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DOI: 10.1055/s-2001-17780
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Lichtblick - Selbsthilfegruppe für Hinterbliebene von Menschen, die sich das Leben nahmen
Bright Spot on the Horizon - Self-Help Group for Suicide DependantsPublication History
Publication Date:
15 October 2001 (online)
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Warum befasse ich mich mit dem Thema Suizid?
Als sich mein Ehepartner vor fünf Jahren das Leben nahm, habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Angehörigen nach solch einem Ereignis sehr alleine gelassen werden. Nach einem Suizid befinden sich viele Menschen am Ort des Geschehens: der Notarzt, Sanitätspersonal, Polizei, jemand vom Gericht und die Fahrer vom Totenwagen. Alle sind sehr beschäftigt mit „der Sache”, viele Fragen werden gestellt, viele Formulare ausgefüllt. Das Befinden der Hinterbliebenen rückt dabei in den Hintergrund. Mein damals 17-jähriger Sohn und ich mussten uns in einem Chaos von Gefühlen zurechtfinden: Entsetzen, Trauer, Enttäuschung, Angst, Wut und manchmal auch Erleichterung. Eine erste Hilfe für die Seele wird nicht geleistet. Die Schweiz hat eine der höchsten Suizidraten Europas. Wo sind die betroffenen Angehörigen? Was bewegt sie? Warum lerne ich keine anderen Betroffenen kennen? Bin ich der einzige Mensch, der sich in dieser Situation alleine gelassen fühlt? Diese Fragen, und die Frage nach dem Sinn des Suizides meines Mannes, haben mich dazu bewogen, mich mit dem Thema Suizid auseinander zu setzen.
Im Rahmen meiner Ausbildung in Gesundheits- und Krankenpflege, die ich nach dem Tode meines Mannes begann, konnte ich das Thema in einer Projektarbeit thematisieren. Der Externe Psychiatrische Dienst in Liestal, mein damaliger Praktikumsort, bot mir die Gelegenheit dazu. Mein Ziel war es, das bestehende Hilfsangebot für betroffene Angehörige in der Region Basel zu erfassen. Im Weiteren wollte ich mit möglichst vielen betroffenen Menschen sprechen, um zu erfahren, was ihre Wünsche, Bedürfnisse und Nöte sind. Mit der Frage: „Welche Hilfe gibt es für die Hinterbliebenen von Suizidenten?” habe ich mich an Organisationen, Institutionen und einzelne Personen gewandt. Aus dieser Arbeit heraus entstand die Selbsthilfegruppe (SHG) Lichtblick.
Es ist eine geschlossene, geleitete Gruppe, die sich 14-tägig trifft. Eine erste Gruppe bestand aus neun Frauen, die entweder einen Partner, ein Kind, oder ein Elternteil durch Suizid verloren hatten. Die Suizide lagen ein bis zehn Jahre zurück. Die Gruppe wurde von mir als Laie und selber Betroffene geleitet. Starthilfe erhielt ich durch Pfr. Ebo Aebischer, der die Refugiumgruppen in Bern und Zürich ins Leben gerufen hat. Innerhalb dieser Gruppe fand sich Frau Brigitte Comment, die bereit war mit mir weitere Gruppen zu gründen. Wir sind also im Gegensatz zu den Refugiumgruppen, bei denen sich ausschließlich Menschen treffen, die einen Partner oder eine Partnerin verloren haben und den Regenbogengruppen, die für Menschen gedacht sind, die ein Kind durch Suizid verloren haben, eine gemischte Gruppe. Wir begleiten die Gruppe ca. an zehn Abenden, die es den Teilnehmerlnnen ermöglichten, sich kennen zu lernen und erstmals mit anderen Betroffenen über ihre Situation zu berichten. Ziele sind: die eigene Geschichte anzuschauen, einen geschützten Rahmen zu haben, in dem offene Gespräche möglich sind, sich mit dem Tabuthema Suizid zu befassen, zu lernen in der Öffentlichkeit über den Suizid zu sprechen, anderen Betroffenen Hilfe anzubieten, in eine „echte” SHG, das heißt, eine Gruppe ohne Leitung überzugehen. Die Themen, mit denen wir uns befassen, sind je nach den Erlebnissen der Teilnehmenden verschieden. Unter anderem sind es die Warum- und Schuldfragen, was tut uns gut bzw. was hat uns geholfen? Die eigene Suizidalität und Depressionen. Zu einzelnen Themen wurden auch Fachleute zugezogen.
Margitta Bürgin
Fabrikweg 43
4460 Gelterkinden
Schweiz
Email: mabuergin@hotmail.com