Psychiatr Prax 2005; 32(6): 311-312
DOI: 10.1055/s-2005-915503
Fortbildung und Diskussion
Aktuelle Psychiatrie
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SSRIs und Suizidrisiko

SSRI and Suicidal Risk
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Publication Date:
23 August 2005 (online)

 

An die Redaktion

Suizide bei Kindern sind selten. Im Gegensatz zu Erwachsenen sind bei Jugendlichen die Suizidraten - wenn auch immer noch erschreckend hoch - tiefer, die Suizidversuchsraten jedoch höher. Schon dadurch wird ersichtlich, dass suizidales Verhalten in seiner ganzen Bandbreite bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern nicht in einen Topf geworfen werden darf.

In der aktuellen Diskussion kommen nun die Antidepressiva aus der Gruppe der Serotoninwiederaufnahmehemmer in den Verdacht, bei Kindern und Jugendlichen das Risiko für suizidales Verhalten zu erhöhen. Eine Hypothese, die durchaus kontrovers diskutiert wird. Die Studienlage bei Kindern und Jugendlichen ist gelinde gesagt dürftig. In der Suizidprävention bei Erwachsenen ist die adäquate Behandlung von an Depressionen erkrankten Menschen mit Antidepressiva unumstritten. Damit in der aktuellen Diskussion nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird, brauchen wir dringend mehr Informationen!

In diese Bresche springen Isacsson, Holmgren und Ahlner vom Karolinska University Hospital in Schweden mit ihrem Artikel. Aus einer umfassenden forensischen Datenbank standen Toxikologieresultate von knapp 15000 Suiziden und knapp 27000 Todesfällen durch Unfälle oder natürliche Todesursachen zur Verfügung. Die Daten wurden zwischen 1992 und 2000 erfasst. Routinemäßig wurde auf 200 Substanzen gescreent. Bei den Suiziden fand man in etwas mehr als 3000 Personen Antidepressiva, bei den "Kontrollen" 1538 Personen.

Bei den Suiziden wurden erwartungsgemäß häufiger Antidepressiva nachgewiesen als bei den "Kontrollen". Allerdings lag diese gesteigerte Wahrscheinlichkeit bei den SSRIs tiefer als bei den anderen Antidepressiva.

Bei den unter 15-Jährigen fanden sich in keinem Fall SSRIs. Die tiefe Fallzahl von 52 Suiziden in dieser Altersgruppe vermindert jedoch die Aussagekraft. In der Gruppe der 15-19-Jährigen war das relative Risiko in der Suizidgruppe wie bei den Erwachsenen für SSRIs tiefer als für die anderen Substanzen. Die These, dass der Gebrauch von SSRIs im Vergleich zu anderen Antidepressiva zu einem Anstieg des Suizidrisikos führt, konnte somit in keiner Altersgruppe gestützt werden. Die Resultate werden sehr differenziert und kritisch diskutiert. Es wird auch bezug genommen auf Besonderheiten in der Schwedischen Verordnungspraxis.

Die Tatsache, dass bei den erwachsenen Suizidtoten in 23%, bei den Kindern in 13% und bei den Jugendlichen in 4% (!) Antidepressiva nachgewiesen wurden, deutet stark darauf hin, dass die Unterbehandlung von Depressionen weiterhin ein großes Problem darstellt. Dass das suizidpräventive Kind nicht mit dem verordnungskritischen Bade ausgeschüttet wird, stellt zurzeit an alle mit Kindern und Jugendlichen psychiatrisch arbeitenden Kolleginnen und Kollegen eine große Herausforderung dar. Ich kann mich dem Wunsch der Autoren nur anschließen: "It is therefore extremely important that non-evidence-based claims of risks associated with SSRIs be rapidly either verified or refuted."