Handchir Mikrochir Plast Chir 2005; 37(4): 284-285
DOI: 10.1055/s-2005-865862
Brief an die Herausgeber

Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Tennisellenbogen

Tennis ElbowH. Assmus1
  • 1Neurochirurgische Gemeinschaftspraxis, Dossenheim/Heidelberg
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Eingang des Manuskriptes: 7.4.2005

Angenommen: 10.4.2005

Publication Date:
08 September 2005 (online)

Im Hinblick auf die große praktische Bedeutung der Behandlung des Tennisellenbogens (Inzidenz von 1 bis 9 % und Prävalenz von bis zu 10 % in der vierten Lebensdekade [[24]]) kann die kürzlich in dieser Zeitschrift wieder vertretene einseitige Auffassung der neurogenen Ätiologie des „Tennisellenbogens“ nicht unwidersprochen hingenommen werden. Wenn Smola [[21]] bei einer geringen Anzahl von sieben Patienten den N. interosseus posterior „dekomprimiert“, jedoch bei 84,8 % der Patienten gleichzeitig eine Denervierung des lateralen Epikondylus durchführt und hiermit ebenso wie mit der Denervierung allein eine ungewöhnlich hohe Erfolgsquote von mehr als 90 % hat, kann er mit dieser Darstellung kaum beweisen, dass es sich bei der Epicondylitis humeri lateralis ausschließlich um ein neurogenes Kompressionssyndrom handelt. Mit lediglich drei Zitaten ignoriert der Autor außerdem die sehr zahlreiche Literatur zu diesem Thema. Ähnlich einseitig verfährt Wilhelm [[25]] in seiner ausführlichen Kommentierung der Arbeit, in der er die Meinung vertritt, dass die ausschließlich neurogene Pathognese der Epicondylitis humeri lateralis bewiesen sei. Er beruft sich hierbei auf eine einzige Arbeit [[12]], die diskrete elektroneurographische Veränderungen beim Radialistunnelsyndrom beschrieben hatte. Da durch den von Wilhelm favorisierten Begriff des „Syndroms der Supinatorarkade“ allenfalls eine Kompression des motorischen Astes des N. radialis, die beim Tennisellenbogen keine Rolle spielt, erklären könnte, benötigt der Autor zusätzliche Hilfskonstrukte („… weiter proximal gelegene Störzonen des N. radialis und seiner Ursprungfaszikel“). Die hier ins Spiel gebrachten Affektionen des N. radialis am Oberarm, das TOS und radikuläre Syndrome stellen jedoch allenfalls neurologische Differenzialdiagnosen dar! Nicht nur von neurologischer Seite wird die neurogene Ursache des Tennisellenbogens vehement bezweifelt (Rosenbaum [[19]], Stöhr [[23]]). Die Ergebnisse der Neurolyse des N. interosseus posterior sind bei anderen Untersuchern wenig ermutigend, die Komplikationsrate ist beträchtlich (De Smet und Mitarb. [[4]], Sotereanos und Mitarb. [[22]]). Die letztlich noch ungeklärte Pathogenese belegen zahlreiche kritische Arbeiten, u. a. die von Boyer und Hastings [[2]] und Cochrane-Studien [[8]].

Demgegenüber beschreiben mehrere Arbeiten morphologische Veränderungen der Sehnen und Sehnenansätze (Galliani und Mitarb. [[7]], Kraushaar und Nirschl [[11]]). Neueste histopathologische Untersuchungen ergaben Hinweise auf strukturelle Veränderungen der Sehnen der Mm. extensor carpi radialis brevis, extensor digitorum communis und pronator teres und ihrer Ansätze (Milz und Mitarb. [[14]], Nirschl und Ashman [[15]]), die sich auch im MRT nachweisen lassen (Potter und Mitarb. [[17]]). Alle Behandlungsverfahren, auch die zahlreichen konservativen, sind umstritten (Assendelft und Mitarb. [[1]]). Systematische Reviews und randomisiert-kontrollierte Studien zeigen bei der Behandlung des Tennisellenbogens mittels nicht-steroidaler Antiphlogistika, physikalischer Therapie, Physiotherapie, Orthesen, Akupunktur und Corticoid-Applikation über die akute Phase von sechs Monaten hinaus keine Evidenz (Theis und Mitarb. [[24]]). Eine Cochrane-Studie bemängelt das Vorliegen kontrollierter Studien und somit auch den Wirksamkeitsnachweis jedweder operativen Behandlung (Buchbinder und Mitarb. [[3]]). Eine randomisierte Studie, die die Dekompression des N. interosseus posterior mit einer Verlängerung der Sehne des M. extensor carpi radialis vergleicht, kam lediglich auf eine Erfolgsquote von 60 % (Leppilahti und Mitarb. [[13]]).

