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DOI: 10.1055/s-0043-121210
Notfallmedizinische Versorgung bei konventionellen terroristischen Anschlägen
Publication History
Publication Date:
06 December 2017 (online)
Die Ereignisse der Terroranschläge in Ansbach, Würzburg, München und Berlin haben sehr deutlich gezeigt, wie bedeutend die Auseinandersetzung mit der Thematik ist und wie dringend Konzepte für die Bewältigung solcher Lagen benötigt werden. Dieser Artikel beleuchtet die einsatztaktischen Aspekte eines konventionellen Anschlags und die rettungsdienstliche Versorgung in diesem Szenario.
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Die üblichen zivilmedizinischen Konzepte zur prähospitalen Bewältigung eines Massenanfalls von Verletzten (MANV) sind nicht geeignet, um einen Terroranschlag notfallmedizinisch adäquat zu beherrschen.
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Bei einem Anschlag mit Schusswaffen und/oder Explosivstoffen ist mit einer hohen Anzahl an schwer- und schwerstverletzten Patienten zu rechnen. Im Vordergrund steht dabei die Gefahr des raschen Verblutungstodes. Maßnahmen zur Blutungskontrolle haben höchste Priorität.
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Patienten und Rettungskräfte sind permanent der Gefahr eines Folgeanschlags (sogenannter Second Hit) ausgesetzt. Das notfallmedizinische Vorgehen muss deshalb auf eine Minimierung der prähospitalen Versorgungsphase abgestimmt sein.
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Eine „bedrohliche Lage“ ist mitunter nicht sofort als solche zu erkennen. Das Personal der Rettungsleitstellen und des Rettungsdienstes muss deshalb sensibilisiert werden, um aus den (wenigen) Informationen rasch das Bild einer „bedrohlichen Lage“ erkennen zu können.
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In einer „bedrohlichen Lage“ können die Kommunikationssysteme überlastet oder gar zerstört sein. Die rettungsdienstlichen Einsatzkräfte müssen deshalb so ausgebildet sein, dass sie bis zur Etablierung einer gemeinsamen Führungsstruktur vor Ort auch autark arbeiten können.
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Die Einsatzleitung obliegt bei „bedrohlichen Lagen“ der Polizei.
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Durch die Polizei werden auch die Gefahrenbereiche (unsicher – teilsicher – sicher) definiert.
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In „bedrohlichen Einsatzlagen“ wird das notfallmedizinische Handeln eindeutig durch die taktische Lage bestimmt. Dabei hat sich im militärischen Umfeld das „Tactical Combat Casualty Care“ (TCCC-)Konzept bewährt. Die „bedrohliche Einsatzlage“ im zivilen Umfeld unterscheidet sich diesbezüglich nicht von der im militärischen Umfeld.
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Die prähospitale Versorgung folgt der Strategie: „stop the bleeding and clear the scene“.
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Ziel ist es, die Notaufnahmen der erstversorgenden Kliniken zu „sicheren“ Bereichen zu machen.
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