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DOI: 10.1055/a-0762-3524
Erziehungssache?
Publication History
Publication Date:
07 January 2019 (online)
Wer kennt nicht therapeutische Situationen, in denen der Eindruck entsteht, die Patienten arbeiten nicht richtig mit, ignorieren unsere Empfehlungen, Strategien sowie Dosierungsanleitungen und setzen ihr Übungsprogramm nicht um. Schnell entsteht das Gefühl, die Patienten wirken nicht kooperativ mit, obwohl wir ihnen doch gesagt haben, wie es zu funktionieren hat. Nicht weit ist dann zum therapeutischen Selbstschutz häufig auch die Schlussfolgerung, die Patienten zeigen eine schlechte „Compliance“! Damit sind wir recht einfach „aus dem Schneider“, sind doch die Patienten daran schuld.
Aber haben wir denn abgefragt, was sich die Patienten überhaupt unter der Therapie vorstellen, haben wir abgewägt, ob unsere Empfehlungen überhaupt in ihrer Situation umsetzbar sind. Haben Sie unter Umständen gar nicht verstanden, dass ihr Bewegungsverhalten mit ihren Problemen in direktem Kausalzusammenhang steht?
Der Begriff der Compliance beschreibt eine Perspektive, die aus Therapeutensicht entsteht. Somit stehen die subjektiven Einschätzungen des Therapeuten im Vordergrund.
Und versetzen wir uns mal in die Lage eines erwachsenen Patienten: Möchte ich eine Empfehlung erhalten, die mir alleine von der Ausführung her unmöglich erscheint. Bin ich motiviert, wenn mein Arzt oder Therapeut direktiv ohne Kompromiss bestimmt, wohin das therapeutische Boot fahren sollte? Will doch der Therapeut nach Panama, ich möchte aber nach Timbuktu! Es kann nicht funktionieren, wenn meine Möglichkeiten, meine Ressourcen und mein Motivationsstand nicht abgefragt werden. Als Patient ist mir doch wichtig, auch im Gespräch mitteilen zu können, warum ich die vorgeschlagene Strategie nicht für umsetzbar halte. Ich fühle mich verstanden, wenn wir gemeinsam nach Lösungen suchen.
Der Begriff der Compliance wird zunehmend durch den Begriff der „Adhärenz“ ersetzt, in der sich das Therapeuten-Klienten-Verhältnis mehr auf Augenhöhe befindet, die Entscheidungen gemeinsam, also partizipativ erarbeitet werden, und die Patienten vielleicht sogar selbst Vorschläge für eine optimale Umsetzung entwickeln. Das meint jedoch nicht, dass die Patienten entscheiden sollen, was gut für sie. Unsere Kompetenz sollte darin liegen, sie hier in die Richtung zu führen, von der wir Therapeuten mit bestem Wissen und Gewissen überzeugt sind.
Messner [1] beschrieb bereits 2011, dass der aktuelle Stand der Pflegewissenschaft schon vor Jahren die Einbeziehung der Patienten erforderte. Sollten wir es in der Physiotherapie nicht genauso tun, wenn wir unser Handwerkszeug damit wirksamer gestalten können? Denn ohne die Patienten hat unsere Therapie verloren.
Erfahren Sie in diesem Heft von drei Experten auf diesem Gebiet, was mit Patientenedukation gemeint ist und wieso eine Verhaltensänderung keinen „einfachen“ Schritt darstellt. Warum nicht nur die Patienten „schwierig“ sind. Wie wir durch den richtigen Fokus und mit den richtigen Fragen Motivation wecken können, und wie das in der praktischen Umsetzung aussehen kann.
Ich hoffe, wir haben für diese Ausgabe den richtigen „Fokus“ gefunden. Wir würden uns freuen, wenn Sie damit vielleicht noch ein bisschen mehr der „Motivation“ der Patienten auf die Sprünge helfen können!
Eine spannende Lektüre wünscht Ihnen
Sebastian Klien
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Literatur
- 1 Messner T. Adhärenz in der Physiotherapie : Entwicklung und Evaluation einer Intervention zur Steigerung der Adhärenz in der ambulanten Physiotherapie [Dissertation]. Konstanz: Universität Konstanz; 2011