Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2020; 55(01): 12-26
DOI: 10.1055/a-0862-4189
Topthema
CME-Fortbildung
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Symptomkontrolle in der Palliativmedizin (ohne Schmerztherapie)

Symptom Control in Palliative Care
Hinnerk Wulf
,
Christian Volberg
,
Astrid Morin
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
22. Januar 2020 (online)

Zusammenfassung

Patienten in palliativer Erkrankungsphase leiden häufig unter einer Vielzahl belastender Symptome mit deutlicher Einschränkung der Lebensqualität. Die Behandlung gestaltet sich hierbei oftmals schwierig. Zum einen, da die Patienten zumeist mehrere Probleme gleichzeitig mitbringen, und zum anderen, weil die notwendigen Medikamente an anderer Stelle Nebenwirkungen hervorrufen können, die ihrerseits wiederum behandelt werden müssen. Im vorliegenden Artikel erläutern wir einen Großteil dieser Symptome und geben Behandlungsempfehlungen anhand der aktuellen Literatur (ausgenommen Schmerztherapie). Im Speziellen ist der Artikel in folgende Unterpunkte gegliedert: Mukositis/Stomatitis, Atemnot, Übelkeit, Obstipation, Angst, Depression, Schwäche/Fatigue, Delir, Schlafstörungen und terminale Unruhe, Pruritus, Pleuraerguss, Aszites. Nur selten kann man in der Arbeit mit Palliativpatienten nach Lehrbuch vorgehen. Man muss improvisieren, Medikamente abseits ihrer Zulassung (Off-Label) gebrauchen oder manchmal auch einfach nur da sein. Der wichtigste Grundsatz in der Arbeit mit Palliativpatienten liegt in der Erhaltung oder Wiederherstellung der Lebensqualität. Unsere Therapie sollte immer an die Bedürfnisse des Patienten angepasst sein und es gilt, die Autonomie des Betroffenen zu wahren.

In der palliativen Erkrankungsphase leiden Patienten häufig unter einer Vielzahl belastender Symptome. Oft gestaltet sich die Behandlung schwierig, da zumeist mehrere Probleme gleichzeitig bestehen und die notwendigen Medikamente wiederum behandlungsbedürftige Nebenwirkungen hervorrufen können. Der Beitrag geht auf wichtige Symptome – außer Schmerzen – ein und gibt Behandlungsempfehlungen anhand der aktuellen Literatur.

Abstract

Patients with palliative diseases often suffer from a variety of onerous symptoms with marked impairment in quality of life. The treatment is often difficult. One reason is that patients usually have several problems at the same time. Another reason is that the need for medication can cause additional side effects, which in turn have to be treated as well. In this article we explain most of these symptoms and give treatment recommendations based on the current literature (excluding pain therapy). In particular, this article is divided into the following sub-items: mucositis/stomatitis, dyspnea, nausea, constipation, anxiety, depression, weakness/fatigue, delirium, sleep disorders and terminal restlessness, pruritus, pleural effusion, ascites. Most palliative patients need individualized treatment. Sometimes medication has to be used in an off-label way, and sometimes one must just hold a hand and be there for the patient or their relatives. The most important principle in working with palliative care patients is to maintain or restore quality of life. Our therapy should always be adapted to the needs of the patient and the most important goal is to preserve our patientsʼ autonomy.

Kernaussagen
  • Palliativpatienten präsentieren meist eine Vielzahl belastender Symptome. Die Therapie orientiert sich an den Bedürfnissen und Vorstellungen der Betroffenen. Oftmals können Medikamente aufgrund fehlender Studienevidenz nur im Off-Label-Use verwendet werden.

  • Patienten mit Mukositis profitieren von einer guten Mundpflege, gekühlten Getränken oder dem Lutschen von Eiswürfeln.

  • Dyspnoe kann am besten mit Opioiden gelindert werden, hierdurch wird eine Ökonomisierung der Atemarbeit erreicht.

  • Die Therapie der Übelkeit ist mitunter sehr schwierig, und die Kombination mehrerer Präparate kann erforderlich werden.

  • Obstipation tritt bei bis zu 75% der Palliativpatienten auf, das Stufenschema sollte bei der Behandlung eingehalten werden. Ein prophylaktischer Einsatz von Laxanzien ist besonders bei der Gabe von Opioiden notwendig.

  • Ängste und Depression können die Lebensqualität stark einschränken. Bei ausgeprägtem Leidensdruck sollte auf jeden Fall eine medikamentöse Therapie eingeleitet werden.

  • Fatigue ist ein sehr belastendes Symptom für Palliativpatienten, der Ausgleich physiologischer Mängel und ein strukturierter Tagesablauf helfen in der Behandlung.

  • Pruritus kann sich durch die Entstehung eines Teufelskreises in Form eines „Juck-Kratz-Zirkels“ selbst unterhalten und sehr quälend für die Betroffenen werden.

  • Bei Pleuraergüssen und Aszites ist oftmals die Anlage einer dauerhaften Drainage notwendig. Patienten können damit auch gut zu Hause versorgt werden.