Dtsch Med Wochenschr 2020; 145(13): 871
DOI: 10.1055/a-0952-9661
Editorial

Muskelschmerzen und Muskelschwäche – eine interdisziplinäre Herausforderung

Muscle pain and muscle weakness – an interdisciplinary challenge
Elisabeth Märker-Hermann

Muskelschmerzen gehören zu den häufigsten Symptomen, mit denen sich Patienten in der Allgemeinarztpraxis vorstellen. Ihre Ursache ist vielfältig, zudem können sie mit anderen Symptomen wie Schwäche, Fieber, Gelenkbeschwerden, Minderung des Allgemeinzustands oder Depressionen einhergehen. Akute polytope oder fokale Muskelschmerzen bzw. schmerzhafte Tendomyosen sind in diesem Zusammenhang meist unproblematisch und durch Anamnese, klinische Untersuchung sowie gezielte Laboruntersuchungen abzuklären, die Therapie ist meistens symptomatisch. Die Anamnese mit genauer Schmerzbeschreibung ist häufig bereits wegweisend und kann myogene gegenüber neurogenen oder vaskulär bedingten Schmerzen abgrenzen. Besteht hingegen ein diffuser oder generalisierter Muskelschmerz über einen längeren Zeitraum oder im Zusammenhang mit Entzündungszeichen (Nacht- und Morgensteifigkeit, erhöhtes C-reaktives Protein) bzw. einer Muskelschwäche, so sind weitergehende Untersuchungen dringend indiziert.

Das vorliegende Dossier gibt einen umfassenden Überblick über die Ursachen, diagnostischen Schritte und Therapieansätze bei Muskelschmerzen und Muskelschwäche. Die Autoren Roicke, Köhler, Baum, Baerwald und Krasselt – Internisten, Rheumatologen und Neurologen – behandeln im ersten Beitrag das Gebiet der nichtentzündlichen Muskelschmerzen. Diese nehmen den zahlenmäßig größten Teil der Patienten mit Myalgien ein, wenn man das häufige Fibromyalgiesyndrom (Prävalenz in Deutschland ca. 2 %) und die medikamentös-toxischen (hier insbesondere die Statin-induzierten) Myopathien betrachtet. Beim Leitsymptom der Muskelschwäche gilt es, die eher seltenen neurologischen Muskelerkrankungen nicht zu übersehen.

Im zweiten Beitrag stellt Wolfgang A. Schmidt die häufigste entzündlich-rheumatische, mit Myalgien einhergehende Erkrankung, die Polymyalgia rheumatica (PMR), vor. Diese kann mit einer Riesenzellarteriitis (RZA) vergesellschaftet sein. Die Prävalenz der PMR und RZA wird häufig unterschätzt, da sich die Patienten an Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen wenden. Bei der PMR sind dies Allgemeinmediziner und Internisten, Rheumatologen, Geriater und Orthopäden, bei der RZA neben Rheumatologen auch Ophthalmologen (akute Sehstörungen!), Neurologen (Kopfschmerzen) und Angiologen. Die differenzialdiagnostische Abgrenzung gegen andere entzündlich-rheumatische Erkrankungen und paraneoplastische Syndrome wird dargestellt. Aktuelle Klassifikationskriterien und Leitlinien stützen das systematische diagnostische Vorgehen und die Therapie der PMR und der RZA.

Die Kollegen Tomaras, Kekow und Feist diskutieren schließlich in ihrer Arbeit die seltenen idiopathischen inflammatorischen Myopathien (IIM), zu denen es neue Erkenntnisse gibt, die auch für die Leserschaft der DMW von Interesse sind. Zu den IIM zählen die Dermatomyositis (DM), die Polymyositis (PM), die Einschlusskörpermyositis („inclusion body myositis“, IBM) und die erst seit 15 Jahren bekannte autoimmun-nekrotisierende Myopathie (ANM). Die präzisere Klassifikation, die in den 2017 publizierten Klassifikationskriterien der European League Against Rheumatism (EULAR) publiziert und im Beitrag vorgestellt wird, ist unter anderem durch neuere Myositis-assoziierte Antikörper und deren Korrelation mit dem klinischen Phänotyp erleichtert. Die Zuordnung zu Untergruppen der IIM, der Schweregrad der Myopathie und das Ausmaß der extramuskulären Manifestationen bestimmen die Therapie der IIM. Angesichts der Komplexität ist auch bei den IIM eine aktive Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und Fachärzten für Rheumatologie, Pneumologie, Dermatologie und Neurologie essenziell.

Zoom Image
Prof. Dr. med. Elisabeth Märker-Hermann


Publication History

Article published online:
02 July 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York