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DOI: 10.1055/s-2005-837580
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Translationale Forschung - Was ist das?
Translational Research - What's that?Publication History
Publication Date:
18 May 2005 (online)
Die translationale Forschung beschäftigt sich mit der Überführung grundlagenwissenschaftlicher Erkenntnisse in die klinische Anwendung. Ferner soll sie grundlagenwissenschaftliche Fragestellungen aus der klinischen Beobachtung heraus erarbeiten und diese mit wissenschaftlichen Methoden beantworten. Der folgende Artikel möchte zum einen die enormen Potenziale kurz beleuchten, die sich hinter diesem Forschungszweig verbergen und zum anderen auch auf strukturelle Voraussetzungen für die Durchführung effektiver translationaler Forschung eingehen.
Die Voraussetzung für die klinische Anwendung grundlagenwissenschaftlicher Erkenntnisse wurden vor allem in den 80er- und 90er-Jahren gelegt. In dieser Zeit kam es zu einer exponentiellen Entwicklung gentechnologischer und molekularbiologischer Analysemethoden. Diese breite methodische Basis schuf enorme Erkenntnisgewinne über die Tumorbiologie und die Tumorgenetik. Erst in den letzten Jahren erkannte man die enorme Bedeutung epigenetischer Phänomene für die Krebsentstehung selbst und für die Ausbildung von Metastasen. Im Rahmen der molekularen Diagnostik vergehen im Durchschnitt ca. zehn Jahre intensiver Forschung, bis einzelne grundlagenwissenschaftliche Aspekte Eingang in die klinische Diagnostik finden. Die Entwicklung tumorspezifischer molekularer Therapeutika nimmt noch einmal im Durchschnitt weitere zehn Jahre Zeit in Anspruch, da der Weg bis zur erfolgreichen therapeutischen Anwendung über die Phase-I-III-Studien sehr lang und aufwändig ist. In den 70er- und 80er-Jahren wurden zahlreiche verschiedene Onkogene und Tumorsuppressor-Gene sowie Tumorzellrezeptoren isoliert und charakterisiert sowie ihre Bedeutung für die Prognose der Erkrankung untersucht. Einer der ältesten Prognosefaktoren ist der Östrogen- bzw. der Progesteron-Rezeptor beim Mammakarzinom, so dass es nicht verwundert, dass auf der therapeutischen Ebene translationaler Forschung die rezeptorspezifische Tamoxifen-Behandlung eine der ersten tumorspezifischen Krebstherapien überhaupt darstellte. Der enorme Heilungserfolg dieser Monotherapie im Vergleich zu unspezifischen Onkotherapien unterstrich sehr früh das Potenzial tumorspezifischer Therapieansätze. Über die Entdeckung von Zellzyklus- und Apoptose-Regulatoren in der Folgezeit bewegte sich die Grundlagenforschung mehr und mehr hin zu EDV-unterstützter Hochdurchsatz-Analytik von Genexpression und Proteinexpression. Neue Forschungsbereiche wie die Bioinformatik und Biotechnologie sowie die molekulare Epidemiologie schufen die Voraussetzungen, an einzelnen Tumoren nicht nur wenige Faktoren, sondern hunderte bis tausende von verschiedenen Gentranskripten zu analysieren. Die enorme Menge von generierten Daten führte schnell zur selbstkritischen Reflexion, dass sehr solide prospektive Analysen und Studien notwendig sind, um aus dieser Datenfülle auch die richtigen Rückschlüsse zu ziehen. Insofern ist hier noch weitere translationale Forschung notwendig.
Die Klonierung der Brustkrebsgene BRCA 1 und 2 bildete die Voraussetzung für die Generierung eines multiuniversitären deutschen Konsortiums zum familiären Mamma- und Ovarialkarzinom-Risiko. Interdisziplinäre Arbeitsgruppen, bestehend aus Frauenärzten, Humangenetikern, Radiologen, Psychosomatikern, Biologen und Pathologen schufen ein flächendeckendes Beratungsnetzwerk unter Einschluss der BRCA-1- und -2-Testung auf mögliche Mutationen. Bis dato wurden bereits über 10 000 Beratungen deutschlandweit im Konsortium durchgeführt. Fast 7000 Frauen erfüllten hierbei die Einschlusskriterien für das Vorliegen eines familiären Risikos. Es wurden über 3000 BRCA-1- und -2-Mutationsanalysen durchgeführt und bei über 900 Frauen eine Mutation diagnostiziert. 331 Frauen aus Familien mit nachgewiesener BRCA-1- oder -2-Mutation wurden prädiktiv negativ getestet und konnten informiert werden, dass ihr Brustkrebsrisiko entgegen ihrer Befürchtung nicht überdurchschnittlich ist. Die Arbeit des Konsortiums ist ein gutes Beispiel dafür, wie grundlagenwissenschaftlicher Erkenntnisgewinn in der Molekulargenetik unmittelbar klinisch genutzt werden kann.
