PPH 2019; 25(06): 310
DOI: 10.1055/a-1003-5164
Rund um die Psychiatrie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Für Sie gelesen: Aktuelle Studien: Lange J, Boecker L. Schadenfreude as Social-Functional Dominance Regulator. Emotion 2019; 19 (3): 489–502

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Publication Date:
25 November 2019 (online)

Hintergrund: Schadenfreude ist das Vergnügen, das man erlebt, wenn man eine bestimmte Person leiden sieht. Eine Vielzahl von Variablen trägt dazu bei, dass Schadenfreude entsteht, zum Beispiel kann ein zunächst prahlerischer Sieger, der nachträglich bei einem Wettbewerb disqualifiziert wurde, bei den Verlierern Schadenfreude auslösen.

Die Forschung hat bereits belegt, dass ein beruflicher oder privater Erfolg vor allem dann als unverdient empfunden wird, wenn wir die Person nicht besonders mögen. Schadenfreude ist eine im Wesentlichen soziale Emotion die neben einer intrapersonalen Funktion auch einen sozialfunktionalen Ansatz aufweist. Ausgeprägtes dominantes und unterdrückendes Verhalten einzelner Personen verbunden mit einer strengen Hierarchie kann die Schadenfreude bei anderen Menschen in diesem Umfeld fördern, zum Beispiel wenn eine dominante Person ein Unglück oder einen beruflichen Misserfolg erleidet.

Die Annahme dieser Studie ist, dass durch die Schadenfreude die Dominanz vermeintlich anderer überlegener Personen verringert werden soll. Die Hypothese ist, dass die zum Ausdruck gebrachte Schadenfreude der weniger dominanten Personen eine adaptive Strategie ist, um den Unterdrücker im Gespräch mit anderen Menschen oder öffentlich lächerlich zu machen und folglich die Dominanz dieser Person in den Augen anderer zu verringern. Damit wird den Beobachtern die Information vermittelt, dass die ursprünglich dominierende Person nicht länger gefürchtet werden muss und somit die Dominanz verringert wird.

Methode: Die Hypothese wurde mit 7 verschiedenen Studien untersucht, an denen insgesamt 2362 Probanden teilnahmen. Die Methoden beinhalteten Fallgruppenbeispiele, Befragungen und Verhaltenseinschätzungen mit verschiedenen Skalen.

Ergebnis: In der Auswertung der 7 Studien wurde belegt, dass Schadenfreude eine Reaktion auf ein Unglück und einen Misserfolg ist, welches/welcher eine dominante Person betrifft und die Kommunikation der Schadenfreude diese Dominanz reduzieren kann. Wenn erfolgreiche Personen ein dominantes Verhalten aufweisen, wurde die Schadenfreude gegenüber diesem Menschen verstärkt. Die Kommunikation von Schadenfreude im nahen Umfeld und in der Öffentlichkeit der erfolgreichen Person führte tatsächlich dazu, dass die wahrgenommene Dominanz bei Dritten reduziert wird.

Fazit: Die aktuelle Studie legt einen sozialfunktionalen Ansatz für Schadenfreude nahe und impliziert, dass Schadenfreude dazu beiträgt, Dominanzhierarchien zu regulieren. Die Evidenz erweitert damit den in früheren Forschungen vorherrschenden intrapersonalen Ansatz und eröffnet neue Perspektiven auf das Phänomen der Schadenfreude.

Jörg Kußmaul