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DOI: 10.1055/s-2004-821207
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Suspensionsverfahren bei Stressharninkontinenz - Teil 2
Publication History
Publication Date:
09 July 2004 (online)
Kontinenztheorien
Worauf beruht der Erfolg dieser Kolposuspensionsoperationen und suburethralen Schlingen? Durch diese Operationstechniken wird die Physiologie der kontinenten Frauen nicht rekonstruiert. Der gedankliche Hintergrund, der zu diesen Operationen führte, ließ sich nicht als valide verifizieren. Das Tradieren und Weiterentwickeln dieser Techniken kann bestenfalls als rationale Empirie bezeichnet werden. Erst nachdem diese Operationstechniken entwickelt und erfolgreich waren, wurde eine Theorie konzipiert, die den Wirkmechanismus dieser Operationen relativ plausibel erklärt.
Wurde zunächst die Rekonstruktion des urethrovesikalen Winkels β in den Vordergrund gestellt, so zeigten bildgebende Verfahren, dass der Operationserfolg mehr davon abhing, ob der Blasenhals
Die Elevation und Annäherung des Blasenhalses an die Symphysenunterkante soll den intraabdominalen Druck auf die Urethra erhöhen. |
Drucktransmissionstheorie nach Enhörning
Nach der Drucktransmissionstheorie von Enhörning [[17]] liegt der Blasenhals normalerweise oberhalb der Beckenbodenebene und befindet sich somit im Druckbereich des Abdomens. Blasenhals und proximale Urethra werden nach Enhörning als intraabdominale Organe angesehen. Wird in dieser Situation durch Pressen oder Belastung der Druck auf die Harnblase erhöht, steigt gleichzeitig der Druck auf die proximale Urethra. Es findet eine Drucktransmission vom Abdomen auf die proximale Urethra statt. Die Frau ist kontinent, sie verliert keinen Urin.
Bei einer Beckenbodeninsuffizienz liegt der Blasenhals unter der Beckenbodenebene
Die Verlagerung der Beckenbodenebene über den Blasenhals verhindert die Drucktransmission. |
Diese Drucktransmissionstheorie nach Enhörning wurde herangezogen, um die Kolposuspension und auch die suburethralen Schlingenoperationen, die den Blasenhals elevieren, theoretisch zu begründen. Die dynamischen realen anatomischen und physiologischen Verhältnisse zeigen, dass der Blasenhals bei Belastung nicht wirklich den Druckbereich des Abdomens
Der Druckbereich des Abdomens wird vom Blasenhals nicht wirklich verlassen. |
Hängemattentheorie nach DeLancey
Während die Drucktransmissionstheorie von Enhörning mehr auf theoretischen Erwägungen und Überlegungen beruht, basiert die Theorie zur Pathophysiologie der Stressharninkontinenz von DeLancey [[14]] auf seinen äußerst subtilen anatomischen Studien der Aufhängung und des unterstützenden Gewebes der Urethra. Nach seiner Hängemattenhypothese liegt die Urethra auf einer Schicht aus endopelviner Faszie und vorderer Scheidenwand und wird von ihr unterstützt.
Die hängemattenähnliche Unterstützungsschicht besteht aus der endopelvinen Faszie und der vorderen Scheidenwand. |
Die Stabilität der suburethralen Aufhängungsschicht hängt von der Unversehrtheit der vorderen Scheidenwand und der Intaktheit der Aufhängung der endopelvinen Faszie am
Die intakte Aufhängung der Harnröhre an der endopelvinen Faszie am Arcus tendineus fasciae pelvis und am M. levator ani ist für die Kontinenz entscheidend. |
Die Hängemattentheorie von DeLancey [[14]] erklärt die Pathophysiologie der Stressinkontinenz besser als die Drucktransmissionstheorie von Enhörning. Die Annahme eines intraabdominalen Druckraums, aus dem der Blasenhals bzw. die Urethra entweicht, entfällt zur Erklärung der Inkontinenz. Damit ist die Rückverlagerung des Blasenhalses in die Bauchblase hinfällig. Vielmehr erklärt DeLancey die Inkontinenz durch das fehlende Widerlager des suburethralen Gewebes für die Urethra.
Konsequenterweise müsste auch der Effekt der suburethralen Schlingenoperationen und der Kolposuspensionstechniken darauf zurückgeführt werden, dass das suburethrale Gewebe, die Hängematten, wieder gespannt wird. Diese Situation ist allerdings völlig unphysiologisch. Das suburethrale Unterstützungsgewebe wird nach ventral, in die Nähe der Symphysenunterkante eleviert und dort fixiert. Hierauf beruhen nicht nur die hervorragenden und sich im Prinzip entsprechenden Heilungsraten der genannten suburethralen Schlingenoperationen und Kolposuspensionstechniken, sondern auch gemeinsame Nachteile dieser Operationen.
Die Elevation der Faszia endopelvina in den vesikourethralen Übergang bewirkt einen Defekt des Beckenbodens mit Entero- und Rektozelen als mögliche Folgen. |
Integritätstheorie nach Petros und Ulmsten
Während die Hängemattentheorie von DeLancey auf anatomischen Untersuchungen basiert, beruht die nun folgende Integritätstheorie von Papa Petros und Ulmsten, 1990 [[50]], in den Kernpunkten auf physiologischen und Röntgenuntersuchungen bei Patientinnen mit und ohne Stressinkontinenz in Ruhe und bei Belastung. Die Unterlage, die die Harnröhre stützt, wird nicht mit einer Hängematte, sondern mit einem Trampolin verglichen. Das Trampolin soll die Wichtigkeit der elastischen Aufhängung des Beckenbodens an Ligamenten widerspiegeln: vorn an den Pubourethralligamenten, seitlich am Arcus tendineus fasciae pelvis, nach dorsal an den Sakrouterinligamenten und an den Ligamenta cardinalia. Gleichbedeutend für die Beckenbodenaufhängung sind alle 3 Ebenen des Beckenbodens.
Schon früher wiesen Autoren auf die Integrität des Beckenbodens
Unter Integrität des Beckenbodens verstehen Petros und Ulmsten die Intaktheit aller Beckenbodenmuskeln und Ligamente. |
Innere Muskelschicht: Mm. Pubococcygeus, puborectalis, ileococcygeus und coccygeus. |
Die äußere Muskelschicht besteht im Wesentlichen aus den Mm. sphincter ani externus, transversi perinei, bulbo- und ischiocavernosi und aus dem Centrum tendineum,
Äußere Muskelschicht: Mm. sphincter ani externus, transversi perinei, bulbo- und ischiocavernosi, Centrum tendineum. |
Die mittlere Muskelschicht
Mittlere Muskelschicht: im Centrum tendineum fixierte longitudinale Analmuskeln. |
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Wolfgang Zubke
Universitäts-Frauenklinik
Calwerstraße 7
72076 Tübingen