Download PDF
Geburtshilfe Frauenheilkd 2019; 79(09): 924-929
DOI: 10.1055/a-0979-0576
GebFra Magazin
Geschichte der Gynäkologie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„Ich bin nicht von Himmler gerufen worden, sondern habe mich ausschliesslich aus wissenschaftlichem Interesse an ihn gewandt“

Das Wirken des Gynäkologen Carl Clauberg (1897 – 1957) im KZ Auschwitz und in der „Stadt der Mütter“ Bad Königsdorff/O. S.
Andreas D. Ebert
,
Hans-Joachim Lang
,
Matthias Uhl
,
Matthias David
Further Information

Publication History

Publication Date:
11 September 2019 (online)

Also available at
    Permissions and Reprints

„Der Fall Clauberg“ titelte der „Stern“ am 19. Januar 1957 [1] und lieferte seinen Lesern eine Reportage „Die Wunden werden aufgerissen“ über den Gynäkologen Carl Clauberg ([Abb. 1]), der im KZ Auschwitz verbrecherische Sterilisationsexperimente an jüdischen Frauen durchgeführt hatte, und betonte im Stil der Zeit: „… Doch einmal muss ein Ende sein. Einmal muss der Vorhang des Vergessens über diese Dinge gebreitet werden. Unzählige kleine Parteigenossen und einfache Soldaten haben jahrelang unter dem Vorwurf der Kollektivschuld gelitten, während sich die wirklich Schuldigen durch Selbstmord oder Flucht aus der Affaire zogen. Clauberg ist einer der wirklichen Schuldigen. Jetzt kommt es darauf an zu zeigen, dass deutsche Richter mit solchen Verbrechern genau so hart ins Gericht gehen wie die alliierten Richter. Denn nur, wenn die Schuldigen wirklich bestraft werden, kann der Makel, als wären wir alle an ihren Verbrechen beteiligt, von uns genommen werden …“ [1]. Nicht lange nach der Publikation dieses „Stern“-Artikels ([Abb. 2]) starb Prof. Dr. med. Carl Clauberg in einer Kieler Untersuchungshaftanstalt. Noch bis vor wenigen Jahren [2], [3] bezeichnete man mit dem Eponym „Clauberg-McPhail-Test“ ein Testsystem zur Bestimmung der biologischen Aktivität von Progesteron bzw. Gestagenen [3], [4], [5], [6], [7].

 

