Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2017; 52(05): 326-340
DOI: 10.1055/s-0042-108925
Topthema
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Präoperative Vorbereitung: Patient Blood Management – Was ist optimal?

Preoperative Preparation: Patient Blood Management – What is Optimal?
Patrick Meybohm
,
Markus M. Müller
,
Kai Zacharowski
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
22. Mai 2017 (online)

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Zusammenfassung

Patient Blood Management (PBM) fokussiert auf ein umfassendes Anämiemanagement, die Minimierung (unnötiger) iatrogener Blutverluste und die Ausschöpfung der natürlichen Anämietoleranz mit rationalem Einsatz von Erythrozytenkonzentrat-Transfusionen. Im Mittelpunkt des aktuellen Beitrags stehen die in der präoperativen Phase entscheidenden PBM-Komponenten: Management einer Anämie, prätransfusionelle Vorbereitungen und Management von Antikoagulanzien. Die präoperative Anämie ist ein unabhängiger Risikofaktor für eine erhöhte perioperative Morbidität und Sterblichkeit. Zum frühestmöglichen Zeitpunkt sollte daher vor elektiven Eingriffen die Ursachen der Anämie abgeklärt und bei behandelbaren Ursachen der Anämie eine spezifische Behandlung eingeleitet werden. Die präoperative prätransfusionelle Analytik sollte in Abhängigkeit von der Transfusionswahrscheinlichkeit (und dem Ausgangshämoglobinwert) einem Stufenkonzept folgen und aktuelle hausinterne Daten berücksichtigen. Im Umgang mit (oralen) Antikoagulanzien sollte bereits in der präoperativen Phase eine individuelle Risikostratifizierung erfolgen. Anhand des individuellen Blutungs- und Thromboembolierisikos wird sodann entschieden, ob die Medikation fortgeführt, pausiert oder überbrückt werden muss. Ohne klar definierte Verantwortlichkeiten im präoperativen PBM-Team, Kommunikation und Schulung aller Beteiligten ist langfristig kein Erfolg des präoperativen PBM-Programms zu erwarten.

Die „Ressource Blut“ wird zunehmend knapper – das erfordert ihren rationalen Einsatz. Mit dieser Zielsetzung hat sich Patient Blood Management (PBM) in den letzten Jahren zu einem multimodalen, evidenzbasierten klinischen Behandlungsmodell entwickelt. Im Mittelpunkt dieses Beitrags stehen PBM-Komponenten der präoperativen Phase: Management einer Anämie, prätransfusionelle Vorbereitungen und präoperatives Management von Antikoagulanzien.

Abstract

Patient Blood Management (PBM) focusses on anemia management, the minimization of (unnecessary) iatrogenic blood loss and the exhaustion of natural tolerance to anemia with rational use of red blood cell transfusion. The focus of the current review article is now the preoperative phase with the following PBM components: management of anemia, pre-transfusion analytics and management of anticoagulants. Preoperative anemia is an independent risk factor for increased perioperative morbidity and mortality. In elective surgery, the causes of anemia should be diagnosed prior to surgery as early as possible, and if indicated, a specific treatment for treatable causes should be initiated. Preoperative pre-transfusion analytics should be performed by a step-wise approach depending on the transfusion probability (and the baseline hemoglobin) and current in-house data. Management of (oral) anticoagulants needs to consider an individual risk stratification for bleeding and thromboembolic events, should be initiated in the preoperative phase, and should specify whether the anticoagulant needs to be continued, stopped or bridged. Long-term success of the preoperative PBM program can only be guaranteed with clearly defined responsibilities in the preoperative PBM team, communication and training of all those involved in the process of care.

Kernaussagen
  • Hauptaufgabe eines präoperativen PBM-Programms ist es, patienteneigene Ressourcen zu schonen und zu stärken.

  • Das gelingt mit einem individuell adaptierten professionellen Management der Anämie, prätransfusionellen Vorbereitungen sowie Management von Antikoagulanzien.

  • Eine präoperative Anämie, auch in milder Form, ist ein eigenständiger und unabhängiger Risikofaktor für postoperative Komplikationen und eine erhöhte postoperative Sterblichkeit.

  • Prinzipiell sollte man jede Anämie präoperativ abklären und nicht dringliche Eingriffe bis zum Abschluss der entsprechenden Anämiebehandlung bei behandelbaren Ursachen verschieben.

  • Ein großer Teil der Patienten mit präoperativer Anämie zeigt Potenzial für eine präoperative Anämietherapie (z. B. parenterale Substitution von stabilen Eisenkomplexen). Die Indikation sollte so früh wie möglich gestellt werden.

  • Die präoperative prätransfusionelle Analytik sollte aktuelle hausinterne Daten berücksichtigen. Die Diagnostik richtet sich nach der Transfusionswahrscheinlichkeit des Eingriffs:

    • < 1%: keine Diagnostik

    • 1 – 10%: nur Bestimmung der Blutgruppe und Antikörpersuchtest (Type & Screen-Konzept)

    • > 10% eine Kreuzprobe mit Bereitstellung von EK

  • Weder eine unkritische Antikoagulation bis zum OP-Tag (hohes Blutungsrisiko) noch ein generelles frühzeitiges Absetzen (Risiko für Thromboembolien oder Stentverschlüsse) ist adäquat. Vielmehr muss das präoperative Management von Antikoagulanzien unter Berücksichtigung des individuellen Risikoprofils von perioperativer Blutung und Thromboembolie erfolgen.

  • Ohne klar definierte Verantwortlichkeiten im PBM-Team, gute Kommunikation und Schulung aller inner- und außerklinischen Beteiligten kann sich langfristig kein bleibender Erfolg des präoperativen PBM-Programms einstellen.