Psychother Psychosom Med Psychol 2015; 65(05): 171-176
DOI: 10.1055/s-0034-1394462
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Übereinstimmung zwischen nicht-strukturierter klinischer und strukturierter klinischer Diagnosestellung bei stationären psychosomatischen Patienten

Agreement between Clinical Evaluation and Structured Clinical Interviews in Psychosomatic Inpatients
Cornelia Reichert
1   Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Hannover
,
Stephan Henniger
1   Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Hannover
,
Burkard Jäger
1   Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Hannover
,
Martina de Zwaan
1   Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Hannover
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Publikationsverlauf

eingereicht 22. Januar 2014

akzeptiert 24. September 2014

Publikationsdatum:
05. Mai 2015 (online)

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Zusammenfassung

In dieser Studie wurde die Übereinstimmung von Achse I Störungen zwischen nicht-strukturierter klinischer und strukturierter klinischer Diagnosestellung (SKID) bei 185 stationär aufgenommenen psychosomatischen Patienten untersucht. Außerdem wurde überprüft, in wie weit potentielle Prädiktoren das Ausmaß der Übereinstimmung vorherzusagen vermögen. Die Übereinstimmung lag für die affektiven, Angst- und somatoformen Störungen im geringen bis mittelmäßigen Bereich (κ=0,293–0,444). Nur bei den Essstörungen konnte eine fast vollkommene Übereinstimmung beobachtet werden (κ=0,812). Die Prädiktorenanalyse ergab, dass das Übereinstimmungsmaß zwischen nicht-strukturierter klinischer und strukturierter klinischer Diagnostik bei affektiven Störungen signifikant mit der Komorbiditätsrate zusammenhängt. Auch war die diagnostische Übereinstimmung von Angststörungen bei weiblichen Patienten signifikant höher als bei männlichen. Die Ergebnisse zeigen, dass auch bei einer teambasierten klinischen Diagnostik während eines stationären Aufenthaltes die Übereinstimmung mit der Diagnose, die einmalig mittels strukturiertem Interview (SKID) erfasst wurde, gering ist. Die Prädiktorenanalyse sowie die geringen Übereinstimmungsmaße bei 3 der 4 definierten Störungsgruppen legen nahe, dass möglicherweise konzeptuelle Unterschiede der Störungskriterien sowie deren klinische Auslegung einen Einfluss auf die Übereinstimmung ausüben könnten. Weitere Studien zu methodischen Einflussfaktoren könnten neue Erkenntnisse zu den Ursachen der Diagnosediskrepanzen offenlegen.

Abstract

The goal of this study was to determine the agreement between axis I mental disorders assessed with a structured clinical interview (SCID) and independently obtained non-structured clinical diagnoses in 185 psychosomatic in-patients. Additionally, the study focuses on the detection of potential predictors for the level of agreement. Diagnostic agreement was poor to moderate for the mood, anxiety and somatoform disorder cluster (κ=0.293–0.444). Only for eating disorders an almost complete concordance could be found (κ=0.812). The predictor analysis indicated a significant positive association between the comorbidity rate and the agreement in mood disorders. Furthermore, the diagnostic agreement of anxiety disorders was significantly higher for female than for male patients. These results reveal that even a team-based clinical diagnosis, assessed over the period of a hospital stay, shows little agreement with SCID-diagnoses. The predictor analysis as well as the poor correlation in 3 of 4 diagnostic clusters suggest that conceptual differences of the disorder criteria as well as their clinical interpretation might influence the concordance between diagnoses. Further studies focusing on methodical factors might reveal further insights to the cause of the diagnostic discrepancies.