Nervenheilkunde 2019; 38(06): 363-371
DOI: 10.1055/a-0873-9009
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Demenz durch Fernsehen

Kognitive Beeinträchtigungen bei älteren Menschen durch übermäßigen TV-Konsum
Manfred Spitzer
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Publication Date:
12 June 2019 (online)

ZUSAMMENFASSUNG

Das Fernsehen wurde als eine besondere kulturelle Aktivität beschrieben, bei der rasch wechselnde fragmentierte dichte sensorische Reize einerseits mit Passivität des Betrachters andererseits kombiniert sind. Aufgrund der genannten Charakteristika ist diese kulturelle Aktivität – wie viele andere kulturelle Aktivitäten auch – möglicherweise gesundheitsschädlicher als bisher angenommen wurde. Dies betrifft nicht nur die Kindheit und Jugend, sondern auch und gerade das höhere Alter. Ab einer täglichen Nutzungsdauer von 3,5 Stunden hat nach dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnis das Fernsehen bei Menschen im Alter von über 50 Jahren einen ungünstigen Einfluss auf den weiteren Verlauf der geistigen Leistungsfähigkeit. Der Zusammenhang ist nicht auf Bewegungsmangel oder die Verdrängung anderer gesunder Verhaltensweisen zurückzuführen und bleibt auch bei Berücksichtigung der üblichen demografischen und gesundheitlichen Variablen bestehen. Angesichts der gegenwärtigen demografischen Entwicklung wird ohnehin mit einer deutlichen Zunahme demenzieller Erkrankungen in den nächsten Jahrzehnten gerechnet, die unser Gesundheitssystem stark belasten wird. Der mit zunehmendem Alter deutlich zunehmende TV-Konsum verstärkt damit eine Entwicklung, der wir gegensteuern müssen. Es besteht daher dringender Forschungsbedarf im Hinblick auf unseren „alltäglichen“ und zugleich gesundheitsschädlichen Bildschirmmedienkonsum.