogen- und Alkoholmissbrauch

  • tätliche Gewalt [18]

Frauen, die geschlagen werden, rauchen statistisch gesehen häufiger, trinken eher Alkohol und nehmen eher Drogen zu sich. Schwangere Frauen werden häufiger geschlagen oder getreten als Nichtschwangere. Guth et al. berichteten, dass 4–8 % aller Schwangeren (in den USA sind das jährlich geschätzte 2–4 Mio. Frauen) tätlicher Gewalt ausgesetzt sind. Andere Studien sprechen von 0,9–37 % der Fälle von tätlicher Gewalt bei Schwangeren mit einer fetalen Todesrate von bis zu 5 %.

Sogar die Schwangerschaft an sich ist ein Risikofaktor für ein Trauma und in den USA wurde in den letzten Jahren eine Zunahme der Übergriffe auf schwangere Frauen beobachtet.

Mit Zunahme der Größe des Fetus und längerer Schwangerschaftsdauer erhöht sich das statistische Risiko eines Traumas für Mutter und Fetus [15]. Im 1. Trimester besteht ein 10–15 %iges Risiko für ein mütterliches oder fetales Trauma, im 2. Trimester beträgt das Risiko 32–40 % und im 3. Trimester steigt es auf 50–54 %.

Die häufigste Ursache des fetalen Todes ist die traumatisch bedingte Ablösung der Plazenta [5].

Traumen in der Schwangerschaft können schwerwiegende Folgen haben:

  • bei der Mutter: schwere Verletzungen mit möglicher Todesfolge, innere Blutungen mit Schockgeschehen, vorzeitige Plazentalösung, Uterusruptur

  • beim Fetus: schwere intrauterine Verletzungen, Asphyxie, Abort oder Fruchttod

  • bei beiden: Frakturen, Schädel-Hirn-Traumen (SHT), intrakranielle Blutungen, schwere Verletzungen von Gefäßen und intraabdominalen Organen

Erhöhtes Verletzungsrisiko. Bei Schwangeren kommt es häufiger zu Verletzungen als bei Nichtschwangeren. Eine der Ursachen hierfür ist die hypotone Kreislaufdysregulation, die zu Schwindel und Ohnmachtsanfällen führen kann. Aufgrund der Gewichtszunahme und der Schwerfälligkeit, besonders im letzten Trimenon, kann es öfters zu Stürzen kommen.

Sogar die Schrecksekunde für Schwangere ist laut einer Studie verlängert.