Im Hinblick auf Risikoabwägung und Kosten-Nutzen-Verhältnis sollte man daher keinen aufwändigen und für den Patienten risikoreichen Eingriff wie die Exploration des N. interosseus posterior empfehlen - dies gilt auch eingeschränkt für die „indirekte Dekompression“ nach Wilhelm -, sondern vielmehr überlegen, ob es nicht besser wäre, einen Schmerzeingriff, der wegen persönlichkeitsbezogener Faktoren nie bei allen Patienten erfolgreich sein kann, zu minimieren und weniger invasive Methoden zu favorisieren (bis hin zur „Wait-and-see-Einstellung“ [[10]]. Der bewährte Eingriff nach Hohmann kann variiert werden, z. B. minimal-invasiv (Dunkow und Mitarb. [[5]]). Wir praktizieren seit vielen Jahren erfolgreich eine in Lokalanästhesie durchgeführte „zirkuläre Denervierung“ des lateralen Epikondylus beziehungsweise der Sehnenansätze durch unkontrollierte Thermokoagulation (unveröffentlicht). Diese Eingriffe haben nur eine geringe postoperative Morbidität und erfordern keine postoperative Ruhigstellung. Neben der noch kontrovers diskutierten (Theis und Mitarb. [[24]]), wahrscheinlich ebenfalls wirksamen Stoßwellenbehandlung (Rompe und Mitarb. [[18]]) gibt es weitere interessante Vorschläge zur Behandlung der chronischen Epikondylitis wie die Eigenblutinjektion (Edwards und Calandruccio [[6]]) oder die Injektion von Botulinum-Toxin (Keizer und Mitarb. [[9]], Placzek und Mitarb. [[16]]).

Literatur

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  • 14 Milz S, Tischer T, Buettner A, Schieker M, Maier M, Redman S, Emery P, McGonagle D, Benjamin M. Molecular composition and pathology of entheses on the medial and lateral epicondyles of the humerus: A structural basis for epicondylitis.  Ann Rheum Dis. 2004;  63 1015-1021
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  • 16 Placzek R, Lindner M S, Deuretzbacher G, Meiss A L. Therapie der chronischen Epicondylopathia humeri radialis mit Botulinumtoxin A. Eine Therapiestudie mit 2 Jahren Nachuntersuchungszeitraum.  Z Orthop. 2004;  142 701-705
  • 17 Potter H G, Hannafin J A, Morvessel R M, DiCarlo E F, O'Brien S J, Altchek D W. Lateral epicondylitis: Correlation of MR imaging, surgical, and histopathological findings.  Radiology. 1995;  196 43-46
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  • 19 Rosenbaum R. Disputed radial tunnel syndrome.  Muscle Nerve. 1999;  22 960-967
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  • 21 Smola C. Zur Problematik des „algetischen Supinatorsyndroms“ oder „Wo hört der Tennisarm auf und wo fängt das Supinatorsyndrom an?“.  Handchir Mikrochir Plast Chir. 2004;  36 241-245
  • 22 Sotereanos D G, Varitimidis S E, Giannakopoulos P W, Westkaemper J G. Results of surgical treatment for radial tunnel syndrome.  J Hand Surg [Am]. 1999;  24 566-570
  • 23 Stöhr M. Nerven-Engpass-Syndrome - Qualitätsanforderungen an die neurologische und neurophysiologische Diagnostik.  Handchir Mikrochir Plast Chir. 2002;  34 269-274
  • 24 Theis C, Herber S, Meurer A, Lehr H A, Rompe J D. Relevanz der Leitlinien zur Therapie der Epicondylitis humeri lateralis unter dem Blickwinkel randomisiert-kontrollierter Studien.  ZFO - Orthopädie aktuell. 2005;  e-published
  • 25 Wilhelm A. Kommentar zur Arbeit von C. Smola: Zur Problematik des „algetischen Supinatorsyndroms“ oder „Wo hört der Tennisarm auf und wo fängt das Supinatorsyndrom an?“.  Handchir Mikrochir Plast Chir. 2005;  37 67-71

Dr. med. Hans Assmus

Neurochirurgische Gemeinschaftspraxis

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