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DOI: 10.1055/s-2002-22051
Zwangsarbeit und Gesundheitswesen im Nationalsozialismus
Fachliteratur und ForschungsperspektivenForced labour and public health under national socialism: specialized literature and research perspectivesPublikationsverlauf
Manuskript-Eingang: 5. November 2001
Annahme nach Revision: 29. Januar 2002
Publikationsdatum:
14. März 2002 (online)

Nach langen Verhandlungen über »ausreichende Rechtssicherheit« für deutsche Firmen ist seit dem Juni 2001 der Weg zur finanziellen Entschädigung für ehemalige Zwangsarbeitende prinzipiell frei, es bleibt jedoch eine Vielzahl von Problemen [1] [40]. Für Personen, die einen Antrag auf Entschädigung aus dem Fonds der Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« gestellt haben, geht die Auseinandersetzung weiter; viele Menschen können die geforderten Nachweise über ihre Zeit in Deutschland nur schwer erbringen [9] [34] [40] . Angesichts der hohen bürokratischen Hürden bleiben Firmen und öffentliche Einrichtungen weiterhin aufgefordert, die Antragsteller durch Recherchen und finanzielle Zuwendungen an den Stiftungsfonds oder private Initiativen zu unterstützen. Dies betrifft nicht nur Industrie- und Gewerbebetriebe, vielmehr waren in den »totalen Arbeitseinsatz« während des Zweiten Weltkrieges auch Krankenhäuser und andere Einrichtungen des Gesundheitswesens involviert. Verwaltungs-, Personal-, Krankenkassen- und Patientenakten können hier ebenso wie viele andere überlieferte Unterlagen und Archivdokumente wichtige Aufschlüsse geben. Darüber hinaus gewähren sie entscheidende Einblicke in Arbeits- und Lebensbedingungen der teils unter Druck angeworbenen, teils deportierten Menschen. Die Auswertung trägt nicht zuletzt dazu bei, die Rolle des Gesundheitswesens und Aspekte »normaler« ärztlicher Tätigkeit während des Zweiten Weltkriegs zu rekonstruieren [21] . Auch auf diesem Gebiet bedarf es intensiver historischer Aufarbeitung und kritischer ethischer Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit der Medizin. Kliniken und Ärzteverbänden wurde vom Deutschen Ärztetag 2001 eindeutig eine Beteiligung empfohlen [9] [38] . Der vorliegende Übersichtsartikel strukturiert die bisher erschienene Fachliteratur und stellt Ergebnisse vor.
Literatur
- 1 Barwig K, Saathoff G, Weyde N. (Hrsg.). Entschädigung für NS-Zwangsarbeit. Rechtliche, historische und politische Aspekte. Baden-Baden: Nomos 1998
- 2 Beck C. Sozialdarwinismus, Rassenhygiene und Vernichtung »lebensunwerten« Lebens, Bibliographie. Bonn: Psychiatrie-Verlag 1995
- 3 Berger N. Der Einsatz von Fremdarbeitern in der Krankenversorgung. Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte In: Danker U, Grewe A, Köhler N, Lehmann S (Hrsg.). »Wir empfehlen Rückverschickung, da sich der Arbeitseinsatz nicht lohnt.« Zwangsarbeitende und Krankheit in Schleswig-Holstein 1939 - 1945 2001
- 4 Bremberger B. Zwangsarbeiterinnen an der Landesfrauenklinik. alles klar. Zeitung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Krankenhaus Neukölln 2000: 7
- 5 Danker U, Grewe, Köhler N, Lehmann S. (Hrsg.). .»Wir empfehlen Rückverschickung, da sich der Arbeitseinsatz nicht lohnt.« Zwangsarbeitende und Krankheit in Schleswig-Holstein 1939 - 1945. Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2001
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- 9 Frewer A, Gottschalk K, Mälzig U, Schmidt U, Zimmermann V. Zwangsarbeit und Medizin im »Dritten Reich«. Deutsches Ärzteblatt. 2001; 98 A 2866-2868
