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DOI: 10.1055/a-0641-2585
Pro und Kontra der Darmkrebsvorsorge
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
09. Juli 2018 (online)
Die diesjährige wissenschaftliche Tagung der niedergelassenen Magen-Darm-Ärzte stand ganz im Zeichen der Darmkrebsvorsorge. bng-Vorstand Dr. Dagmar Mainz hat eine Podiumsveranstaltung mit Kritikern und Befürwortern organisiert, die unter Beteiligung von Prof. Dr. Jürgen Riemann von der Stiftung LebensBlicke den Stand der Dinge vor allem mit Blick in die Zukunft und auf die Weiterentwicklung der Darmkrebsvorsorge beleuchtet haben. Ein weiteres Highlight der Veranstaltung in Köln war das Plädoyer von Daniel Bahr für den Erhalt des dualen Versicherungssystems in Deutschland.
„Mit unserer Vorsorge-Koloskopie haben wir Erstaunliches erreicht, mehr als in allen anderen Bereichen der Vorsorge“, hatte bng-Vorstand Dr. Albert Beyer unter Bezug auf das seit 15 Jahren erfolgreich verlaufende Screening-Programm gleich zur Eröffnung der Tagung herausgestellt. Prof. Dr. Hermann Brenner vom DKFZ nahm dazu in seiner Rolle als Befürworter der Darmkrebsvorsorge auf dem Podium eindeutig Stellung. Er belegte mit seinen epidemiologischen Daten die deutlichen Rückgänge von Inzidenz und Mortalität in Staaten mit Programmen zur Darmkrebsvorsorge. Er wiederholte seine Prognose weiter sinkender Erkrankungszahlen, insbesondere wenn es gelänge, die Inanspruchnahme der Vorsorgemöglichkeiten zu erhöhen. Die Einführung des Einladeverfahrens sei überfällig, betonte er in diesem Zusammenhang.
PD Dr. Christoph Schmidt war anzumerken, dass er sich mit der Verpflichtung, Kontra-Positionen aufzuzeigen, schwertat. Dennoch gelang es ihm, den Finger auf die Schwachstellen zu legen. Die unbefriedigende Teilnahme der anspruchsberechtigten Versicherten bleibt eine Achillesferse und der Umgang mit dem immunologischen Stuhltest und die Einschätzung seiner Bedeutung bietet offene Flanken. Sein Hauptaugenmerk galt aber der Risikostratifizierung: Setzt die Vorsorge früh genug an? Benötigen wir eine Genderdifferenzierung? Wie können wir familiäre Risiken besser abdecken? Gerade in Bezug auf den letzten Punkt hat er sich mit seinem Engagement für die bng-Initiative Familiärer Darmkrebs und das daraus erwachsene Projekt Quali.more sehr verdient gemacht. Über den Stand der Projektentwicklung wurde auf der Tagung ausführlich berichtet.
Dr. Torsten Benya vom Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf wies auf das Problemfeld der Intervallkarzinome hin und diskutierte in Bezug auf die Ursachen den Einfluss von übersehenen bzw. inkomplett resezierten Adenomen oder Karzinomen. Er stellte zur Diskussion, die Adenomdetektionsrate als Qualitätskriterium für die Koloskopie heranzuziehen. Dr. Jens Aschenbeck bemängelte in seiner Entgegnung, dass die Datenlage zu diesem Thema sehr uneinheitlich und schwer zu überschauen ist. In seiner Argumentation stellte er die generelle Behauptung in Zweifel, dass in erster Linie möglicherweise übersehene kleine Adenome für Intervallkarzinome verantwortlich zu machen sind. Wenn das gar nicht der Fall wäre, würde die Adenomdetektionsrate als Qualitätskriterium überhaupt nicht greifen.
Bereits zuvor waren Prof. Dr. Andrea Tannapfel und PD Dr. Christian Pox in dem von Dr. Dagmar Mainz organisierten wissenschaftlichen Programm auf neue Aspekte der Pathologie kolorektaler Läsionen sowie des Polypenmanagements eingegangen. Prof. Tannapfel hatte dabei deutlich gemacht, dass selbst bei den tendenziell fortgeschritteneren serratierten Läsionen keine Differenzierung in gute und schlechte Adenome möglich ist. Dr. Pox, der maßgeblich an der Überarbeitung der S3-Leitlinie beteiligt war und die große Bedeutung der Qualität der Indexkoloskopie für das Polypenmanagement herausstellte, stufte die Adenomdetektionsrate als Surrogatmarker ein.
Der ehemalige Bundesgesundheitsminister und heutiges Mitglied im Allianz-Vorstand, Daniel Bahr, stellte in seinem Gastvortrag die Bedeutung des dualen Versicherungssystems für die schnelle Einführung neuer Verfahren in das deutsche Gesundheitssystem heraus. Er betonte den innovativen Umgang der privaten Versicherer im Umgang mit fortschrittlichen Methoden, deren Einführung in staatlich regulierten Systemen oft zumindest lange blockiert wird. Darüber hinaus sichere die Querfinanzierung den freien Zugang zu einer zeit- und wohnortnahen fachärztlichen Versorgung für alle Versicherten. Er zeigte sich überzeugt, dass es trotz aller Reformbedürftigkeit von EBM und GOÄ wegen der immensen Systemvorteile keine einheitliche Gebührenordnung geben wird.