Zeitschrift für Phytotherapie 2019; 40(01): 19-22
DOI: 10.1055/a-0814-0616
Leserbrief
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Abnehmen ohne Diät – Illusion oder Möglichkeit?

Eine Entgegnung zur Vorstellung der Daten zu Refigura (BEFORE-Studie, Z Phytother 2018; 39(4): 159–164)
Hans Konrad Biesalski
Universität Hohenheim
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Publication Date:
25 March 2019 (online)

Abends vor dem Fernseher eine Tüte Chips verzehren, am Nachmittag von Zeit zu Zeit ein Stück Torte und zwischen den Mahlzeiten immer wieder mal was Süßes. Keine Einschränkungen beim Essen, kein lästiges Kalorienzählen und auch keine überflüssige Bewegung. Dem Belohnungssystem, das uns immer wieder zum Naschen anregt freien Raum lassen, einfach zu jeder Mahlzeit eine Pille einwerfen, die alles was dick macht entfernt und vielleicht sogar noch überflüssige Pfunde abbaut. – Abnehmen ohne Diät, das verspricht jetzt eine breit gestreute Verbraucherwerbung aufgrund einer in dieser Zeitschrift veröffentlichten Studie zur Wirkung von Refigura [1].

Refigura ist ein Medizinprodukt, das nicht dem Arzneimittelgesetz, sondern dem Medizinproduktegesetz unterliegt. In diesem sind die Vorgaben der Veröffentlichung einer klinischen Studie noch nicht vorgeschrieben. Man vertraute in der EU auf die freiwilligen Vereinbarungen wie die Deklaration von Helsinki, CONSORT-Statement usw. Diese Lage wird nun ausgenutzt, indem sich Studien das Mäntelchen der Wissenschaftlichkeit umhängen und so dem Verbraucher das Gefühl vermitteln, dass er es mit wissenschaftlich gesicherten Ergebnissen zu tun hat, die aufgrund der nicht eingehaltenen Mindeststandards das vermittelte Resultat fragwürdig erscheinen lassen.

Die in der Zeitschrift für Phytotherapie veröffentlichte „BEFORE-Studie“ zur Gewichtsreduktion mit Refigura ohne Änderung der Lebens- und Essgewohnheiten ist ein Beispiel für eine solche Studie. Als Prüfmedikation wurden drei unterschiedlich wirkende Substanzen gemeinsam eingesetzt, das aus dem Schimmelpilz Aspergillus niger gewonnene Chitosan mit einem Anteil von ca. 15 % β-Glucan [2] und Glucomannan.

Chitosan soll mit Fetten eine Emulsion im Gastrointestinaltrakt bilden, was dazu führt, dass ein Teil der Fette nicht absorbiert wird. Gleichzeitig steigt die Magenfüllung, was über hormonelle Effekte (Ghrelin) zu einer gewissen Sättigung beitragen kann. Glucomannan ist ein Quellstoff, der wie viele unverdauliche Ballaststoffe in geringem Maße Fette und Gallensäuren adsorbiert und so der Verdauung entzieht. β-Glucan ist ein natürlicher Bestandteil der Zellwände von Pilzen und Pflanzen, wird durch menschliche Enzyme nicht verdaut, aber stattdessen im Dünndarm aufgenommen und stimuliert das mucosale und das systemische Immunsystem [3], [4]. Die Autoren wollen nun durch Kombination der drei Substanzen prüfen, inwieweit eine Gewichtsreduktion ohne Änderung des Lebens- und Ernährungsstils erreicht werden kann.

Dazu erhalten die Teilnehmer (n = 165 mit BMI zwischen 27 und 35; 81,2 % weiblich), randomisiert in drei Gruppen (zwei Verum-Applikationen in unterschiedlicher Konzentration [Chitosan inklusive β-Glucan/Glucomannan; Verum 1: 1,5/3,0 g bzw. Verum 2: 3,0/4,02 g] und einer Placebogruppe) die Prüfmedikation über einen Zeitraum von 56 Tagen. Primärziel ist das Körpergewicht, Sekundärziele sind Veränderung des Bauchumfangs, des Körperfettanteils und der Lebensqualität.