Die komplette Genexpressionsanalyse von Tumoren mithilfe von Genchip-Arrays konnte in zahlreichen Einzelstudien bereits andeuten, welches Potenzial für die prognostische Einschätzung eines Tumors oder sogar auch die prädiktive Einschätzung einer Therapie die neue Array-Technologie bietet. Es wurde jedoch auch deutlich, dass die Reproduzierbarkeit dieser Methodik nicht ausgereift genug ist, um den klinischen Einsatz dieser Methodik bereits zu rechtfertigen. Noch im Jahr 2005 wird eine von der Breast International Group organisierte prospektiv randomisierte adjuvante Mamma-Ca.-Studie starten, die die prädiktive Bedeutung einer 70-Gen-Expressionsanalyse mit den St.-Gallen-Kriterien vergleichen wird.
Ein Beispiel für einen Prognosefaktor, der bereits im Rahmen einer prospektiv randomisierten Studie seine Bedeutung unterstrichen hat, ist die Expression der Proteasen/Proteaseinhibitoren uPA/PAI 1 beim Mammakarzinom. Die uPA/PAI-1-Expression wird derzeit im Rahmen einer prospektiv randomisierten Phase-III-Studie in der adjuvanten Therapie des Mammakarzinoms im Rahmen der NNBC3-Studie überprüft (Node negative breast cancer 3). Ziel dieser Studie ist es, einem größeren Anteil von Frauen mit intermediärem Risiko nach St. Gallen eine Chemotherapie zu ersparen, sofern nur eine minimale uPA/PAI-1-Expression vorliegt. Die Vorläuferstudien haben bereits gezeigt, dass bei niedriger uPA/PAI-1-Expression und negativem Nodalstatus die Prognose der Patientinnen auch ohne Chemotherapie bereits exzellent ist.
Voraussetzung für die Entwicklung tumorspezifischer Therapieansätze war die genaue Kenntnis spezifischer Rezeptoren und intratumoraler Signalwege. Eine Reihe von onkogenen Signalwegen ist bereits analysiert. Auf jeder Ebene der tumorzellulären Signalübertragung werden antitumorale Therapeutika getestet. Erfolgreichstes Beispiel einer tumorspezifischen Therapie ist die Therapie mit Trastuzumab, einem Antikörper gegen den Her2/neu-Rezeptor beim Mammakarzinom. Auf der Ebene der Signalkaskade sind so genannte „small molecules“, verschiedene Farnesyltransferase-Hemmer oder auch blockierende Miniantikörper in präklinischer und klinischer Erprobung. Die Expression von onkogenen Proteinen versucht man über kleine interferierende RNA-Moleküle zu hemmen. In letzter Zeit sind Therapeutika in Erprobung, die sich auf die Methylierung und Demethylierung von Promotoren und auf die Deacetylierung des Histon-Komplexes konzentrieren. Beide Prozesse spielen eine entscheidende Rolle bei der Aktivierung der Gentranskription. Zuletzt wird versucht, die Defekte onkogener Proteine, die Metastasierung, Neoangiogenese und Tumor-Regenese durch immuntherapeutische und gentherapeutische Verfahren zu hemmen.
Es wird eine der Herausforderungen zukünftiger Studien sein, die Vielzahl neuer Therapieansätze im richtigen klinischen Ansatz zu überprüfen. Nicht jede Targeting-Strategie vermag ihr Potenzial im austherapierten Stadium mit großer Tumormasse zu demonstrieren, obwohl sie bei minimalem Tumorrest in der adjuvanten Situation vielleicht effektiv nutzbar wäre. Einer der neuesten therapeutischen Ansätze beschäftigt sich mit dem Einsatz tumorspezifischer Adenoviren. Bei diesen tumorspezifischen so genannten konditional replikativen Adenoviren wird die Virusreplikation selbst als Waffe gegen die Tumorzelle eingesetzt. Eine spezielle genetische Veränderung des adenoviralen Genoms schafft die Voraussetzung dafür, dass sich die Adenoviren zwar in den Tumorzellen ungehemmt ausbreiten können und diese zerstören, jedoch die normalen gesunden Zellen nicht attackiert werden können. Auch hierzu laufen bereits mehrere klinische Studien.
Prof. Dr. Peter Dall
Universitäts-Frauenklinik
Heinrich-Heine-Universität
Moorenstraße 5
40225 Düsseldorf
Email: dall@med.uni-duesseldorf.de