Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2020; 15(01): 43-64
DOI: 10.1055/a-0662-8017
Beckengürtel und untere Extremität
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Tibiaschaftfrakturen

Fracture of the Tibial Shaft
Onays Al-Sadi
,
Klaus-Dieter Schaser
,
Christian Kleber
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Januar 2020 (online)

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Die Tibiaschaftfraktur ist eine der häufigsten Frakturen langer Röhrenknochen. Bei polytraumatisierten Patienten ist mit dem Vorhandensein von Tibiaschaftfrakturen zu rechnen. Dieser Artikel stellt das diagnostische und therapeutische Vorgehen dar und weist auf die möglichen Komplikationen hin.

Abstract

Tibial shaft fractures are among one of the most common diaphyseal fractures of long bones in humans. The most common accident mechanisms are traffic accidents (37.5%), sports accidents (30.9%), tripping (17.8%) followed by acts of violence (4.5%). The clinical examination, correct fracture classification and the degree of soft tissue damage is crucial for the further standardized therapeutic approach. Conventional X-ray diagnostics are sufficient as diagnostic imaging; sectional imaging is reserved for complex fractures and additional intra-articular pathologies. Tibial shaft fractures are mainly stabilized surgically, depending on soft tissue damage, if possible primary. Intramedullary nail osteosynthesis is the procedure of first choice. The most serious complication of tibial shaft fractures is the compartment syndrome. This requires rapid diagnosis and adequate surgical management to avoid extensive muscle necrosis with ischemic contractures and irreversible neurovascular deficits. Apart from postoperative infections, which are the predominant complication, especially in open injuries, pseudarthrosis is a typical and sometimes difficult to treat late complication. These should, depending on their type, follow a dedicated treatment algorithm.

Kernaussagen
  • Tibiaschaftfrakturen zählen zu den häufigsten Frakturen langer Röhrenknochen. Die häufigsten Traumamechanismen sind Verkehrsunfälle (38%), Sportunfälle (31%). und Stolperstürze (18%). Unter allen langen Röhrenknochen ist die Rate offener Frakturen mit 24% am größten.

  • Die korrekten Fraktur- und Weichteilklassifikationen sind entscheidend für das weitere standardisierte therapeutische Vorgehen.

  • Goldstandard der Therapie von Tibiaschaftfrakturen des Erwachsenen stellt die Verriegelungsmarknagelosteosynthese dar.

  • Der Grad des begleitenden geschlossenen oder offenen Weichteilschadens und die Gesamtverletzungsschwere (Mono- versus Polytrauma) bestimmen das operative Vorgehen (primäre versus sekundäre Osteosynthese). Bei Frakturen mit höhergradigem Weichteilschaden oder Polytrauma (Damage Control) erfolgt die primäre Osteosynthese mittels Fixateur externe.

  • Neben der unaufgebohrten und aufgebohrten Technik stehen geschlossene vor minimalinvasiv offenen Repositionsmanöver.

  • Im Rahmen III.-gradig offener/kontaminierter Frakturen und bei Revisionseingriffen können auch antibiotikabeschichtete Nägel zum Einsatz kommen.

  • Eine der schwerwiegendsten Komplikationen stellt das Kompartmentsyndrom dar. Dies bedarf der schnellen Diagnosestellung und notfallmäßigen Dermatofasziotomie.

  • Abgesehen von postoperativen Infektionen – vorherrschende Komplikation vor allem bei offenen Verletzungen – stellen Pseudarthrosen und Achs-/Rotationsfehlstellungen typische und teilweise schwer behandelbare Spätkomplikationen dar, welche je nach Art einem dezidierten Therapiealgorithmus folgen.