Die Wirbelsäule 2020; 04(04): 240-241
DOI: 10.1055/a-0968-7789
Editorial

Zervikale Myelopathie

Ralph Kothe
Zoom Image
PD Dr. med. Ralph Kothe

Sehr geehrte Mitglieder der DWG, sehr geehrte Mitglieder der Österreichischen Gesellschaft für Wirbelsäulenchirurgie, liebe Leser,

Die degenerative zervikale Myelopathie (degenerative cervical myelopathie – DCM) ist eine altersabhängige degenerative Erkrankung der Halswirbelsäule, die zu einer Kompression und funktionellen Schädigung des zervikalen Rückenmarks führt. Es ist weltweit die häufigste Ursache für eine Rückenmarksschädigung beim älteren Menschen. Bei einer immer älter werdenden Bevölkerung, einer verbesserten Diagnostik und chirurgischen Therapie und zunehmender Evidenz für einen positiven Verlauf der Erkrankung nach operativer Behandlung ist die DCM ein ausgesprochen interessantes Thema für ein Schwerpunktheft unserer Zeitschrift.

K. Schöller und S. Stiller haben sich im ersten Beitrag mit den Möglichkeiten einer verbesserten bildgebenden Diagnostik der DCM beschäftigt. Die Diffusion Tensor Bildgebung (diffusion tensor imaging – DTI) ist eine auf der MRT basierende, neuartige Untersuchungsmodalität, welche auf der Messung der Diffusionseffekte von Wassermolekülen auf zellulärer Ebene basiert und eine Beurteilung der Integrität der weißen Rückenmarkssubstanz ermöglicht. Der Beitrag zeigt die Einsatzmöglichkeiten des DTI bei der zervikalen Myelopathie und gibt gleichzeitig einen spannenden Ausblick auf zukünftige Entwicklungen.

Jeder von uns kennt die leidvolle Erfahrung, wenn der Patient nach einer unauffälligen Operation an der Halswirbelsäule den Arm nicht mehr heben kann. S. O. Eicker und F. W. Floeth betrachten in Ihrer Übersichtarbeit zur postoperativen C5-Parese nicht nur die Inzidenz dieser häufigen Komplikation, sondern auch die unterschiedlichen möglichen Ursachen für diese funktionell relevante neurologische Schädigung. Trotz der multifaktoriellen Ätiologie geben die Autoren wertvolle Hinweise über nachgewiesene Risikofaktoren und mögliche prophylaktische Maßnahmen. Dabei stützen sie sich neben der aktuellen Literatur auch auf Daten aus einer eigenen klinischen Kohortenstudie.

Die zervikale Myelopathie galt viele Jahre als Kontraindikation für die Implantation einer zervikalen Bandscheibenprothese. C. Mehren und B. Storzer zeigen in Ihrem Beitrag das aufgrund aktueller Studien und eigenen Daten hier ein Umdenken notwendig ist. Die Implantation einer Bandscheibenprothese kann unter bestimmten Bedingungen auch bei der DCM eine sinnvolle Alternative zur Fusion darstellen. Durch ausgesuchte klinische Fälle zeigen die Autoren sehr illustrativ die Indikationen und Kontraindikation für die Verwendung einer Bandscheibenprothese bei Patienten mit DCM auf.

Bei der multisegmentalen spondylogenen zervikalen Myelopathie favorisieren viele Chirurgen den dorsalen Zugang zur effektiven Entlastung des Rückenmarkes. Im deutschsprachigen Raum bedeutet das fast immer eine multisegmentale Laminektomie mit dorsaler Stabilisierung durch Massa Lateralis Schrauben. Das es durchaus auch weniger invasive Techniken gibt, beschreiben G. Schmeiser et al. in ihrem Beitrag über die dorsalen Dekompressionstechniken bei multisegmentaler Stenose. Die Laminoplastie über einen unilateralen Zugang ist gerade bei älteren Patienten eine attraktive weniger invasive Alternative zum klassischen Verfahren der Laminektomie. In ausgesuchten Fällen kann dies mit einer unilateralen Stabilisierung über den gleichen Zugang kombiniert werden. Die Autoren beschreiben in ihrem Beitrag die verschiedenen operativen Techniken und geben dabei hilfreiche Hinweise für die Auswahl des jeweiligen Verfahrens.

Als Gast-Editor möchte ich mich an dieser Stelle bei den Autoren für Ihre zuverlässige Arbeit und die wertvollen Beiträge bedanken. Die Artikel enthalten für jeden unserer Leser neue Aspekte und hilfreiche Anregungen für die tägliche Arbeit. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und freue mich zusammen mit den Kollegen der Schriftleitung auf Ihre Kommentare und Rückmeldungen zu diesem Schwerpunktheft.

Ihr
Ralph Kothe



Publication History

Article published online:
29 October 2020

© 2020. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany