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DOI: 10.1055/a-0810-7170
Doppelkopf: Stephanie Stiel und Agnes Klein
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
02. Januar 2019 (online)
PD Dr. Stephanie Stiel
Stephanie Stiel hat von 2001 – 2006 Psychologie an der Universität Bielefeld studiert. Anschließend arbeitete sie von 2007 – 2011 als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Klinik für Palliativmedizin am Universitätsklinikum der RWTH Aachen bei Prof. Lukas Radbruch, wo sie 2010 ihre Promotion zum Thema „Der Wunsch nach aktiver Sterbehilfe von Patienten auf Palliativstationen“ abschließen konnte.
2011 – 2017 war sie in der Palliativmedizinischen Abteilung an der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg bei Prof. Christoph Ostgathe tätig, wo sie die Forschungsstelle leitete, sich 2013 habilitierte und die Lehrbefugnis für das Fach Palliativmedizin erhielt.
Seit März 2017 ist sie am Institut für Allgemeinmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover bei Prof. Nils Schneider beschäftigt. Sie leitet die Arbeitsgruppe Palliativversorgung am Institut und die BMBF-Nachwuchsforschergruppe zum Projekt „Allgemeine Ambulante Palliativversorgung in der Hausärztlichen Praxis“ (ALLPRAX). Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der interdisziplinären und multiprofessionellen Versorgungsforschung.
Wie kamen Sie in Ihr jetziges Tätigkeitsfeld?
Über eine Initiativbewerbung in der Klinik für Palliativmedizin am Universitätsklinikum der RWTH Aachen. Weil damals dort zunächst keine Stelle frei war und ich eine Absage erhalten hatte, habe ich eine Stelle in der Entwicklungspsychologie an der Universität Bielefeld angenommen und mich dort mit Fragen der Schmerzsozialisation und Schmerzwahrnehmung von Kindern und Jugendlichen beschäftigt. Aber dann kam der doch überraschende Anruf aus der Palliativklinik wenige Monate später, dass nun doch eine Stelle frei sei und sie meine Bewerbung zurückgehalten hätten. Und so bin ich dann doch zu einem Vorstellungsgespräch gewesen und es sollte klappen.
Was wäre für Sie die berufliche Alternative?
Bevor ich studierte war mein Traum, Profifußballerin von Beruf zu werden. Heute bin ich froh, dass ich mich für das Studium der Psychologie entschieden habe und den Weg in die Forschung in der Palliativversorgung gefunden habe.
Wie beginnen Sie Ihren Tag?
Ich weiß gar nicht, ob ICH selber es bin, die den Tag beginnt, denn das regelt an den meisten Tagen mein Wecker. Das Aufstehen fällt mir dann normalerweise eher leicht, weil ich eine ‚Frühaufsteherin‘ bin, aber Ausschlafen verknüpfe ich schon mit Lebensqualität. Ich suche zuerst mein Badezimmer auf, mache mich fertig und fahre danach mit dem Fahrrad zur Arbeit. In den Jahreszeiten, in denen es früh hell ist, gehe ich dann erst noch vor der Arbeit eine Runde joggen. Beim Thema Frühstück bin ich dann eher eine ‚Spätzünderin‘ und esse nach Möglichkeit erst auf der Arbeit.
Leben bedeutet für mich …
eine großartige Chance, ganz vielseitige Erfahrungen im Kontakt mit Menschen und der Umgebung zu machen und daraus zu lernen. Und für diese Chance bin ich sehr dankbar und will sie nutzen. Leben, auf dieser Welt sein und an einer zeitlich begrenzten Episode teilnehmen und mitgestalten zu dürfen, fühlt sich für mich wie ein Privileg an.
Sterben bedeutet für mich …
das Ende dieser Erfahrungsreise und des Lernens. Und es macht mir gar keine Angst – auch wenn ich hoffe, dass meine zeitliche Episode auf dieser Welt noch länger andauert.
Welches Ziel möchten Sie unbedingt noch erreichen?
Impulsiv wollte ich gerade schreiben, dass ich gerne noch viel mehr bedeutende Weltliteratur lesen möchte, aber jetzt zweifle ich, ob das wirklich ein Ziel ist – oder vielmehr ein Wunsch?
Meine bisher wichtigste Lernerfahrung im Leben ist …
die Erkenntnis, dass man persönlich Werte haben kann, die durchaus von der Gesellschaft mitgetragen werden (also z. B. den Wert von Familie und Freundschaft), aber in der Realität trotzdem nicht so umsetzbar sind, wie man sich das immer vorgestellt hat. Und dann zu bemerken, dass das Leben trotzdem gut funktionieren kann und Menschen auch ohne die Verwirklichung dieser Werte glücklich sein können – das war eine wichtige Lernerfahrung für mich. Bevor ich angefangen habe in der Palliativversorgung zu arbeiten, bin ich zum Beispiel immer davon ausgegangen, dass Menschen gerne und glücklich in Familienverbünden leben und auch gerne in diesen versterben, aber die Arbeit hat mich gelehrt, dass das oftmals nicht möglich ist und auch nicht sein muss.
