Aktuelle Kardiologie 2018; 7(05): 373-378
DOI: 10.1055/a-0638-7501
Übersichtsarbeit
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Psychosozialer Stress durch Armut: Folgen für die Herz-Kreislauf-Gesundheit

Psychosocial Stress Through Poverty: Consequences for Cardiovascular Health
Thomas Lampert
FG28 Soziale Determinanten der Gesundheit, Robert Koch-Institut, Berlin
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Publication Date:
22 October 2018 (online)

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Zusammenfassung

Eine sozial benachteiligte Lebenslage geht mit einer um 5 – 10 Jahre verringerten mittleren Lebenserwartung bei Geburt einher. Einen wesentlichen Anteil daran haben soziale Unterschiede in der Inzidenz und Prävalenz von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Nach den für Deutschland vorliegenden Studien ist z. B. das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall bei Männern und Frauen mit niedrigem Sozialstatus, im Vergleich zu denjenigen mit hohem Sozialstatus, um das 2- bis 3-Fache erhöht. Als mögliche Erklärungen werden vor allem höhere psychosoziale Belastungen am Arbeitsplatz und ein gesundheitsriskanterer Lebensstil in den niedrigen Statusgruppen diskutiert. Daneben sollten aber auch z. B. psychosoziale Belastungen außerhalb der Arbeitswelt und in geringerem Umfang verfügbare soziale und personale Ressourcen berücksichtigt werden. Die sozialen Unterschiede bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen zeigen Potenziale für eine weitere Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung auf und weisen zudem auf Zielgruppen für die Prävention und Gesundheitsversorgung hin.

Abstract

A deprived life situation is associated with a reduced average life expectancy of 5 – 10 years at birth. Social differences in the incidence of cardiovascular disease are a major part of this. According to the studies in Germany, for example, the risk of a heart attack or stroke in men and women with low compared to those with high social status is increased by two to three times. As possible explanations, above all, higher psychosocial burdens in the workplace and a more health-risking lifestyle in the low status groups are discussed. In addition, psychosocial burdens outside the world of work, environmental impacts and to a lesser extent available social and personal resources should also be taken into account. The social differences in cardiovascular diseases show potential for further improvement of the health of the population and also point to target groups for prevention and health care.

Was ist wichtig?
  • Auch in einem reichen Land wie Deutschland besteht ein enger Zusammenhang zwischen der sozialen und gesundheitlichen Lage der Bevölkerung. Festmachen lässt sich dies z. B. an einer in sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen um 5 – 10 Jahre verringerten Lebenserwartung bei Geburt.

  • Das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist in den niedrigen Statusgruppen, im Vergleich zu den höheren Statusgruppen, um das 2- bis 3-Fache erhöht.

  • Der soziale Status wirkt sich auch auf die Krankheitsfolgen und die Überlebensdauer nach Krankheitseintritt aus.

  • Die sozialen Unterschiede bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen können nur zum Teil auf verhaltensbezogene Risikofaktoren zurückgeführt werden. Daneben sind z. B. Unterschiede in Bezug auf Lebensbedingungen und psychosoziale Stressbelastungen sowie die Verfügbarkeit von sozialen und personalen Ressourcen zu berücksichtigen.

  • Die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, der im Hinblick auf das Bemühen um eine weitere Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung erhebliche Bedeutung zukommt, sollte sowohl verhaltensbezogene als auch verhältnisbezogene Ansätze verfolgen.