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DOI: 10.1055/a-0834-2269
Plastisch-rekonstruktive Gesichtschirurgie
Publication History
Publication Date:
05 June 2019 (online)
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Grundlagen
Die plastische Chirurgie des Gesichts hat zwei Hauptaufgaben: Sie muss Funktionsstörungen beseitigen und die Ästhetik des Gesichts wiederherstellen oder verbessern. Abgesehen von Fehlbildungen werden plastisch-rekonstruktive Maßnahmen vor allem zur Beseitigung von Narben, Haut-Weichteil-Defekten oder Deformitäten nach Traumen oder Tumoroperationen notwendig. Funktionserhaltende oder -verbessernde Eingriffe sind ohne Inzisionen mit entsprechender Narbenbildung nicht durchführbar. Funktion und Ästhetik stehen daher in der plastisch-rekonstruktiven Chirurgie zuweilen im Widerspruch. Es erfordert Erfahrung, fundierte Kenntnisse und sorgfältige Planung, um die angestrebte funktionelle Verbesserung mit einer minimalen Einbuße an Ästhetik zu erreichen. Es ist dabei offensichtlich, dass gerade im Gesicht die Ästhetik eine wesentliche Rolle spielt.
Vor Durchführung einer plastischen Gesichtsoperation sollte man sich daher immer folgende allgemeine Regeln vor Augen führen:
Regeln in der plastischen Gesichtschirurgie
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Vor jeder Operation genaue Analyse der Veränderung, Dokumentation der Befunde und gründliche Planung vornehmen.
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Patienten umfassend aufklären, unter Umständen anhand von Abbildungen.
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Keine zu optimistischen Aussagen über den geplanten Eingriff machen, die Vorstellungen des Patienten sorgfältig erfragen und gegenüber dem technisch Machbaren abwägen.
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Niemals mehr korrigieren als in der Einverständniserklärung festgelegt worden ist.
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Alter des Patienten berücksichtigen: Bei Kindern und Jugendlichen wegen der verstärkten Narbenbildung mit Eingriffen, die nicht unbedingt zu diesem Zeitpunkt durchgeführt werden müssen, zurückhaltend sein.
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Geduld bei Nachoperationen: Zum Voreingriff sollte ein angemessener Zeitabstand, in der Regel 9–12 Monate, verstrichen sein; einem verständlichen Drängen des Patienten nicht nachgeben.
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Ein ästhetisch unbefriedigendes Resultat dem Patienten gegenüber nicht beschönigen, zumal ein ungenügender Erfolg nicht notwendigerweise dem Operateur anzulasten ist.
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Restdeformitäten analysieren und mit dem Patienten über Nachkorrekturen sprechen.
Die Beachtung dieser Regeln wird manche Enttäuschung vermeiden helfen. Dennoch sind nicht völlig zufrieden stellende Ergebnisse in bestimmten Fällen auch für erfahrene Operateure unvermeidlich. Gerade die dynamischen Vorgänge der Wundheilung und Narbenbildung lassen sich nur z. T. abschätzen und unterliegen einer individuellen Disposition. Insofern ist eine genaue Kenntnis der Grundlagen plastischer Eingriffe und bewährter Operationsmethoden im Gesicht notwendig, um zu weitgehend voraussehbaren Resultaten zu gelangen.
Chirurgische Anatomie der Haut
Die plastische Chirurgie des Gesichts ist zunächst eine Chirurgie der Haut. Der topografische Aufbau der Haut ist aus [ Abb. 1 ] ersichtlich.
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Die Haut (Kutis) besteht aus zwei Schichten: Epidermis und Dermis (Korium). Die Epidermis umfasst eine oberflächliche, verhornte Schicht und eine tiefe, nicht verhornte Schicht, welche u. a. durch ihren Gehalt an Melanozyten die Hautfarbe bedingt. Die Dermis ist der Träger der Gefäß- und Nervenversorgung der Haut und reich an elastischen und kollagenen Fasern (Lederhaut). Dieser Fasergehalt ist verantwortlich für die Dehnbarkeit und das Retraktionsvermögen der Haut. Beide Faserarten sind im Alter reduziert, die Altershaut ist daher schlaff und neigt zur Faltenbildung.
Der oberflächliche Anteil der Dermis ist mit der Epidermis verzahnt (Papillarkörper), sodass eine tangentiale Verschiebung dieser beiden Schichten gegeneinander nicht möglich ist. Eine Hautverschiebung erfolgt daher immer in der Ebene des subkutanen Fettgewebes (Subkutis), welche die Haut von den darunter liegenden Strukturen (Muskulatur, Knochen) trennt. Die Subkutis ist an manchen Stellen des Gesichts stark ausgeprägt und damit formgebend (z. B. Wange), an anderer Stelle völlig fehlend (z. B. Lider, Ohrmuschelvorderfläche, seitlicher Nasensteg).
Haare, Talg- und Schweißdrüsen liegen als Hautanhangsgebilde zum Teil in der Subkutis, zum Teil in der Dermis. Für die plastische Chirurgie ist von Bedeutung, dass die epithelialen Anteile der Hautanhangsgebilde durch Epidermis und Dermis ziehen. Kopfhaare und Augenbrauen haben in Beziehung zur Hautoberfläche einen schrägen Verlauf. Dies ist bei der Führung des Skalpells zu berücksichtigen (Schnittführung parallel zum Haarschaft).
Die Wundheilung wird u. a. durch den Gehalt der Haut an Talgdrüsen beeinflusst. Bei Nähten in drüsenreichen Arealen (v. a. der Nase, allgemein bei Jugendlichen) kann es zur unschönen Narbenbildung durch Epithelisierung der Stichkanäle aus verletzten Talgdrüsen kommen („Strickleiternarbe“).
Von grundlegender Bedeutung für die plastisch-rekonstruktive Chirurgie, insbesondere für die Konzeption von Hautlappen zur Defektdeckung, ist die Kenntnis der Gefäßversorgung der Haut. Der Gefäßplexus im Papillarkörper der Dermis kann auf zwei Wegen gespeist werden ([ Abb. 1 ]):
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Aus dem subdermalen Gefäßplexus, der in der Subkutis verläuft und ubiquitär vorhanden ist. Aus diesen Gefäßen werden sog. willkürlich gebildete Lappen („random pattern flap“) ernährt.
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Aus einer definierten Arterie (mit Begleitvene). Diese Arterien verlaufen meist auf Muskeln parallel zur Hautoberfläche und senden senkrechte Gefäße (zusätzlich zu den Gefäßen aus dem subdermalen Plexus) zur Haut. Längs dieser Arterien lassen sich Hautlappen bilden, die wesentlich länger sein können als willkürlich gebildete Lappen. Wegen der besonderen Lage der Arterie in der Achse des Lappenstiels werden sie axial versorgte Lappen („axial pattern flap“ oder „arterial flap“) genannt. Typische Beispiele für derartige Arterien sind die A. temporalis superficialis („Temporalislappen“) und die A. supratrochlearis („Stirnlappen“).
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Ästhetische Einheiten und Spannungslinien
Die ästhetischen Einheiten bezeichnen definierte Gesichtsregionen, die bei rekonstruktiven Eingriffen nach Möglichkeit als Ganzes ersetzt werden sollen. Andererseits darf die Wiederherstellung einer Struktur durch Verwendung von Gewebe aus der Nachbarschaft nicht auf Kosten einer Zerstörung der ästhetischen Einheit der Spenderregion erfolgen. Ästhetische Einheiten des Gesichts sind die frontale, supraorbitale, orbitale, infraorbitale, nasale, zygomatikale, bukkale, labiale und mentale Einheit ([ Abb. 2a ]). Einige Regionen, wie die Nase, werden in weitere Untereinheiten aufgeteilt.
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Für die Schnittführung und bei Narbenkorrekturen im Gesicht ist die Beachtung der „relaxed skin tension lines“ (RSTL, [ Abb. 2b ]) und der Faltenlinien der Haut („wrinkle lines“) unerlässlich. Während die RSTL dem spontanen Faltenverlauf nach Hautentspannung entsprechen, orientieren sich die „wrinkle lines“ senkrecht zur Faserrichtung der mimischen Gesichtsmuskulatur. RSTL und Faltenlinien des Gesichts sind weitgehend identisch, verlaufen in einigen Regionen jedoch unterschiedlich (Glabella, lateraler Lidwinkel, seitlicher Nasenabhang). Inzisionen im Gesicht sollen dem Verlauf der RSTL entsprechen (geringe Wundspannung, ungestörte Wundheilung, minimale Narbenbildung) oder bei vorhandenen Falten den „wrinkle lines“ folgen („Narbe in der Falte verstecken“).
Besonders ausgeprägte, regelmäßig anzutreffende Falten wie die Nasolabialfalte (1), die Glabellafalte (2) oder die queren Stirnfalten (3) eignen sich besonders für ästhetisch unauffällige Narben. Bestimmte Gesichtshautlappen grenzen daher an diese Falten an.
Bei Hautinzisionen im Gesicht immer RST-Linien berücksichtigen. Resultierende Narben wo möglich in Falten legen. Bei vorgegebenen Wunden die späteren Narben durch Hautverschiebung in Richtung der RST-Linien orientieren.
Aus: Rettinger G, Hosemann W, Hüttenbrink KW, Werner JA. HNO-Operationslehre – Mit allen wichtigen Eingriffen. 5., vollständig überarbeitete Auflage
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