Geburtshilfe Frauenheilkd 1995; 55(12): 687-694
DOI: 10.1055/s-2007-1022315
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Laparoskopisches „Anoperieren“ von ovariellen Malignomen

Erfahrungen aus 127 deutschen FrauenklinikenLaparoscopic Management of Ovarian MalignomasG. Kindermann, V. Maaßen, W. Kuhn1
  • I. Universitäts-Frauenklinik und Hebammenlehranstalt (Direktor: Prof. Dr. med. G. Kindermann) Klinikum Innenstadt, Ludwig-Maximilians-Universität München
  • 1Universitäts-Frauenklinik Göttingen (Direktor: Prof. Dr. med. W. Kuhn)
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Publication Date:
17 June 2008 (online)

Zusammenfassung

Das laparoskopische/pelviskopische „Anoperieren“ eines Ovarialkarzinoms, Tubenkarzinoms, Dysgerminoms oder malignen Teratoms sowie eines Borderline-Tumors des Ovar ist ein im Prinzip unerwünschtes Ereignis, da wichtige für die onkologische Sicherheit notwendige Standards bei der endoskopischen Technik bewußt vernachlässigt bzw. übergangen werden. Das laparoskopische „Anoperieren“ von malignen Adnextumoren erscheint ein hinsichtlich der Häufigkeit unterschätztes Ereignis. Bei einer Umfrage unter 273 deutschen Frauenkliniken und Geburtshilflich-Gynäkologischen Abteilungen antworteten 127 Kliniken (46%). Von ihnen berichteten 60% (76 Kliniken) über eigene Erfahrungen in 192 Fällen von Ovarialkarzinomen, Tubenkarzinomen, Borderline-Tumoren, Dysgerminomen und malignen Teratomen. In der ganz überwiegenden Mehrzahl wurde dabei endoskopisch „offen“ mit dem Tumor intraabdominal umgegangen, also durch Eröffnung der Kapsel, Biopsie und Zerkleinerung des Tumors (Morcellement), Absaugen des Tumor- und Zysteninhaltes, Ausschälen der Zyste oder Adnektomie sowie anschließende Spülung des Abdomens mit physiologischer Kochsalzlösung gearbeitet. Bei Ovarialmalignomen im Stadium Ia, also mit intakter Kapsel und ohne Ausbreitung im Abdomen, wurde nur in 6 von 81 Fällen (7,4%) mit der Bergebeuteltechnik (Endobag) versucht, eine unerwünschte Kontamination des Bauchraumes mit Tumorgewebe zu verhindern. Diese Technik schnitt hinsichtlich Impfmetastasen oder intraabdominaler Progression von „endoskopisch anoperierten“ Malignomen deutlich besser ab. Kapselruptur, Tumor-Morcellement, die damit nicht verhinderbare intraabdominale Kontamination, führten in allen Stadien des Ovarialkarzinoms, Stadium Ia - III, zu nachweisbaren Implantationen, Metastasen und Progression. Als zweiter gravierender Fallstrick erwies sich, wenn die nachfolgende Radikaloperation länger als 8 Tage nach dem endoskopischen Vorgehen verzögert wurde. Bei mehr fortgeschrittenen Stadien des Ovarialkarzinoms (50 Fälle), dem Stadium Ic - III, kam es dann in 52% (13 von 25 Patientinnen) zu Impfmetastasen in den Operationskanälen (Nabel, Unterbauch), einer Verschiebung in Stadium IV. Beim Ovarialkarzinom Stadium Ia und „offenem endoskopischem Anoperieren“ sowie einer Verzögerung von mehr als 8 Tagen kam es in 73 % (26 von 36 Patientinnen) zu einer bei diesem Zweiteingriff bereits nachweisbaren schnellen Progression, dabei in 53% (19/36 Pat.) zu Stadium II und III. Auch Borderline-Tumoren, die nicht mit der Endobag-Methode, sondern in dieser Weise „offen“ endoskopisch angegangen waren, wiesen in der Hälfte (5 von 10 Patientinnen) dann vorher endoskopisch nicht diagnostizierte Implantate im Becken, Mittel- und Oberbauch (Stadium II und III) auf. Die bei dieser frühen „Nachsorge“ angefallenen Beobachtungen während der Zweitoperation weisen alarmierend auf die grundsätzlichen Gefahren des „endoskopischen Anoperierens“ von Ovarialmalignomen und Borderline-Tumoren durch intraabdominale Tumoraussaat hin und zeigen, daß auch die nach solchem Vorgehen erfolgte Spülung des Abdominalraumes mit physiologischer Kochsalzlösung kein ausreichender Schutz gegen eine iatrogene Metastasierung und Progression ist. Wenn in 84 % der berichteten Borderline-Tumoren, Stadium Ia (58 Fälle), keine nachteiligen Folgen des endoskopischen Vorgehens zum frühen Zeitpunkt beschrieben sind (Zweitoperation) und in 61 % der Ovarialkarzinome, Stadium Ia (74 Fälle), so ist zumindest vorläufig auch bei diesen „negativen“ Berichten innerhalb der Umfrage in deutschen Frauenkliniken nicht die Schlußfolgerung erlaubt, daß das laparoskopische Management bei diesen Patientinnen harmlos bzw. risikolos gewesen ist. Eine sorgfältige weitere Tumornachsorge müßte dies erst bestätigen. Aber der bereits zu diesem frühen Zeitpunkt der Nachsorge alarmierend hohe Anteil von gravierenden Folgen des „endoskopischen Anoperierens“ von ovariellen Malignomen belegt, daß die derzeit praktizierte endoskopische Chirurgie solcher Läsionen nicht nur theoretisch, sondern auch hinsichtlich ihrer praktizierten Konsequenzen den gesicherten Standards einer gynäkologischen Onkologie widerspricht. Soll die endoskopische Chirurgie von Ovarialtumoren beibehalten werden, müssen Defizite in der Technik und im postendoskopischen Vorgehen abgebaut, mehr Diskussion über Qualitätskontrollen, Richtlinien, im Interesse der Sicherheit der Patientinnen eingeführt werden. Ziel muß sein, wieder zur Methode einer unversehrten Entfernung von Geschwülsten des Eierstocks zurückzukehren. Das derzeit offensichtlich praktizierte Vorgehen muß nach den von deutschen Kliniken berichteten Folgen als obsolet gelten.

