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DOI: 10.1055/a-0756-1751
Dem Diabetes davonlaufen
Publication History
Publication Date:
11 December 2018 (online)
„Sitzen ist tödlich“. Sitzen wir 17 Minuten am Stück, beginnen auf zellulärer Ebene Prozesse, die mit denen vergleichbar sind, die bei einem 70-Jährigen im Rahmen des Alterungsprozesses ablaufen. Sitzen führt sozusagen zu vorzeitiger Alterung. Sitzen ist das neue Rauchen. Wenn man diese Phasen von Inaktivität am Tag allerdings regelmäßig unterbricht – dann können diese Prozesse gestoppt werden. Dazu reicht es schon aufzustehen und sich 1 oder 2 Minuten zu bewegen oder auch einfach nur zu stehen.
Bewegung ist das Lebenselixier unseres Daseins, Bewegung ist die Polypill des 21. Jahrhunderts. Wenn wir vom 22. Lebensjahr an jeden Tag 10 000 Schritte laufen würden, bekämen wir keine chronische Erkrankung – keine Depression, keinen Bluthochdruck, kein metabolisches Syndrom, keine Adipositas, keinen Diabetes mellitus. Denn Bewegung wirkt nicht nur antidepressiv, sondern verhindert Herzinfarkte und Schlaganfälle, führt zu einem über mehr als eine Dekade verzögerten Auftreten einer Demenz vom Alzheimertyp und verhindert das metabolische Syndrom.
Der durchschnittliche Deutsche läuft allerdings nur 2700 Schritte am Tag. Alles unter 5000 Schritten gilt nach wissenschaftlichen Studien als inaktiver Lebensstil. Aber jeder Block von 2000 Schritten mehr pro Tag reduziert das kardiovaskuläre Risiko um zusätzliche 14 %. Läuft ein Diabetiker, egal wie viel er sich am Tag bewegt, 1000 Schritte, also etwa 600 Meter zusätzlich, reduziert er seinen postprandialen Blutzucker doppelt so stark wie durch die Einnahme von 1000 mg Metformin. Man könnte sagen, dass die ehrlichste Diabetestherapie nicht im Gehirn oder auf dem Rezeptblock des Diabetologen startet, sondern im Oberschenkelmuskel unserer Patienten. Stellt man die Frage aber nun anders herum, nämlich: Wie viele Stunden am Tag sind wir körperlich inaktiv? Dann kommt jeder zu einer sehr eigenen Einschätzung. Studien zeigen, dass wir 23 Stunden und 40 Minuten pro Tag körperlich inaktiv sind. Wir brauchen nur 20 Minuten, um die 2700 Schritte zu laufen. Der Mensch ist aber für 36 000–39 000 Schritte gemacht, wir nutzen dieses Potenzial viel zu wenig bis gar nicht.
Am 14.11.2018 war Weltdiabetestag, der diesmal unter dem Thema ‚Bewegung‘ stand. Gemeinsam mit DiabetesDE wurde die Veranstaltung in diesem Jahr in Dresden durchgeführt und die Silhouette von Dresden blau angeleuchtet, da blau die Farbe der UN-Deklaration zum Diabetes aus dem Jahr 2006 ist. Etwa 200 Diabetiker und Menschen, die sich für dieses Thema interessieren, starteten einen Family funrun an der Elbe. An einem gemeinsamen Abend vor und in der Frauenkirche wurde auf das Thema Diabetes und die Herausforderung bei der Behandlung, der Rehabilitation, aber auch bei der Prävention der Erkrankung aufmerksam gemacht. In einer Podiumsdiskussion wurde das Thema Diabetes von politischer, ärztlicher, Patienten- und Kassenseite kontrovers beleuchtet.
Die Quintessenz dieses Weltdiabetestages ist das potenteste Antidiabetikum im Rahmen des Diabetesmanagements: die Bewegung. Wenn wir es schaffen, unsere Patienten zu motivieren sich mehr zu bewegen, können wir viele Herausforderungen lösen, die wir in der Diabetesbehandlung verspüren. Zur Motivation unserer Patienten gehört allerdings auch, selbst Vorbild zu sein. Der Kollege, der selbst einen Schrittzähler trägt und diesen seinen Patienten zeigt, der seine Schrittzahl über Facebook oder Instagram mit Patienten teilt oder an digitalen Interventionsprogrammen teilnimmt, wo Patienten und ihre behandelnden Ärzte gegenseitig sehen, wie viel man sich bewegt, können enorm stimulierend für unsere Patienten für mehr Bewegung sein.
Am 14.11.2018 haben weltweit viele Initiativen im Rahmen der „bluemonumentchallenge“ ein Zeichen gegen Diabetes gesetzt. Auch wir können ein Zeichen gegen Diabetes setzen, indem wir gemeinsam mit unseren Patienten „dem Diabetes davonlaufen“.