Diabetes aktuell 2019; 17(02): 41
DOI: 10.1055/a-0836-1449
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Response, Non-Response und Adhärenz

Antje Bergmann
1   Dresden
,
Peter E.H. Schwarz
2   Dresden
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
10. April 2019 (online)

Wenn Sie einen Patienten ein Medikament verschreiben – was vermuten Sie, in wie vielen Fällen das Medikament wirkt? Einige von Ihnen halten das vielleicht für eine kuriose Frage, aber wissenschaftliche Studien zeigen immer mehr, dass unsere medikamentöse Therapie häufig nicht so effektiv ist, wie angenommen. Herr Rathmann hat kürzlich eine Arbeit veröffentlicht, in der dargestellt werden kann, dass in Abhängigkeit von einer genetischen Variante im Glut-2-Rezeptor die Metformin-Wirkung verstärkt oder abgeschwächt wird.

Schaut man kritisch die Literatur durch, so findet man eine Vielzahl von Arbeiten, die das für häufig genutzte orale Medikamente ähnlich darstellen. Solche Informationen sind aber bis heute kaum oder überhaupt nicht für Therapieempfehlungen präsent. Was bedeutet das für uns? Wir geben dem Patienten ein Medikament, meinetwegen Metformin, und in einer substanziellen Anzahl der Fälle wirkt das Medikament nicht oder nur abgeschwächt. Der betreffende Patient kommt wieder zu uns zurück. Was tun wir? Wir sehen, dass das Therapieziel nicht erreicht ist und erhöhen in der Regel die Dosis – eines in diesem Fall nicht wirksamen Medikamentes. Allen ist klar, dass eine Dosiserhöhung auch dazu führt, dass Patienten mehr Nebenwirkungen erfahren können und das ist besonders bedauerlich, wenn die Wirkung fehlt. Einige Pharmakologen sagen uns, dass, wenn der Patient 1000 mg Metformin bekommt und wir den Durchschnitt der Diabetesbevölkerung als Grundlage nehmen, das Metformin nur in etwa 40 % der Fälle wirkt. Das ist ein Dilemma, aus dem es keinen einfachen Ausweg gibt, das aber in den nächsten Jahren intensiv untersucht werden sollte. Gerade wegen der immer weiter zunehmenden Polypharmazie ist das relevant.

Ein zweites Thema, welches für Response und Non-Response entscheidend ist, ist die Therapieadhärenz. Wie viele Pillen nimmt denn unser Patient? Eine Studie unter Hausärzten zeigt: Wenn dem Patienten 3 Medikamente verschrieben werden, die er an 3 unterschiedlichen Zeitpunkten des Tages einnehmen soll, dann nimmt er nur 38 % der Medikamente regulär ein. Erhöhte man jetzt auf ein 4. Medikament, dann sinkt die Adhärenz auf 32 %. Man könnte also argumentieren, dass die Therapieadhärenz sogar noch schwerwiegender für den Therapieerfolg ist als die Non-Response gegenüber einem Medikament. Letztendlich ist das für den Effekt nahezu egal, ob der Patient keine Response auf ein Medikament zeigt oder dieses nicht nimmt. Nur im Hinblick auf die Nebenwirkungen ist es von Bedeutung, gerade diese sind aber häufig Gründe, warum der Patient ein Medikament nicht oder nicht regelmäßig einnimmt. Hier können wir aber etwas tun. Die Therapieadhärenz zu stärken kann deutlicher erfolgreicher sein als weitere Substanzen zu verschreiben und damit Polypharmazie zu unterstützen. Gerade digitale Tools, die einfache Erinnerungen geben oder auch Erfolg akkumulieren und belobigen, können sehr stark therapieunterstützend sein. Hierzu gibt es aber auch noch sehr wenig Forschung. Barrieren sind bekannt und viel wird darüber spekuliert, aber evidenzbasierte Untersuchungen sind rar gesät.

Wir sollten beides im Blick behalten, wenn wir Medikamente verschreiben und damit gegebenenfalls auch großzügig umgehen. Wir wollen unseren Patienten helfen und wir wollen, dass eingesetzte Medikamente klug und individuell eingesetzt werden, dann aber auch wirken – einmal aufgrund ihres pharmakologischen Profils und ebenfalls, weil der Patient sie einnimmt. Hier können wir dazu lernen.