Abstract

A controversial discussion has arisen between endoscopists and oncologists about laparoscopic management of ovarian cancer and borderline tumours. A questionnaire was mailed to 273 German Departments of Gyn./Obst. A response rate of 46% (127 hospitals) was obtained concerning the endoscopical technique used, the kind and delay of post-endoscopical cancer operation and the early findings (follow-up) in cases of ovarian cancer, dysgerminoma, malignant teratoma, tubal cancer and borderline tumours of the ovary. In this German survey it could be shown that laparoscopic management of malignant ovarian tumours was not uncommon between 1991-1994. Totally, 61% of ovarian cancer stage Ia and 84 % of ovarian borderline tumours stage Ia have been reported without any pathological finding in laparotomy subsequent to laparoscopic management of the lesions. The 192 cases cited here are undoubtedly an underestimate of the real present frequency of endoscopically managed ovarian malignancies. Patients with this early “negative” report should be followed up carefully and may not permit conclusions that laparoscopic management of ovarian malignancies may be harmless for them. In 16% of the stage Ia borderline tumours and in 39% of the stage Ia ovarian cancer early spread has been found totally, demonstrating that implantations and metastases subsequent to the endoscopical procedure can be found even in an early follow-up phase. In 92.4% laparoscopic capsule rupture, tumour morcellement with intraabdominal spilling, subsequent cystectomy or adnectomy had been the technique of choice with additional rinsing of the intraabdominal cavity. This was harmful for the majority of patients if the subsequent cancer surgery by laparotomy was delayed for more than 8 days. Early progression of these cases to stage Ic has been reported in 20% (7/36 cases) and to stage II - III in 53% (19/36 cases). Only in 7.4% the endobag procedure was used in laparoscopic management of ovarian cancer stage Ia. In ovarian cancer stage Ic-III (n = 50) an early seeding in the laparoscopic tract was reported in 52% (13/25) if subsequent cancer surgery by laparotomy was delayed more than 8 days. The endoscopical techniques and the early findings after an endoscopical management are reported in detail. In conclusion, in respect of common oncological standards the actual practice in laparoscopic management of ovarian malignancy is considered poor surgery. Capsule rupture, tumour morcellement and unprotected “biopsy” in the intraabdominal cavity and an additional delay of adequate cancer surgery are the main pitfalls of that procedure. For the overwhelming majority of patients undergoing such endoscopical procedures very early implants and metastases in the pelvis, the abdominal cavity or the laparoscopic tract have been found. It seems necessary that laparoscopic management of ovarian malignancies and borderline tumours under the present technical conditions are given up and that we should return to reliable standards of oncological surgery comparable to laparotomy. This should be discussed urgently.