Klin Padiatr 2007; 219(3): 173-178
DOI: 10.1055/s-2007-973844
Berichte der GPOH

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Positionspapier der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) zu (Langzeit-)Nachbeobachtung, (Langzeit-)Nachsorge und Spätfolgenerhebung bei pädiatrisch-onkologischen Patienten

Positionpaper of the Society of Pediatric Oncology and Hematology (GPOH) on (Long-Term) Surveillance, (Long-Term) Follow-Up and Late Effect Evaluation in Pediatric Oncology PatientsG. Calaminus 1 , P. Kaatsch 2 [*]
  • 1Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Klinik für Kinder-Onkologie, -Hämatologie und Klinische Immunologie, Düsseldorf
  • 2Deutsches Kinderkrebsregister der Universität Mainz
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Publication History

Publication Date:
25 May 2007 (online)

Einführung

Therapieoptimierungsstudien und Spätfolgenforschung

Mit der immer größer werdenden Gruppe der (Langzeit-)Überlebenden nach Krebs im Kindesalter [4] 2003 treten Fragen im Hinblick auf mögliche Spätfolgen, sekundäre maligne Erkrankungen oder zur Lebensqualität und Lebenssituation zunehmend in den Vordergrund. Zur Beantwortung dieser Fragen sind Studien unter Einbeziehung von (Langzeit-)Überlebenden notwendig und erhalten damit einen besonderen Stellenwert [6].

In den Ländern, die in der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) repräsentiert sind, richten sich diese Fragestellungen auf ehemalige Patienten aus dem Behandlungszeitraum der letzten drei Dekaden, was in etwa der Zeitspanne der Entstehung der Therapieoptimierungsstudien für die Behandlung bösartiger Erkrankungen in der Kinderonkologie entspricht. Innerhalb dieses Zeitraums wurden die Therapien dem Stand des Wissens stetig angepasst, so dass auch entsprechende Veränderungen im Spätfolgenprofil im Zeitverlauf zu erwarten sind [5]. Ebenfalls innerhalb dieses Zeitraumes haben sich in der Pädiatrischen Onkologie neben den Therapieoptimierungsstudien (TOS) auch andere Strukturen gebildet, die im Bereich der Spätfolgenforschung arbeiten [1]. Erkenntnisse, die sich daraus bereits ergeben haben, sind bei der Gestaltung neuerer Therapien berücksichtigt worden.

Weiterhin besteht mit der größer werdenden Zahl der (Langzeit-)Überlebenden jetzt die Möglichkeit, psychosoziale Beeinträchtigungen an definierten Risikogruppen in ausreichend großer Fallzahl zu erfassen sowie die Reintegration in die Gesellschaft zu evaluieren. Die Beantwortung dieser Fragestellungen findet ebenso zunehmend Eingang in die Therapieoptimierungsstudien (TOS).

Die unter dem Begriff Quality of Survival subsummierten Parameter, die den Gesundheitszustand des Patienten und seine Reintegration in die Gesellschaft bezeichnen, erlangen proportional zu der Zahl der Langzeitüberlebenden zusätzlich zu den individuellen Aspekten auch eine sozioökonomische Bedeutung.

Die Aufgaben der Fachgesellschaft

Die satzungsgemäßen Aufgaben der GPOH sind „die Erforschung von Wesen, Diagnostik und Therapie von Tumor- und Blutkrankheiten des Kindes- und Jugendalters sowie die Verbesserung der erforderlichen Strukturen”[8].

Neben der Weiterentwicklung der Diagnostik und der Therapieoptimierung dienen auch die Nachbeobachtung und Nachsorge der Erfüllung der satzungsgemäßen Aufgaben. Hierzu zählen auch die Erkennung von Rückfällen sowie die Erhebung krankheits- und therapieassoziierter Spätfolgen sowie das Auftreten sekundärer maligner Neoplasien (SMN) und nicht-maligner Folgeerkrankungen (z. B. Osteoporose, Niereninsuffizienz, Herzkreislauferkrankungen, Infertilität). Die Beeinflussung der psychosozialen Reintegration der Patienten durch krankheits- und therapieassoziierte Spätfolgen ist ebenfalls zu evaluieren.

