Fortschr Neurol Psychiatr 2020; 88(08): 492-493
DOI: 10.1055/a-1130-7477
Editorial

Einsatz von internetbasierten Trainingsmethoden mit spielerischen Elementen bei chronischen neurologischen Erkrankungen

Use of internet-based training methods with playful elements for chronic neurological diseases
Marianne Dieterich München

In der Psychotherapie werden internetbasierte Trainingsmethoden schon seit längerem mit gutem Erfolg eingesetzt. Sie werden dann besonders gut angenommen, wenn sie spielerische Elemente enthalten, sodass der Patient motiviert ist, bei dem „Spiel“ häufiger mitzumachen und vielleicht besser zu werden. Nun gibt es auch erste positive Erfahrungen zur Verbesserung der Trainingsmotivation durch Spiel-Elemente bei Übungsprogrammen von Parkinson-Patienten (1). Solche Erfahrungen könnten wegweisend sein für viele weitere chronische neurologische Erkrankungen, wie z. B. zerebrale Mikroangiopathien oder neurodegenerative Erkrankungen, deren Betreuung unser Gesundheitswesen vor große Herausforderungen stellt. Insbesondere eine effizientere Zuteilung von Ressourcen wäre im Bereich der chronischen Erkrankungen wichtig, da hier bis zu 80 % der Ausgaben im Gesundheitssystem entstehen.

Mit dieser Thematik beschäftigt sich im aktuellen Heft (2) eine interessante Pilotstudie an 60 Langzeitpatienten mit degenerativer zerebraler Mikroangiopathie, die eine reduzierte senso-motorische Stabilität aufwiesen. Die Autoren überprüften die Praxistauglichkeit eines neuen Konzepts einer standardisierten sensomotorischen Trainingstherapie, in die mit technologiebasiertem Ansatz spielerische Elemente eingebaut waren. Nach einem einwöchigen stationären Aufenthalt mit Einführung in das Trainingsprogramm wurde dies danach über 6 Wochen in einer 4-armigen Interventionsstudie entweder ambulant auf dem Klinikgelände oder zu Hause jeweils mit oder ohne Spielelemente (Gamification) fortgeführt. Das in allen Gruppen eingesetzte Übungsprogramm arbeitete mit einem Avatar zur Haltungskontrolle und Selbstreflektion. Die gamifizierenden Elemente umfassten u. a. das Freischalten neuer Lektionen als Belohnung, eine grafisch dargestellte Lernkurve sowie Möglichkeiten zum Erwerb von Abzeichen und Punkten. Insgesamt profitierten alle Gruppen von dem Trainingsprogramm; allerdings zeigten sich in einigen Tests zur Bewegungsfähigkeit signifikant bessere Ergebnisse in den beiden Gruppen mit täglichen Übungen im häuslichen Umfeld. In den Gruppen mit Gamification ergaben sich keine Unterschiede im Trainingseffekt, jedoch signifikant bessere Ergebnisse in den Fragebögen zu Lebensqualität und Motivation. Damit bewirkt ein häusliches Übungsprogramm, das häufiger als zweimal pro Woche zum Einsatz kommt, bessere Trainingseffekte als zweimal wöchentliches Üben unter Anleitung und Spiel-Elemente im Trainingsprogramm verbessern die Lebensqualität und Motivation der Patienten.

Solche mit Spielelementen angereicherten Trainingsprogramme im häuslichen Umfeld könnten in der Zukunft zu einer nennenswerten Verbesserung in der Betreuung chronisch Kranker führen. Gründe dafür liegen auf der Hand: Eine ambulante Trainingstherapie im Alltag kann nur in Ausnahmefällen häufiger als zwei Mal pro Woche realisiert werden und der empfundenen Lebensqualität und Motivation kommt gerade in der Langzeitbehandlung eine besondere Bedeutung für die dauerhafte Aufrechterhaltung eines notwendigen Trainingsprogrammes zu.

Mittlerweile gibt es auch Bestrebungen, gamifizierende Elemente in der Forschung einzusetzen. Ein Beispiel ist die DIAN-Studie für Angehörige von Familien mit erblicher Alzheimer Erkrankung (DIAN = Dominantly Inherited Alzheimer Network)(3). Hier sollen in Zukunft Spiel-Elemente zur Verbesserung der Datenqualität von Informationen beitragen, die durch die Probanden selbst erhoben werden.

Auch in strukturarmen Regionen auf dem Land könnte der Einsatz neuer Technologien eine Verbesserung der physiotherapeutischen und kognitiven Betreuung bedeuten, da sie logistisch sehr viel einfacher umzusetzen sind, als die Anreise chronisch kranker Patienten zu Terminen in weiter entfernten Praxen oder Kliniken – zum Teil mit Angehörigen - zu organisieren. Dies bekommt noch eine ganz besondere Bedeutung in Zeiten von Covid-19. Gerade durch diese Pandemie ist uns bewusst geworden, wie schnell Situationen eintreten können, in denen die Versorgung von Patienten mit chronischen Erkrankungen nicht mehr überall und gleichmäßig aufrecht erhalten werden kann. Es wäre auch unter diesem Aspekt wichtig und zeitgemäß, internetbasierte Trainingsprogramme mit Einsatz spielerischer Elemente für verschiedene Erkrankungen weiter zu entwickeln.



Publication History

Article published online:
20 August 2020

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