Dtsch Med Wochenschr 2016; 141(09): e80-e86
DOI: 10.1055/s-0041-108100
Fachwissen
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Beratung zur Patientenverfügung

Eine Studie zur Beratungspraxis ausgewählter Anbieter in der Region MünchenAdvance directive consultations – A study of selected consultation services in the Munich region
S. Petri
1   Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, Ludwig- Maximilians-Universität München
,
G. Marckmann
1   Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, Ludwig- Maximilians-Universität München
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
28. April 2016 (online)

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Zusammenfassung

Hintergrund und Fragestellung | Das Vorsorgeinstrument der Patientenverfügung wird bislang häufig nicht in tragfähiger Weise genutzt. Eine Beratung zur Patientenverfügung ist weder gesetzlich vorgeschrieben noch gibt es verbindliche Standards dafür. Es ist wenig über Struktur und Inhalt der Beratungspraxis der vielen verschiedenen Anbieter bekannt. Ziel der Umfrage war es, einen Einblick in die aktuelle Beratungssituation zur Patientenverfügung durch ausgewählte Berater einer Region zu erhalten. Unter Einbeziehung der Best-Practice-Empfehlungen internationaler Advance-Care-Planning-Programme (ACP) leiteten wir Hinweise für die Weiterentwicklung der Beratung ab.

Methode | Mittels eines Online-Fragebogens (Likert-Skala) wurde eine explorative Umfrage im Raum München durchgeführt. Befragt wurden

  • Hausärzte,

  • Notare,

  • Überleitungsfachkräfte und

  • Mitarbeiter von Hospizvereinen

Die Auswertung erfolgte mit SPSS und Excel.

Ergebnisse | Inhalte und Strukturen der Beratungen unterscheiden sich nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb der verschiedenen Beratergruppen teilweise erheblich. Die Beratungen dauern überwiegend bis zu 60 Minuten und umfassen 1–2 Gespräche. Obwohl viele Berater ein routinemäßiges Angebot einer Beratung für sinnvoll erachten (46–79 % in den verschiedenen Gruppen), werden Beratungen überwiegend durch die Ratsuchenden selbst initiiert. Bei der Beratung geht es unter anderem um die Themen:

  • Flüssigkeit und Ernährung (häufig / immer [ h / i]: 69–97 %)

  • dauerhafte Bewusstlosigkeit (h / i: 48–94)

  • tödliche Erkrankung (h / i: 77–97 %)

Manche Aspekte der Beratung wurden von den verschiedenen Berufsgruppen sehr heterogen gehandhabt, insbesondere

  • Beteiligung der zukünftigen Vertreter an der Beratung (h / i: 18–85 %),

  • Erstellung von Notfallplänen (0–45 %)

  • Fertigstellung der Patientenverfügung innerhalb der Beratung (29–51 %)

Folgerungen | Die Beratung zur Patientenverfügung variiert erheblich und entspricht noch nicht zuverlässig den Best-Practice-Empfehlungen umfassender ACP-Programme. Die Studie unterstreicht damit den Bedarf an strukturierten, umfassenden ACP-Programmen.

Abstract

Background: So far, advance directives (AD) are often used ineffectively in Germany. Counseling for advance directives is neither legally required nor are quality standards available. Little is known about the structure and content of the counseling offered by the many different providers. The goal of this study was to assess the current practice and possible improvements of AD consultations by different professional groups in the Munich region in Germany compared to international Advance Care Planning (ACP) programs as best practice models.

Methods: An explorative online survey (using the Likert scale) of general practitioners, notaries, nurses and hospice workers in the Munich area was conducted. The data were analyzed using SPSS and Excel.

Results: Content and structure of counseling services differ not only between but also within counseling groups, sometimes considerably. Consultations mostly last up to 60 minutes and included 1–2 sessions. Despite the fact that most counselors (46–79 % in the respective groups) favor routinely offered consultations, most counseling sessions are initiated by the consulted individuals themselves. Among other things, counseling sessions cover the topics of hydration (often / always [o / a] 69-97 %), permanent unconsciousness (o / a 48–94 %) and terminal illnesses (o / a 77-97 %). Especially the participation of future legal representatives in the counseling sessions (o / a 18-85 %), the drafting of emergency plans (0–45 %) and the completion of advance directives within the counseling session (29–51 %) was heterogeneous.

Conclusions: The current counseling practice for advance directives varies considerably and does not yet reliably meet the best practice standards of ACP programs. This study thus underscores the need for comprehensive ACP programs.

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