Unter der Führung der Fachgesellschaft GPOH sind für die deutschsprachigen Länder Strukturen, die diese Fragestellungen bearbeiten können, bereits geschaffen worden. Zu nennen sind hier die teilweise mehr als zwei Jahrzehnte bestehenden TOS der GPOH, das für Deutschland seit 1980 etablierte Deutsche Kinderkrebsregister (DKKR) und andere Arbeitsgruppen wie das Register zur Erfassung radiogener Spätfolgen (RISK), das Late Effects Surveillance System (LESS) und die Arbeitsgruppe Lebensqualität (AG Lebensqualität). Darüberhinaus sind spezifische Projekte bei ehemaligen Patienten nach Morbus Hodgkin initiiert worden, die sich mit der Erfassung von Spätfolgenprofilen in der Langzeitnachbeobachtung beschäftigen.

Für die Betrachtung der verschiedenen von den genannten Strukturen bearbeiteten Aspekte sind die Begriffe, die die Inhalte der (Langzeit-)Nachbeobachtung und (Langzeit-)Nachsorge beschreiben, bisher nicht definiert. Eine genaue Abgrenzung dieser Begriffe für dieses Positionspapier ist notwendig. Ebenso bedarf es der Definition und expliziten Festlegung der entsprechenden Zuständigkeiten und der Inhalte, die durch TOS, Register und Projekte (im hier gemeinten Kontext arbeitende Arbeitsgruppen) zu bearbeiten sind.

Arbeitsauftrag zur Erstellung des Positionspapiers

Durch die zunehmende Anzahl von Förderungsanträgen in diesem Kontext entstand die Notwendigkeit für die GPOH, sich mit der Aufgabenabgrenzung der diversen Arbeitsgruppen ebenso wie mit den Möglichkeiten von Synergieentwicklungen eingehender zu befassen. Der GPOH -Vorstand hat Frau Dr. Calaminus und Herrn Dr. Kaatsch damit beauftragt, eine mögliche Koordinations- und Vernetzungsstruktur der im hier gemeinten Kontext arbeitenden Arbeitsgruppen zu beschreiben und ein Positionspapier der GPOH zu (Langzeit-)Nachbeobachtung und (Langzeit-)Nachsorge von pädiatrisch-onkologischen Patienten vorzubereiten.

Dieser Arbeitsauftrag berücksichtigt auch eine Anfrage der Deutschen Kinderkrebsstiftung, die den Bereich der Nachsorge als einen förderwürdigen Bereich definiert hat und die Projektanträge aus diesem Bereich zur Förderung erhält. Die Deutsche Kinderkrebsstiftung hat die GPOH gebeten, einen Überblick zu geben, welche Strukturen und Projekte in dem Kontext der (Langzeit-)Nachbeobachtung und (Langzeit-)Nachsorge aus Sicht der GPOH erforderlich und wünschenswert sind, um einen Entscheidungsrahmen für die Deutsche Kinderkrebsstiftung zu bilden.

Eine wesentliche Vorarbeit zu diesem Positionspapier bestand in der Sichtung und Beschreibung der an der (Langzeit-)Nach-beobachtung und (Langzeit-)Nachsorge beteiligten Arbeitsgruppen. Namentlich sind dies in Bezug auf die in den TOS gestellten Fragestellungen zu Spätfolgen die TOS selbst, das Morbus-Hodgkin-Spätfolgenprojekt und studienübergreifend die Gruppe Late Effects Surveillance System (LESS), das Register zur Erfassung radiogener Spätfolgen (RISK), die Arbeitsgruppe Lebensqualität (AG Lebensqualität) und das Deutsche Kinderkrebsregister (DKKR).

Zur Abstimmung des Vorgehens mit allen Beteiligten fanden im Vorfeld drei Treffen von Vertretern der GPOH und der TOS, von Leitern behandelnder Kliniken sowie von Vertretern von LESS, RISK, der AG Lebensqualität, dem DKKR und dem Morbus-Hodgkin-Spätfolgenprojekt in verschiedenen Zusammensetzungen statt.

Die auf der Grundlage dieser Treffen entstandene Version des Positionspapiers wurde im Rahmen der gemeinsamen Struktur- und Jahrestagung der GPOH und des Kompetenznetzes Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (KPOH) (30.3.2006, Hannover) vorgestellt, diskutiert und überarbeitet. Es beschreibt u. a. die Strukturen zur Erfassung, Erforschung und Vermeidung von Spätfolgen für alle Patienten innerhalb der (Langzeit-)Nachbeobachtung. Dabei entscheidet die jeweilige TOS, ab welchem Zeitpunkt nach Therapiebeginn die (Langzeit-)Nachbeobachtung und die Spätfolgenerfassung zentral und im Sinne einer Servicefunktion durchgeführt wird.