- 10 Frewer A, Gottschalk K, Zimmermann V. Zwangsarbeit in der Klinik: Göttinger Universitätsmedizin im Nationalsozialismus. Niedersächsisches Ärzteblatt. 2001; 12/74 19-23
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- 16 Hoffmann K. Zwangsarbeit und ihre gesellschaftliche Akzeptanz in Oldenburg 1939 - 1945. Oldenburg: Isensee 2001
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- 18 Jenner H. Zwangsarbeiter in Einrichtungen der Diakonie in Hamburg und Schleswig-Holstein. Verletzte Menschenwürde: NS-Zwangsarbeiter in der Diakonie. Hintergründe - Teilergebnisse - Forschungsperspektiven. Diakonie Korrespondenz. 2000; 7 11-37
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- 21 Kudlien F. Fürsorge und Rigorismus. Überlegungen zur ärztlichen Normaltätigkeit im Dritten Reich. München: Oldenbourg In: Frei N (Hrsg.). Medizin und Gesundheitspolitik in der NS-Zeit 1991: 99-111
- 22 Lilienthal G. Die Opfer der NS-»Euthanasie«-Verbrechen. Marburg: Jonas In: Sandner P et al (Hrsg.). Heilbar und nützlich. Ziele und Wege der Psychiatrie in Marburg an der Lahn 2001: 276-304
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- 24 Orth L. Psychiatrisierte Zwangsarbeiterinnen in Bonn. Pfaffenweiler: Centaurus In: Kuhn A (Hrsg.). Frauenleben im NS-Alltag. Bonner Studien zur Frauengeschichte 1994: 261-269
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- 28 Reininghaus W, Reimann N. (Hrsg.). Zwangsarbeit in Deutschland 1939 - 1945. Archiv- und Sammlungsgut, Topographie und Erschließungsstrategien. Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2001
- 29 Reiter R. Tötungsstätten für ausländische Kinder im Zweiten Weltkrieg. Zum Spannungsverhältnis von kriegswirtschaftlichem Arbeitseinsatz und nationalsozialistischer Rassenpolitik in Niedersachsen. Hannover: Hahn 1993
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- 31 Ruck M. Bibliographie zum Nationalsozialismus. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2000
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-
34 Schubarth M. Reisebericht
Ukraine, Beitrag für die Mailingliste »NS-Zwangsarbeit« vom
16.10.2001,. siehe auch www.zwangsarbeit-forschung.de,
Mailingliste/Archiv
- 35 Schwarze G. Kinder, die nicht zählten. Ostarbeiterinnen und ihre Kinder im Zweiten Weltkrieg. Essen: Klartext 1997
- 36 Sparing F. Die medizinische Behandlung von Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Düsseldorf und die städtischen Krankenanstalten. Essen: Klartext In: Esch M et al (Hrsg.). Die Medizinische Akademie Düsseldorf im Nationalsozialismus 1997: 266-294
- 37 Spoerer M. Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich und im besetzten Europa 1939 - 1945. Stuttgart, München: Dt. Verlagsanstalt 2001
- 38 Süddeutsche Zeitung (AFP, ohne Autor) .»Forderung des Deutschen Ärztetags. Auch Krankenhäuser müssen Zwangsarbeiter entschädigen«,. 26./27. Mai 2001
- 39 Vögel B. »Entbindungsheim für Ostarbeiterinnen« - Braunschweig, Broitzemer Straße 200. Hamburg: Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts 1989
- 40 Winkler U. (Hrsg.). Stiften gehen. NS-Zwangsarbeit und Entschädigungsdebatte. Köln: PapyRossa 2000
Korrespondenz
Karin Gottschalk, M.A.
Dr. med. Andreas Frewer
Prof. Dr. Dr. Volker Zimmermann
Ethik und Geschichte der Medizin
Arbeitsgruppe »Zwangsarbeit
und Medizin«
Humboldtallee 36
37073 Göttingen
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