Z Geburtshilfe Neonatol 2004; 208 - 123
DOI: 10.1055/s-2004-829328

Entwicklung der Schilddrüsenfunktion sehr kleiner Frühgeborener bis zum korrigierten Alter von 3 Monaten

M Moll 1, MB Ranke 1, K Seibold-Weiger 1, R Goelz 1, CF Poets 1
  • 1Universitätskinderklinik, Abteilung Neonatologie und Sektion Pädiatrische Endokrinologie (Tübingen, Deutschland)

Einleitung: Zum postnatalen Verlauf der Schilddrüsenfunktion Frühgeborener (FG) liegen nur wenig Daten vor. Wir untersuchten die Schilddrüsenfunktion von FG ≤ 32 SSW bzw. ≤ 1500g GG im Verlauf. Hypothese: Sehr kleine FG zeigen auch nach Entlassung ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Schilddrüsenstörung.

Methoden: Bei 57 Patienten (GA 29,1 (SD 2,8) Wochen, GG 1,25 (SD 0,39)kg, fT4>=0,5 ng/dl) wurden im korrigierten Alter von 3 Monaten T4, fT4 und TSH mittels Immulite® bestimmt, standardisierte Fragen zu Entwicklung und Verhalten gestellt und die Entwicklung in Unkenntnis der Laborwerte beurteilt. 49% wurden bei Entlassung gestillt, 25% teilgestillt, 26% erhielten ausschließlich Formula, kein Kind erhielt zusätzlich Jodid.

Ergebnisse: In einem Alter von 2,8 (SD 0,7) Monaten nach ET zeigten 19 Kinder (33%) ein erhöhtes TSH (≥ 5 uI/ml) bei unauffälligem fT4 und T4 (latente Hypothyreose) und 1 Kind (2%) eine primäre Hypothyreose mit erniedrigtem fT4 und erhöhtem TSH. Die Mittelwerte (MW) für T4, fT4 und TSH betrugen 8,66 (SD 1,53)µg/dl, 1,33 (0,22) ng/dl und 4,39 (SD 1,98) uI/ml. Im Vergleich zu einer Referenzgruppe von 16 reifgeborenen Kindern im Alter von 3,7 (SD 0,7) Monaten (MW T4 8,72 (SD 1,67)µg/dl, MW fT4 1.12 (SD 0,16) ng/dl, MW TSH 2,84 (SD 1,46) uI/ml) war das TSH bei den ehemaligen FG signifikant höher (p<0.005), ebenso das fT4 (p<0.002). Gestillt waren im Alter von korrigiert 3 Monaten noch 19% der Patienten, teilgestillt 21%, ausschließlich Formula erhielten 60%. Jodid in der Stillzeit hatten trotz Empfehlung nur 44% der stillenden Mütter eingenommen. Bezüglich der somatischen Parameter, der psychomotorischen Entwicklung sowie der Verhaltensparameter konnte kein Unterschied zwischen Kindern mit und ohne TSH-Erhöhung festgestellt werden. Der Patient mit der entdeckten Hypothyreose wurde mit Thyroxin substituiert, die Patienten mit TSH-Erhöhung erhielten zusätzlich 50µg Jodid täglich.

Schlussfolgerung: Ein Drittel der hier untersuchten ehemals sehr kleinen Frühgeborenen zeigte eine latente Hypothyreose. Wir vermuten, dass in einem milden Jodmangelgebiet die Versorgung mit Jodid über Muttermilch bzw. Säuglingsnahrung bei diesen Kindern nicht ausreichte und daher eine zusätzliche Jodidsupplementierung erforderlich war. Eine Kontrolle der Schilddrüsenwerte ehemals sehr kleiner Frühgeborener im Alter von korrigiert 3 Monaten erscheint sinnvoll, um Kinder mit behandlungsbedürftiger Hypothyreose zu identifizieren.