Begriffsdefinitionen

Der Wortzusatz Langzeit definiert eine unbefristete Phase, die entweder mit Abschluss des in den TOS definierten Nachsorgezeitraums oder mit Abschluss der Betreuung durch die Kliniken beginnt.

(Langzeit-)Nachsorge (Long-term follow-up) Unter (Langzeit-)Nachsorge versteht man die ärztliche und psychologische Betreuung nach Beendigung der Therapie durch die behandelnde Klinik, eine ihr angeschlossene Ambulanz oder niedergelassene Ärzte entsprechend den Nachsorgeempfehlungen der TOS (dazu gehören auch Kontrolluntersuchungen, die die Beantwortung klinischer und psychosozialer Fragestellungen erlauben). Spätfolgen (Late effects) Spätfolge ist definiert als therapie- oder krankheitsbedingte Komplikation oder Veränderung, die nach der Beendigung der Behandlung persistiert oder auftritt. Spätfolgenerhebungen dienen dem Zweck, Spätfolgen der Erkrankungen oder bestimmter Therapien zu ermitteln und wenn nötig und möglich Empfehlungen für deren Behandlung und für die (Langzeit-)Nachsorge zu geben. Die Spätfolgenerhebung richtet sich dabei auf die drei Teilaspekte Erfassung, Erforschung und Vermeidung von Spätfolgen. (Langzeit-)Nachbeobachtung (Long-term surveillance) Mit (Langzeit-)Nachbeobachtung ist die zeitlich unbefristete Nachbeobachtung für möglichst alle ehemaligen pädiatrisch-onkologischen Patienten in dem Sinne gemeint, Minimalangaben über den Gesundheitszustand und den aktuellen Wohnort vorzuhalten. Dies führt das DKKR bereits als Serviceleistung durch (bisher als Langzeit-Follow-up bezeichnet). Die (Langzeit-) Nachbeobachtung ist damit klar von einer Spätfolgenerhebung zu differenzieren.

Literatur

  • 1 Beck JD, Winkler K, Niethammer D, Brandis M, Hertzberg H, von der Hardt K, Greil J, Uberall MA, Rossi R, Lamprecht-Dinnesen A. After-care of children and young adults surviving cancer. Initial recommendations by the late sequelae study group.  Klin Padiatr. 1995;  207 186-192
  • 2 Bolling T, Schuck A, Rube C, Hesselmann S, Pape H, Dieckmann K, Pollinger B, Kortmann RD, Speiser-Held I, Meyer FM, Martini C, Asadpour B, Timmermann B, Beck JD, Langer T, Paulides M, Schmidt B, Willich N. Therapy-associated late effects after irradiation of malignant diseases in childhood and adolescence. Feasibility analyses of a prospective multicenter register study.  Strahlenther Onkol. 2006;  182 443-449
  • 3 Calaminus G. Lebensqualität bei Kindern und Jugendlichen mit Krebs.  Monatsschr Kinderheilk. 2006;  (7) 644-650
  • 4 Creutzig U, Henze G, Bielack S, Herold R, Kaatsch P, Klussmann JH, Graf N, Reinhardt D, Schrappe M, Zimmermann M, Jürgens H. Krebserkrankungen bei Kindern - Erfolg durch einheitliche Therapiekonzepte seit 25 Jahren.  Dt Ärztebl. 2003;  100 A842-852
  • 5 Göbel U, Fischer G, Henze G. From the therapy study to quality assurance in pediatric oncology.  Klin Pädiatr. 1997;  209 145-146
  • 6 Kaatsch P, Blettner M, Spix C, Jürgens H. Follow up of long-term survivors after childhood cancer in Germany.  Klin Pädiatr. 2005;  217 169-175
  • 7 Schellong G, Riepenhausen M. Late effects after therapy of Hodgkin's disease: update 2003/04 on overwhelming post-splenectomy infections and secondary malignancies.  Klin Padiatr. 2004;  216 364-369
  • 8 , Satzung der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie e. V., Fassung vom 22.11.2003
  • 9 , Masterprotokoll DKH und DKG, 22.05.2003 Redaktionell modifizierte Fassung der auf der GPOH-Strukturtagung am 22.3.2006 verabschiedeten Fassung

1 Im Auftrag der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH)

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