  • Literatur

  • 1 Anonymous Die Wunden werden aufgerissen. Stern 1957; Heft 3: 8 – 11.
    PubMedGoogle Scholar
  • 2 Kurata Y, Tabata Y, Shinei R. et al. Endocrinological properties of two novel nonsteroidal progesterone receptor modulators, CP8816 and CP8863. J Pharmacol Exp Ther 2005; 313: 916-920
    CrossrefPubMedGoogle Scholar
  • 3 Clauberg C. Zur Exakten Testierung des Spezifischen Hormons des Corpus Luteum. Ergänzende Bemerkungen zum Luteohormontest am infantilen Kaninchen. Klin Wochenschr 1931; 10: 1949-1952
    CrossrefPubMedGoogle Scholar
  • 4 Simmer HH, Süss J. Der Gestagentest am infantilen Kaninchen. Die Erfindung von Willard M. Allen und ihre Anwendung durch Carl Clauberg. Ein Beitrag zur Problematik von Eponymen HH. Würzburger medizinhist. Mitteilungen 1995; 13: 399-416
    PubMedGoogle Scholar
  • 5 Süss J, Simmer HH. Zum Gestagentest am infantilen Kaninchen. Der Prioritätsanspruch von Walter Hohlweg. Würzburger medizinhist. Mitteilungen 1996; 14: 499-509
    PubMedGoogle Scholar
  • 6 Simmer HH, Süss J. Der Corner-Allan-Test. Die Entwicklung eines spezifischen semiquantitativen biologischen Nachweisverfahrens für das Gelbkörperhormon (Progesteron). Würzburger medizinhist. Mitteilungen 1998; 17: 291-313
    PubMedGoogle Scholar
  • 7 Schäfer D. Abschaffen oder beibehalten?. Dtsch Arztebl 2018; 115: A578
    PubMedGoogle Scholar
  • 8 Grosch H. Der Kieler Gynäkologe Carl Clauberg und die Bevölkerungspolitik des Nationalsozialismus. In: Heesch E. Hrsg. Heilkunst in unheilvoller Zeit. Beiträge zur Geschichte der Medizin im Nationalsozialismus. Frankfurt a. M.: Mabuse; 1993: 85-118
    Google Scholar
  • 9 Landesarchiv Schleswig-Holstein (LAS), Schleswig. Abt 352.3 Strafverfahren gegen Carl Clauberg. Vernehmungen. Nr. 16433.
    PubMedGoogle Scholar
  • 10 Landesarchiv Schleswig-Holstein (LAS), Schleswig. Abt 352.3 Strafverfahren gegen Carl Clauberg. Anklageschrift. Nr. 16466.
    PubMedGoogle Scholar
  • 11 Kolbow H. Geschichte der Universitäts-Frauenklinik Königsberg in Preußen. In: Hensel H. Hrsg. Medizin in Ostpreußen. Starnberg: Druckerei Josef Jägerhuber GmbH; 1996: 296-302
    Google Scholar
  • 12 Clauberg C. Innere Sekretion der Ovarien und der Placenta. In: Berblinger W. Hrsg. Zwanglose Abhandlungen aus dem Gebiet der Inneren Sekretion. Band 2. Leipzig: Johann Ambrosius Barth; 1937
    Google Scholar
  • 13 Clauberg C. Ovarium, Hypophyse, Placenta und Schwangerschaft in ihrer innersekretorischen Beziehung zur Frauenheilkunde. In: Stoeckel W. Hrsg. Handbuch der Gynäkologie. Band 9. München: J. F. Bergmann; 1936: 109-579
    Google Scholar
  • 14 Clauberg C. Die Therapie mit Sexualhormonen bei der Frau. In: Stoeckel W. Hrsg. Handbuch der Gynäkologie. Band 9. München: J. F. Bergmann; 1936: 965-1046
    Google Scholar
  • 15 Moors M, Pfeiffer M. Hrsg. Heinrich Himmlers Taschenkalender 1940. Kommentierte Edition. Paderborn: Ferdinand Schönigh; 2013: 222
    Google Scholar
  • 16 Schultze GKF. Gynäkologische Röntgendiagnostik. Stutgart: Ferdinand Enke; 1939
    Google Scholar
  • 17 Schröder R. Die Wirkung des Lipiodols auf die Genitalschleimhaut und das Beckenbauchfell. Arch Gynäkol 1930; 142: 514-529
    CrossrefPubMedGoogle Scholar
  • 18 von Mikulicz-Radecki F. Experimentelle Untersuchungen über Tubensterilisiation durch Elektrokoagulation. Z Geburtsh Gynäkol 1929; 94: 318-341
    PubMedGoogle Scholar
  • 19 von Mikulicz-Radecki F, Freund A. Ein neues Hysteroskop und seine praktische Anwendung in der Gynäkologie. Z Geburtsh Gynäkol 1928; 92: 13-25
    PubMedGoogle Scholar
  • 20 Lang HJ. Die Frauen von Block 10. Medizinische Versuche in Auschwitz. Überarbeitete Neuauflage. Augsburg: Weltbild; 2018
    Google Scholar
  • 21 Clauberg an Himmler, 30.5.1942 (mit handschriftlichen Vermerk Himmlers vom 8.7.1942), BArch NS19/1583, Bl. 40 – 42.
    PubMedGoogle Scholar
  • 22 Schreiben von Grawitz an Himmler, 29.5.1942, BArch, NS19/1583, Bl. 3.
    PubMedGoogle Scholar
  • 23 Schreiben von Grawitz an Himmler, 30.5.1942, BArch, NS19/1583, Bl. 39.
    PubMedGoogle Scholar
  • 24 Witte P, Wildt M, Voigt M. Hrsg. Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1941/42. Hamburg: Hans Christians; 1999: 480
    Google Scholar
  • 25 Zeugenvernehmung Silvia Veslá, geb. Friedmanová, am 3. Juli 1957 durch die Generalstaatsanwaltschaft Prag. The Wiener Library, Nr. 1656/3/8/659.
    PubMedGoogle Scholar
  • 26 Aly G. „Seelige Erinnerung an Auschwitzens…“. Berliner Zeitung, 10.11.2015, S. 4.
    PubMedGoogle Scholar
  • 27 Akte „Persönliche Sache des Häftlings Klauberg, Karl Karlowitsch“, Arch.-No.: IO-193771.
    PubMedGoogle Scholar
  • 28 Zvelev JV, Ailamazyan EK, Bezhenar VF. Hrsg. Das Band der Zeiten. Die Geburtshelfer und Gynäkologen Russlands in drei Jahrhunderten. St. Petersburg: Verlag N-L; 2010: 155-157 (russ.)
    Google Scholar
  • 29 Eichmüller A. Keine Generalamnestie. Berlin: DeGruyter; 2012: 135-142
    Google Scholar
  • 30 Dimpfl T, Wallwiener D, Drost F. Hrsg. „Ausführer und Vollstrecker des Gesetzeswillens“ – die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie im Nationalsozialismus. Geburtsh Frauenheilk 2016; 76: S1-S158
    Article in Thieme ConnectPubMedGoogle Scholar
  • 31 Sehn J. Carl Claubergs verbrecherische Unfruchtbarmachungsversuche an Häftlings-Frauen in den Nazi-Konzentrationslagern. In: Hefte von Auschwitz 2. Wydawnictwo Panstwowego Muzeum w Oswiecimiu; 1959: 3-32
    Google Scholar
  • 32 Fejkiel W. Ethisch-rechtliche Grenzen bei Experimenten in der Medizin – und der Fall Prof. Clauberg. In: Hefte von Auschwitz 2. Wydawnictwo Panstwowego Muzeum w Oswiecimiu; 1959: 33-50
    Google Scholar
  • 33 Gorbunova SI. Nazistskie prestuplenija v konzlagere Auschwitz. Delo Karl Klauberga. – Ucenye zapiski. Vypusk 8. Moskva: 2016: 17-29 (russ.)
    Google Scholar