Zusammenfassung
Hintergrund In der operativen Therapie der idiopathischen Skoliose hat sich die dorsale Korrekturspondylodese mit Pedikelschrauben-Doppelstabsystem in Freihandtechnik bewährt und wird häufig durchgeführt. Durch Fehllage der Pedikelschrauben können schwerwiegende neurovaskuläre Komplikationen resultieren. Zur Überprüfung einer korrekten Schraubenlage werden intraoperative fluoroskopische Kontrollen sowie neurophysiologische Messungen durchgeführt. Neuere Verfahren mit fluoroskopischer oder computertomografisch gestützter Navigation werden als risikoärmer und mit genauerer Schraubenlage beworben.
Fragestellung Ist die Freihandtechnik in der operativen Behandlung der idiopathischen Skoliose in Bezug auf die Komplikationen durch Schraubenfehllage und die intraoperative Strahlenexposition im Vergleich zu anderen Verfahren sicher?
Material und Methoden Prospektiv wurden Registerdaten von 34 konsekutiven Patienten erfasst und retrospektiv analysiert, die aufgrund einer doppelbogigen idiopathischen Skoliose (Lenke 3 und 6) in unserem Skoliosezentrum operiert wurden. Folgende Parameter wurden ausgewertet: Gesamtstrahlenprodukt, Durchleuchtungszeit, Anzahl fusionierter Segmente, Operationszeit, Blutverlust, schraubenassoziierte Komplikationen und Anzahl der gesetzten Pedikelschrauben. Alle Werte wurden als Mittelwert ± Standardabweichung angegeben und statistisch ausgewertet. Es erfolgte ein Vergleich unserer Daten zur Genauigkeit der Pedikelschraubenlage und der Strahlenbelastung mit den Daten der Literatur bei navigierten Verfahren.
Ergebnisse Das Alter zum Operationszeitpunkt betrug 23,6 ± 12 Jahre. Die durchschnittliche thorakale Krümmung betrug präoperativ 69,2 ± 14,2° und postoperativ 21,7 ± 12,8° (Korrektur 69,9%), die durchschnittliche lumbale Krümmung präoperativ 64,3 ± 10,8° und postoperativ 15,6 ± 10,4° nach Cobb (Korrektur 76,2%). Das Gesamtstrahlenprodukt pro Patient betrug 145,7 ± 86,1 cGy*cm², die Durchleuchtungszeit 31,7 ± 23,5 s (11,5 Segmente), die Operationszeit 267,2 ± 64,1 min und der Blutverlust 700,4 ± 522,3 ml. Insgesamt wurden 803 Pedikelschrauben gesetzt. Es traten im gesamten Kollektiv keine schraubenassoziierten Komplikationen auf. Der Vergleich unserer Daten in Freihandtechnik mit Literaturdaten zeigte eine für den Patienten deutlich höhere Strahlenexposition bei der fluoroskopisch gestützten und computertomografisch gestützten Technik.
Diskussion Anhand der Ergebnisse konnte gezeigt werden, dass die dorsale Instrumentation mit Pedikelschrauben-Doppelstabsystem in Freihandtechnik bei Patienten mit adoleszenter und adulter idiopathischer Skoliose mit einer erheblich geringeren intraoperativen Strahlenbelastung im Vergleich zu navigierten Verfahren einhergeht. Dabei ist die Art des navigierten Verfahrens unerheblich. Eine erhöhte Strahlenexposition der meist jungen Patienten ist verbunden mit einem erhöhten langfristigen Risiko für das Auftreten strahleninduzierter maligner Erkrankungen. Bei entsprechender chirurgischer Erfahrung können Pedikelschrauben in Freihandtechnik mit vergleichbarer Genauigkeit sicher und effektiv gesetzt werden, führen jedoch zu einer signifikant geringeren Strahlenbelastung für den Patienten.
Schlüsselwörter Wirbelsäulenchirurgie - idiopathische Skoliose - intraoperative Strahlenbelastung - Freihandtechnik - Navigation