Was würden Sie gern noch lernen?
Seit vielen Jahren denke ich darüber nach, Harfe oder Saxophon spielen zu lernen. Und ich erwische mich selber immer wieder bei dem Gedanken „Das mache ich dann, wenn ich in Rente bin und Zeit habe“ … als hätte mich die Palliativversorgung nichts Besseres gelehrt. In der Weiterentwicklung meiner Persönlichkeit würde ich gerne noch an Gelassenheit und Geduld dazugewinnen. Manchmal ärgere ich mich über mich selber, dass mich bestimmte Dinge immer noch (oder schon wieder) so ärgern können – auch wenn mich dieser Ärger im positiven Sinne aktiv und beweglich macht und hält.
Woraus schöpfen Sie Kraft für Ihre Arbeit?
Ganz sicher aus meinem Privatleben. Mein Partner ist eine wichtige Quelle von Energie für mich, ‚meine Tankstelle‘, und ich koche und backe zum Beispiel sehr gerne. Dabei habe ich einen völlig freien Kopf und finde darin einen schönen Ausgleich zur Arbeit. Wenn ich ganz gestresst bin, sage ich manchmal aus Spaß „Gib mir doch jemand 5 kg Gemüse und ich mache das klein“.Mein Sport im Generellen und insbesondere das Joggen (ohne Musik auf den Ohren!) sind für mich noch sehr bedeutsam, weil ich in der Bewegung sowohl entspannen als auch überschüssige Kraft und zehrende Emotionen loswerden kann. Das führt dann für mich zu einer ganz wohligen körperlichen und emotionalen Entspannung. Wann immer ich die Möglichkeit habe, zieht es mich nach draußen in die Natur.
Mit wem aus der Welt- oder Medizingeschichte würden Sie gern einmal einen Abend verbringen?
Mit Angela Merkel und ihrem Ehemann. Mit dem Ehepaar Merkel würde ich sehr gerne ein privates Abendessen verbringen und die beiden Menschen, ihre Gedanken, Einstellungen, Wahrnehmungen und Emotionen kennenlernen. Ich wäre fürchterlich gespannt, wie ich das Paar und die Beziehung der Merkels erlebe. Ich finde es auch total interessant, welches Essen und welche Getränke sie auswählen. Eigentlich habe ich gar keine Vorstellung davon, auf welche Themen wir dann spontan zu sprechen kommen könnten.
Wenn ich einen Tag unsichtbar wäre, würde ich …
mich wahrscheinlich gar nicht so wohl fühlen. Als Kind fand ich die Idee viel spannender, unsichtbar zu sein. Viel lieber würde ich mit manch anderem Menschen gerne für einen Tag die Rolle tauschen und mich in deren Leben und Erleben einfühlen.
Wie können Sie Frau Klein beschreiben?
Frau Klein habe ich 2007 mit meiner ersten Stelle in der Palliativmedizin in Aachen kennengelernt. Sie war diejenige, mit der ich das erste Mal in meinem Leben einen toten Menschen gesehen und besprochen habe. Eine prägende Erfahrung! Sie ist eine unglaublich erfahrene, engagierte und idealistische Palliativschwester und in meinen Augen haben alle Patienten Glück, die ihre Zuwendung erfahren. Als Freundin schätze ich ihre Stärke, Situationen analysieren zu können. Sie ist sehr reflektiert, tiefgründig und vor allem ehrlich zu sich selbst und anderen. Sie redet Menschen nicht nach dem Mund, was durchaus auch als Kritik empfunden werden kann. Also, wenn ich mit Agnes telefoniere, muss ich auch die Bereitschaft haben einzustecken, denn sie wird mir niemals sagen, was ich vielleicht hören will oder schlichtweg Recht geben, wenn das nicht ihrer Meinung entspricht.
Wie beenden Sie Ihren Tag?
Eher ritualhaft. Ich packe gerne schon abends meine Tasche für den Folgetag, lege meine Kleidung raus und bereite auch schon mein Frühstück und Mittagessen für die Arbeit für den nächsten Tag vor. Das muss morgens irgendwie auf Autopilot funktionieren.
Gibt es etwas, das Sie gern gefragt worden wären, aber noch nie gefragt worden sind?
Wahrscheinlich genau diese Frage – die wurde mir in der Tat noch nie gestellt. Ich persönlich finde Fragen sehr wichtig und stelle auch gerne interessierte Fragen an andere Menschen. Manchmal schmunzel‘ ich dann auch über mich selber, wie viele Fragen ich stellen kann. Aber oftmals bemerke ich umgekehrt, dass andere Menschen dann auch gerne den Raum nehmen, über sich zu berichten und bei sich bleiben. Das führt bei mir oft zu großer Verwunderung, weil ich es auch als Desinteresse von anderen Menschen wahrnehme und ich mich dann frage: „Wie kann man denn da nicht nachfragen bzw. rückfragen?“ Sowas kann mich auf Dauer im privaten Kontakt mit Menschen auch sehr unglücklich machen.