Radiologie up2date 2018; 18(04): 319-336
DOI: 10.1055/a-0657-7035
Neuroradiologie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mechanische Rekanalisation beim akuten Schlaganfall

Joachim Berkefeld
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Publikationsdatum:
14. Dezember 2018 (online)

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Kardiale Embolien mit Verschlüssen hirnversorgender Arterien gelten als Hauptursache des ischämischen Schlaganfalls. Die kathetergestützte Rekanalisation dieser Verschlüsse ist eine evidenzbasierte Therapie, deren Indikationen, Möglichkeiten und Grenzen in diesem Beitrag dargestellt werden sollen.

Kernaussagen
  • Die Thrombektomie ist inzwischen eine durch eine Vielzahl von randomisierten Studien gesicherte evidenzbasierte Form der Schlaganfallbehandlung.

  • Hauptzielgruppe für die interventionelle Behandlung sind klinisch schwer betroffene Patienten mit embolischen Verschlüssen großer zerebraler Arterien (ACI, Karotis-T, M1, M2 und Basilaris), die innerhalb der ersten 6 Stunden nach Symptombeginn behandelt werden können.

  • Auch Patienten in fortgeschrittenen Zeitfenstern von bis zu 24 Stunden nach Symptombeginn können von einer Thrombektomie profitieren, wenn Infarkte im betroffenen Gefäßterritorium begrenzt sind und ausreichend rettbares Hirnparenchym vorhanden ist.

  • Patienten mit Tandemläsionen – extrakranielle Gefäßstenose/Verschluss + nachgeschaltete intrakranielle Embolie – profitieren klinisch in ähnlicher Weise von der Thrombektomie und notfallmäßigen Stentimplantation wie Patienten ohne vorgeschaltete extrakranielle Gefäßobstruktion.

  • Eine Thrombektomie sollte im Sinne einer Einzelfallentscheidung auch bei Patienten mit akutem Verschluss einer großen Hirnarterie erwogen werden, wenn sie klinisch nur leicht betroffen sind oder wenn ein großer Infarktkern (ASPECTS < 5) vorliegt.

  • Auch bei weiter peripher gelegenen Gefäßverschlüssen von Ästen zweiter Ordnung sollte eine Thrombektomie erwogen werden, wenn die Patienten schwer betroffen sind und das abhängige Territorium noch nicht vollständig infarziert ist.

  • Die native Schädel-CT in Kombination mit einer CT-Angiografie zur Darstellung der Arterien vom Aortenbogen bis nach intrakraniell ist als bildgebendes Untersuchungsverfahren der 1. Wahl zur notfallmäßigen Abklärung von klinisch schwer betroffenen Schlaganfallpatienten anzusehen.

  • Die MRT kann optional eingesetzt werden und bietet Vorteile beim Nachweis früher Infarktzeichen, bei Infarkten in der hinteren Schädelgrube und bei der Bestimmung der Relation zwischen Infarktkern und rettbarem Hirnparenchym in der Umgebung. Dies gilt insbesondere für Fälle mit fortgeschrittenem oder unbekanntem Zeitfenster.

  • Die CT- oder MRT-Diagnostik hat absolute Dringlichkeit. Sie darf nicht verzögert werden und die Abläufe sind entsprechend zu optimieren.

  • Die Zeit zwischen bildgebender Diagnostik und Leistenpunktion zu Beginn der Thrombektomie sollte unter 90, besser unter 60 Minuten betragen. Wenn im eigenen Haus keine Thrombektomiemöglichkeit besteht, muss der Patient unverzüglich in ein Thrombektomiezentrum verlegt werden.

  • Für die Thrombektomie stehen heute Stent-Retriever und Aspirationskatheter zur Verfügung, deren Verwendung als gleichwertig zu betrachten ist. Als Zugang haben sich Ballonführungskatheter bewährt, die einen temporären Strömungsstillstand und eine Aspiration während der Bergung der Thromben erlauben.

  • Eine weitgehende oder vollständige Rekanalisation TICI IIb/III kann in bis zu 90% der Fälle erreicht werden.

  • Gute klinische Behandlungsergebnisse mit Patienten, die sich nach 3 Monaten wieder selbstständig versorgen können, sind in über 40% der Fälle zu erwarten.

  • Für die Ausbildung von an Schlaganfallinterventionen interessierten Radiologen stellt die DeGIR ein Weiterbildungs- und Zertifizierungsprogramm zur Verfügung.