Z Orthop Unfall 2019; 157(05): 483-491
DOI: 10.1055/a-0956-2126
Sonstige
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prof. Herbert Junghanns (1902 – 1986) – eine widersprüchliche Karriere

Prof. Herbert Junghanns (1902 – 1986) – a Contradictory Career
Wolfgang Dube
Zentrum für Wirbelsäulenchirurgie und Neurotraumatologie, BG Unfallklinik Frankfurt am Main gGmbH
,
Frank Kandziora
Zentrum für Wirbelsäulenchirurgie und Neurotraumatologie, BG Unfallklinik Frankfurt am Main gGmbH
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Publication Date:
08 October 2019 (online)

Noch vor wenigen Jahrzehnten war der Name Junghanns nahezu jedem mit der Wirbelsäule näher befassten Mediziner bestens vertraut: sei es als Erstbeschreiber des „Bewegungssegmentes der Wirbelsäule nach Junghanns“, sei es als Koautor des Standardwerkes „Die gesunde und kranke Wirbelsäule in Röntgenbild und Klinik“, sei es als „Papst der Wirbelsäulenchirurgie“ schlechthin oder sei es als hochgeehrter Klinikdirektor. Heute hingegen ist sein Name weitestgehend in Vergessenheit geraten, und nur wenigen Eingeweihten ist noch bekannt,

  • dass das von Junghanns gemeinsam mit seinem Lehrer Schmorl verfasste und über Jahrzehnte gültige Standardwerk auf einer umfangreichen morphologischen Untersuchung von insgesamt mehr als 10 000 Wirbelsäulenpräparaten beruhte;

  • dass Junghanns als Chefarzt der 1962 neu gegründeten BG Unfallklinik Frankfurt/Main in den Räumen dieser Klinik die Gründung der heute mehr denn je unverzichtbaren „Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften“ (AWMF) initiierte;

  • dass Junghanns seit seiner Wahl zum Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) 1961 somit auch in einer Reihe mit solchen Heroen der deutschen Chirurgie wie B. v. Langenbeck, E. v. Bergmann, A. Bier und F. Sauerbruch steht;

  • dass sich Junghanns als langjähriger Generalsekretär der DGCH intensiv für eine anforderungsgerechte Strukturierung der chirurgischen Facharztausbildung, u. a. mit der Einführung des neuen Teilgebietes „Unfallchirurgie“ [1], engagierte;

  • dass Junghanns neben vielen anderen Ehrungen wie dem Großen Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, der Ehrendoktorwürde der Goethe-Universität Frankfurt und der Ehrenplakette der Stadt Frankfurt auch mit der höchsten Auszeichnung der DGCH, der Ernst-von-Bergmann-Medaille, geehrt wurde.

 
  • Literatur

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  • 10 Schreiben von Prof. Schmieden vom 20.11.1934. Personalakte Junghann, Herbert. Bundesarchiv/Zentralarchiv. Z/B II 1887, Akte 8, J18, Bl. 23.
  • 11 Habilitationsakte Junghanns, Herbert. Senckenbergisches Institut für Geschichte und Ethik der Medizin. Frankfurt am Main:
  • 12 Daum M, Deppe H-U. Zwangssterilisation in Frankfurt am Main 1933 – 1945. Frankfurt, New York: Campus; 1991
  • 13 Junghanns H. Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses. „Deutscher Arbeitsdienst“ 1934; 4: 1561-1563
  • 14 Junghanns H. Vorschlag zur pflichtmässigen histologischen Untersuchung des Samenleiters bei gesetzlich angeordneter Unfruchtbarmachung des Mannes. Zentralbl Chir 1934; 46: 2677-2678
  • 15 Junghanns H. Darstellung der Samenblasen im Röntgenbild durch Jodipin. Röntgenpraxis 1936; 8: 21-24
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  • 17 Leuchtweis-Gerlach B. Das Waldkrankenhaus Köppern (1901 – 1945): Die Geschichte einer psychiatrischen Klinik. Frankfurt: Mabuse; 2001
  • 18 Junghanns H. Eröffnungsansprache zur 78. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, München 1961. Langenbecks Arch Klin Chir 1961; 298: 3-28
  • 19 Jahresberichte der BG Unfallklinik Frankfurt/Main.
  • 20 [Anonym] Kurzer Abriss der Geschichte der AWMF. https://www.awmf.org/die-awmf/geschichte-der-awmf.html Stand: 30.08.2019
  • 21 Wilke H-J, Carstens C. Geschichte der Deutschen Wirbelsäulengesellschaft. Unfallchirurg 2015; 118 (Suppl. 01) 4-11
  • 22 Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. Richtlinien für die Vergabe des Reisestipendiums der Herbert-Junghanns-Stiftung. Im Internet: https://www.dgch.de/fileadmin/media/pdf/dgch/Vergabekriterien_Herbert-Junghanns-Stipendium_2019.pdf Stand: 30.08.2018
  • 23 Schmorl G, Junghanns H. Die gesunde und kranke Wirbelsäule in Röntgenbild und Klinik. Stuttgart: Thieme; 1968
  • 24 Junghanns H. Die Wirbelsäule in der Arbeitsmedizin. Stuttgart: Hippokrates; 1979
  • 25 Bonhoeffer K. Und was hätte ich getan?. In: Kolb S, Seithe H. IPPNW. Hrsg. Medizin und Gewissen. Frankfurt am Main: Mabuse; 1998
  • 26 Hauptmann J. Ferdinand Sauerbruch und das Dritte Reich. Plädoyer für eine differenzierte Betrachtung. Im Internet: https://www.maik-foerster.de/pdf/joerghauptmann-sauerbruch_dossier.pdf Stand: 30.08.2019
  • 27 Eckart WU. Medizin in der NS-Diktatur. Ideologie, Praxis, Folgen. Weimar, Wien, Köln: Böhlau; 2012
  • 28 Kater M. Ärzte als Hitlers Helfer. München: Piper; 2002
  • 29 Rüther M. Ärztliches Standeswesen im Nationalsozialismus 1933–1945. In: Jütte R. Hrsg. Geschichte der deutschen Ärzteschaft. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag; 1997
  • 30 Benzenhöfer U. Die Frankfurter Universitätsmedizin zwischen 1933 und 1945. Münster/Ulm: Klemm+Oelschläger; 2012
  • 31 Nürnberger Erklärung des 115. Deutschen Ärztetages 2012. Im Internet: https://www.bundesaerztekammer.de/ueber-uns/aerzteschaft-im-nationalsozialismus/nuernberger-erklaerung/ Stand: 30.08.2019